Wirtschaft von oben #111 – Yantian Dieser chinesische Hafen legt weltweit die Schifffahrt lahm

Der viertgrößte Hafen der Welt steht still: Wegen eines Coronaausbruchs können in Yantian in Südchina kaum noch Schiffe abgefertigt werden. Quelle: LiveEO/Skywatch

Langsam fährt der Hafen von Yantian in Südchina seinen Betrieb wieder hoch. Doch die Folgen des Staus in dem Hafen sind gewaltig - sie könnten die Schifffahrt heftiger treffen als die Blockade des Suezkanals. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Normalerweise laufen den Hafen von Yantian in einer Woche etwa hundert Schiffe an. Yantian verbindet die Industriemetropole Shenzhen im Süden von China mit dem Rest der Welt, alleine das zeigt seine Bedeutung. Weltweit verladen nur die Häfen von Schanghai, Singapur und Ningbo-Zhoushan mehr Container im Jahr als Yantian.

Normalerweise. Nur ist mittlerweile in der Schifffahrt nichts mehr normal. Nach über einem Jahr Coronakrise herrscht Chaos. Die Schiffe sind verspätet, die Häfen verstopft, die Frachtraten sind explodiert und es mangelt an Containern. Die Branche hat sich noch kaum von der sechstägigen Blockade des Suezkanals im März erholt. Nun droht ihr noch schlimmeres – wegen der Probleme im viertgrößten Hafen der Welt.

Ende Mai meldete der Hafen von Yantian einen Ausbruch des Coronavirus. Nur einige Hafenarbeiter sollen erkrankt gewesen sein, doch die chinesischen Behörden gingen kein Risiko ein. Sie fuhren den Betrieb des Hafens herunter, damit das Virus sich auf keinen Fall weiter verbreiten kann. Über Wochen war das Terminal, an dem Schiffe aus dem Westen und damit auch die Waren aus Europa abgefertigt werden, komplett geschlossen. Das Terminal, aus dem Waren aus Osten verladen werden, arbeitete mit reduzierter Kapazität. Selbst die Zahl der Lastwagen, die den Hafen anfahren durften, war begrenzt. Und auf See vor der Einfahrt in die Bucht warteten dutzende viele Schiffe darauf, dass sie endlich einlaufen dürfen, zeigen exklusive Satellitenbilder von LiveEO.


Nun nimmt der Hafen seinen Betrieb wieder auf. Doch die Folgen des plötzlichen Stillstands eines der wichtigsten Häfen der Welt dürfte die Schifffahrt noch für Wochen beschäftigen. Über 500.000 Container mit Waren stapelten sich zwischenzeitlich in Yantian, die Empfänger in Europa und Amerika warten sehnsüchtig auf die Waren. Zu den Unternehmen, die normalerweise über Yantian exportieren, gehören unter anderem Amazon, Walmart oder Tesla.

Bis die Container aber an ihren Zielen ankommen, dürfte es noch Wochen, vielleicht sogar Monate dauern. Die Schiffe aber sind seit Monaten verspätet und ausgebucht. Die Situation in Yantian hat diese Situation noch verschärft: Nach Daten der Analyseplattform Project 44 haben allein in den ersten beiden Wochen im Juni 298 Schiffe entgegen ihres Fahrplans nicht in Yantian gehalten. „Das sind 300 Prozent mehr als im Vormonat“, sagt Robin Jaacks von Project 44.

Auch andere Häfen sind verstopft und können kaum noch Container aufnehmen. So sind auch die benachbarten Häfen in Nansha und Shekhou an ihren Kapazitätsgrenzen. Der Trend ist besorgniserregend, und die nicht enden wollenden Hafenverstopfungen werden zu einem globalen Problem“, schrieb Maersk seinen Kunden. Wegen der enormen Bedeutung des Hafens sei Yantian damit ein größeres Problem als die Blockade des Suezkanals, sagte Vincent Clerc, Geschäftsführer von Maersk für den Schifffahrtsbereich, dem Onlineportal Seatrade.


Mittlerweile merken auch die Häfen in Europa die Auswirkungen. Weil auch dort die Wartezeiten für die Schiffe zu lang seien, laufen die Schiffe der Reedereien Maersk und MSC das Eurogate-Terminal in Hamburg nicht mehr an. Und die deutsche Reederei Hapag-Lloyd hat den Hafen von Rotterdam aus dem Fahrplan eines Dienstes gestrichen.

Wie lange das Problem noch andauert, ist ungewiss. „Das ist wie der Blick in die Glaskugel“, sagt Jaacks von Project 44. Die Störung des Welthandels kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Spätestens ab Ende Sommer startet die Schifffahrt in ihre Hochsaison. In Europa und den USA füllen Händler ihre Lager mit Waren aus Fernost auf, viele bereiten sich bereits auf die Feiertage zum Jahresende vor.

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Das führt auch zu steigenden Frachtraten. Die ersten Reedereien haben bereits angekündigt, dass sie für die Hochsaison Zuschläge verlangen wollen. So will die Reederei Hapag-Lloyd ihren Kunden 1000 Dollar für jeden Standardcontainer von Ostasien nach Europa berechnen. Vor der Coronakrise waren noch Raten von rund 2000 Dollar normal. Mittlerweile kostet ein Container auf der Route von Schanghai nach Rotterdam um die 12.000 Dollar, meldet der Analysedienst Drewry. Damit sind Schiffstransporte so teuer wie nie zuvor.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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