Wirtschaft von oben #119 – Vergleich in drei Ländern Deutschland, USA, Niederlande: Drei Tiny-House-Kulturen im Vergleich

Quelle: LiveEO/Skywatch

Wer ein Tiny House bauen möchte, muss Bauvorschriften einhalten – egal, ob er in den USA, Deutschland oder den Niederlanden sein Minihaus aufstellt. Doch zwischen den Ländern gibt es einige Unterschieden, zeigen auch Satellitenbilder. „Wirtschaft von Oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Immer mehr Menschen wünschen sich kleiner und nachhaltiger zu wohnen. Besonders großer Beliebtheit erfreuen sich Tiny Houses. Die kleinen Häuser haben meist eine Wohnfläche zwischen 15 und 50 Quadratmetern und es gibt sie entweder mit einem festen Fundament oder auf einem Trailer. Weltweit erfüllen sich immer mehr Menschen den Traum vom Eigenheim mit einem Tiny House.

Doch es gibt einige Unterschiede zwischen den Ländern, das wird selbst auf exklusiven Satellitenbilder von LiveEO sichtbar. Ein Blick auf die USA, Deutschland und die Niederlande.

Die USA sind das Mutterland der Tiny-House-Bewegung. Dort kam zuerst der Trend auf, in kleinen, meist mobilen Häusern zu wohnen auf. Seit der Finanzkrise 2008, in der viele US-Amerikaner ihre Häuser verloren hatten, wächst die Beliebtheit der Tiny Houses stark. Für viele sind die günstigen Häuser eine Möglichkeit, den Traum vom Eigenheim zu realisieren, andere ziehen die Mobilität einer feststehenden Immobilie vor. Manch einen haben die Minihäuser auch vor der Obdachlosigkeit gerettet.


Die Wohltätigkeitsorganisation Mobile Leaves & Fishes beispielsweise nutzt in Austin, Texas, die günstigen Häuser, um Obdachlosen wieder ein Zuhause bieten zu können. Auf einer Fläche von knapp 21 Hektar leben im „Community First! Village“ mittlerweile 200 Menschen. Im Laufe der Jahre sind immer mehr der kleinen Häuser dazugekommen, wie die Satellitenbilder zeigen. Die Wohnwägen und Tiny Houses kosten zwischen 25.000 und 40.000 Dollar und werden durch Spenden finanziert. Die Bewohner zahlen lediglich eine monatliche Miete, dürfen sich aber die Inneneinrichtung ihres Minihauses aussuchen. Die meisten der über hundert Tiny Houses besitzen allerdings keine Küche oder Badezimmer. Dafür gibt es Gemeinschaftsanlagen im Dorf.

Doch auch in den USA sind so große Siedlungen noch selten. Anders als oft gedacht, existieren auch im gelobten Land der Freiheit Bauvorschriften und Bebauungspläne. Allerdings unterscheiden sich diese je nach Bundesstaat und Bezirk stark. Texas hat beispielsweise sehr Tiny-House-freundliche Vorschriften. Viele Bezirke erlauben die Minihäuser auf Grundstücken, auch wenn sie dann teilweise ein festes Fundament haben müssen und damit nicht mehr mobil sind.

Hat ein Tiny House Räder, gilt es als „recreational vehicle“ (RV), also als Wohnmobil. Dann dürfen Besitzer die Tiny Houses nur auf Campingplätzen, die dauerhaftes Wohnen erlauben, aufstellen. Das US-amerikanische Baurecht kennt Tiny Houses nicht als Wohnform, was es teilweise schwierig macht, Mindestwohnflächen und andere Auflagen zu erfüllen. Da die Tiny Houses aber immer populärer werden, versuchen nun einige Minihaus-Fans das zu ändern und durch feste, gesetzliche Regelungen Klarheit zu schaffen. Auch immer mehr Bezirke und Bundesstaaten zeigen sich wegen der wachsenden Beliebtheit offener für Tiny Houses und genehmigen Ausnahmen.

Auch wenn künftige Tiny-House-Besitzer in den USA einige bürokratische Hürden nehmen müssen, haben sie es doch um einiges leichter als in Deutschland. Denn hierzulande erwartet Bauherren ein großes Hindernis: das deutsche Baurecht, eines der kompliziertesten weltweit. Landesbauordnung und Bebauungsplan geben vor, wie ein Haus zu errichten ist. Ob Fassadenmaterial, Dachform oder Mindestgröße, so gut wie alles ist festgelegt. Wer dauerhaft in seinem Tiny House wohnen möchte, muss all diese baurechtlichen Vorgaben erfüllen. Denn sobald das Tiny House dauerhaft an einem Ort steht, muss es wie jedes Wohnhaus genehmigt sein. Dazu muss das Minihaus an das Abwassersystem und an das Stromnetz angeschlossen sein. Bauland ist knapp und teuer, was es Tiny-House-Besitzern zusätzlich erschwert, ihren Traum vom Minihaus zu verwirklichen.

Wer ein mobiles Tiny House besitzen möchte, muss sich mit noch mehr Bürokratie herumschlagen. Denn hat das Tiny House Räder, muss es neben dem Baurecht auch die Straßenverkehrsordnung erfüllen – zumindest immer dann, wenn es auf der Straße bewegt wird. Die Minihäuser auf einem Trailer können maximal 2,55 Meter breit und vier Meter hoch sein. Die Länge hängt von einem anderen Faktor ab: dem Gewicht. Wer das Tiny House mit seinem Pkw ziehen will, darf ein Maximalgewicht von 3,5 Tonnen nicht überschreiten. Im Gegensatz zu den USA, wo die Häuser auch gerne mal zwölf Meter lang sind, ist deshalb in Deutschland meist bei einer Hauslänge von 7,80 Meter Schluss.


Doch die Bürokratie verhindert nicht, dass Tiny Houses auch in Deutschland immer mehr Anhänger finden. Bereits seit 2017 gibt es die erste Tiny-House-Siedlung in Mehlmeisel im Fichtelgebirge, mittlerweile leben dort knapp 30 Menschen. Doch auch in anderen Regionen und sogar Großstädten wie Dortmund werden Flächen für die Minihäuser geschaffen. Während die meisten kleineren Städte und Kommunen Platz für einige wenige Tiny Houses organisieren, entstehen größere Siedlungen oft auf Campingplätzen. Denn dort ist oft dauerhaftes Wohnen erlaubt und keine Baugenehmigung erforderlich ist. Auch in Mehlmeisel haben die Gründer einen ehemaligen Campingplatz gekauft. Inzwischen wurde das Gelände offiziell als Wohngebiet für Kleinsthäuser in den Bebauungsplan eingetragen – eine Premiere in Deutschland.

In den Niederlanden ist das Aufstellen eines Tiny House nicht unbedingt weniger kompliziert als in Deutschland. Auch dort gelten Tiny Houses als Wohngebäude und müssen die Bauvorschriften einhalten. Mobile Tiny Houses unterliegen zusätzlich den gleichen Begrenzungen wie in Deutschland, sowohl beim Gewicht als auch bei den Maßen.

Wie groß die Wohnfläche mindestens sein muss, wie breit der Eingang ist, wie steil die Treppenstufen sein dürfen – all diese Details sind im „Bouwbesluit“ (Bauerlass) von 2012 festgelegt. Doch das niederländische Baurecht bietet Tiny-House-Bauherren zwei Hintertüren. In den Niederlanden gelten fünf Grundsätze beim Bauen: Sicherheit, Gesundheit, Benutzbarkeit, Energieeffizienz und Umweltschutz. Wer sein Tiny House plant, darf von den üblichen Vorgaben abweichen – solange er diese fünf Standards einhält. So ist es zum Beispiel möglich, eine steilere und damit platzsparende Treppe einzubauen, wenn sie genauso sicher wie eine übliche Treppe ist. Allerdings müssen Bauherren diese sogenannte „Äquivalenzbestimmung“ für jede Änderung beantragen und es wird empfohlen, den Antrag von einem Architekten schreiben zu lassen, was wiederum zusätzliche Kosten verursacht.

Eine weitere Hintertür öffnet sich für den, der sein Haus selbst baut beziehungsweise selbst in Auftrag gibt. Denn für private Bauten legen die Behörden einige Vorschriften weniger streng aus. Sind alle Änderungen genehmigt und erfüllt das Tiny House alle sonstigen Vorgaben, bekommt es die sogenannte Umweltgenehmigung, ähnlich der deutschen Baugenehmigung.


Wer dann ein Grundstück für sein Tiny House sucht, wird auf viele Pilotprojekte stoßen, die niederländische Städte in den vergangenen Jahren angestoßen haben. Eine der ersten Siedlungen war das Dorf „Minitopia De Rompert“ in `s-Hertogenbosch. Das Tiny-House-Dorf wurde vom Architekten Rolf van Boxmeer und der Designerin Tessa Peters initiiert. Sie wollen zeigen, wie nachhaltige und innovative Wohnformen in der Praxis entstehen können. Dabei müssen die Siedlungen nicht dauerhaft seien. So war das erste Tiny-House-Dorf nur auf zwei Jahre ausgelegt, wie auch die Satellitenbilder zeigen. Mittlerweile planen van Boxmeer und Peters mehrere neue Siedlungen – alle zeitlich befristet.

Falls eine Stadt gerade kein Tiny-House-Projekt durchführt, haben niederländische Minihaus-Fans immer noch eine Alternative: den Ferienpark. In vielen niederländischen Ressorts ist Dauerwohnen erlaubt und immer mehr Betreiber haben Tiny Houses als neue Einnahmequelle entdeckt. Daher bieten inzwischen viele die Minihäuser zum Kauf oder zur Vermietung an. Bei einigen können Interessierte sogar das Grundstück direkt mitkaufen.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

Mehr zum Thema: Die Immobilienpreise steigen weiter, der Traum vom Eigenheim wird für viele unbezahlbar. Eine Alternative sind Tiny Houses. Bei den günstigen kleinen Häusern müssen Bauherren aber einiges beachten.

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