Der Mangel an Halbleitern treibt in der Autoindustrie immer weitere Blüten. Um Kurzarbeit zu vermeiden sind viele Autobauer mittlerweile dazu übergegangen, unfertige Modelle zu produzieren und diese vorübergehend zu parken. Die Fahrzeuge sollen dann so schnell wie möglich nachgerüstet und an Endkunden ausgeliefert werden.
In der Tat suchen viele Autobauer derzeit händeringend nach Flächen, wo sie ihre löchrigen Fahrzeuge zwischenparken können. Daimler scheint für sein Werk in Bremen auf dem Flugplatz in Ahlhorn fündig geworden zu sein. Dort stehen derzeit deutlich mehr Autos als sonst, wie die exklusiven Satellitenbilder von LiveEO zeigen.
Trotzdem ist das Daimler-Werk in Bremen immer wieder in Kurzarbeit. Dort werden unter anderem sämtliche Varianten der C-Klasse produziert. Doch immer wieder steht das Werk kurzfristig still. Auch nächste Woche? „Wenn wir das schon wüssten“, sagt ein Insider – schließlich erfahre man leider immer erst sehr kurzfristig, welche Teile verfügbar seien und ob man produzieren könne. Nicht alle Löcher liegen schließlich an einer Stelle, an der man nachträglich noch etwas einbauen kann. Der nachträgliche Einbau sei ohnehin schon ein „Riesenaufwand“, heißt es bei Daimler.
Laut dem Stuttgarter Konzern ist die „zeitweise Zwischenlagerung von Fahrzeugen... ein völlig normaler Vorgang“. Es gebe weltweit Logistikflächen, die von Mercedes-Benz zur Zwischenlagerung von Fahrzeugen genutzt würden. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Häufig geht es um eine Zwischenlagerung zur Vorbereitung auf die Markteinführung neuer Modelle. Richtig sei aber auch, dass es derzeit „aufgrund des weltweit anhaltenden Lieferengpasses“ bestimmter Halbleiterkomponenten „zeitweise zu einem erhöhten Aufkommen von zwischengelagerten Fahrzeugen“ komme, berichtet Daimler. Wie viele es derzeit sind? Ändert sich täglich!


Auf dem Werksgelände von Daimler Truck in Wörth ist momentan, wie das Satellitenbild zeigt, nahezu jede freie Parkfläche mit Lkw gefüllt. Die Gründe: Abladung, Fahrertrainings, Fahrzeugauslieferung, Fahrzeuge, die die Bänder verlassen – aber auch: Lkw, die noch auf Halbleiterkomponenten warten, bestätigt Daimler Truck. Aufgrund der schwankenden Lieferbarkeit bei Halbleitern reagiere das Unternehmen „kurzfristig“ auf diese Engpässe, zudem stehe man in ständigem Kontakt und Austausch mit Lieferanten und fahren auf Sicht, heißt es weiter.
Konkurrent Traton kämpft seit Ende August mit einem geringeren Absatzvolumen aufgrund des Halbleitermangels. Damit die Kunden nicht allzu lange warten müssen, baut das Unternehmen derzeit fehlende Steuergeräte aus fertig produzierten, aber noch nicht verkauften Fahrzeugen aus. Diese werden dann in bestellte Fahrzeuge eingebaut, offenbart Traton.
Bei den deutsche Autobauern sind die Bemühungen derzeit also allseits groß, die negativen Auswirkungen des Chipmangels auf die Produktion gering zu halten. Daher heißt es bei Volkswagen auf Anfrage auch: „Natürlich nutzen die Marken momentan jede Chance zum Produzieren. Dazu gehört auch die Möglichkeit, Fahrzeuge zunächst unfertig zu bauen, um sie unverzüglich nachzurüsten, sobald die entsprechenden Halbleiter und Bauteile wieder vorrätig sind.“ Geparkt werden diese laut dem Autobauer an den einzelnen Produktionsstandorten. Angesprochen auf veränderte Auslastungen auf den Parkflächen des VW-Werks in Wolfsburg wollte das Unternehmen aber keine genauen Angaben machen, wo genau sich die zwischengeparkten Fahrzeuge befinden.


Einen etwas ungewöhnlichen Schritt ist General Motors in Flint, Michigan, gegangen. Dort parken offenbar unfertige Pick-up Trucks auf einem Feld neben der Interstate 75, wie die Satellitenbilder zeigen. ABC TV 12 hatte zuerst hierüber berichtet. Aufgrund des Halbleitermangels produziere GM in einigen Fällen auch Fahrzeuge ohne bestimmte Komponenten, um sie anschließend so schnell wie möglich nachzurüsten. Dies sei für Kunden, Verkäufer und Mitarbeiter besser, als sie überhaupt nicht zu bauen, ließ ein Sprecher wissen.
Bei Daimler sind die Mitarbeiter jedenfalls mittlerweile genervt von der Kurzarbeit. Und das, obwohl Daimler das Kurzarbeitergeld aufstockt. Sie haben Angst, dass die Situation noch länger andauert – und irgendwann die Möglichkeit zur Kurzarbeit ausläuft.
Zeitnahe Abhilfe ist tatsächlich nicht in Sicht: Er sehe, dass sich die Krise wohl noch weiter bis in das Jahr 2022 ziehen werde, sagte Continentalchef Nikolai Setzer und einer der Hauptlieferanten von Bauteilen mit Halbleitern kürzlich. Viele Marktbeobachter gingen davon aus, dass erst ab 2023, wenn höhere Kapazitäten bei den Chipherstellern verfügbar seien, eine deutliche Besserung eintrete.
Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.