Wirtschaft von oben #133 – USA Wie Wyoming seinen Status als Top-Energieproduzent bewahren könnte

Der Bundesstaat Wyoming ist für seinen Kohlereichtum bekannt. Quelle: LiveEO/Skywatch

Wyoming ist das Land der Cowboys, aber auch der Bergleute. Doch selbst der „Kohlestaat“ der USA wendet sich allmählich anderen Energiearten zu – wenn auch teils widerwillig. Wie, das zeigen aktuelle Satellitenbilder. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Billige Energie treibt die Wirtschaft an. Zwei der bekanntesten Milliardäre der USA – Bill Gates und Warren Buffett – glauben, dass dies so bleiben wird. In den nächsten dreißig Jahren soll sich die weltweite Nachfrage allein nach Strom verdoppeln, getrieben unter anderem von einer Flut elektrischer Geräte, von Rechenzentren, elektrischen Autos und Lkws, von mit Strom geheizten Häusern. Wie soll dieser Hunger befriedigt werden, wenn die Menschheit gleichzeitig aus fossilen Brennstoffen aussteigen soll?

In der Kleinstadt Kemmerer im Südwesten Wyomings präsentieren Gates und Buffett eine Antwort darauf. Technologie aus dem vergangenen Jahrhundert soll günstige Energie für dieses Jahrhundert bereitstellen. Die beiden Freunde und Bridge-Partner finanzieren dort über das Unternehmen Terrapower ein Atomkraftwerk. Kein herkömmliches, in dem die Brennstäbe mit Wasser gekühlt werden. Sondern ein sogenannter Flüssigsalz-Reaktor, in dem der Kernbrennstoff mit Salz vermischt wird, das es gleichzeitig kühlt. Die Reaktion kann im Gegensatz zu einem traditionellen Reaktor besser kontrolliert werden, eine Kernschmelze ist unwahrscheinlich. Außerdem läuft die Anlage unter Normaldruck, was Komplexität und damit Baukosten verringert. „Atomkraft wird so noch sicherer und wirtschaftlicher“, wirbt Gates. Ob das so funktioniert, muss sich erst noch zeigen. In der Vergangenheit krankten Versuchsanlagen unter anderem daran, dass das Salz die Reaktorhülle angriff. Terrapower verwendet deshalb flüssiges Natrium statt Flüssigsalz, was weniger aggressiv ist.

Anfang nächsten Jahres startet die Planungsphase, bis spätestens 2028 soll der Reaktor stehen und danach in ein kommerzielles Werk umgewandelt werden, wenn alles glatt läuft. Es wäre das erste Flüssigsalz-Atomkraftwerk in den USA. Interessant ist jedoch nicht nur das Projekt. Sondern, dass es in der 2750 Seelen Gemeinde Kemmerer keinen Widerstand dagegen gibt. Im Gegenteil: „Wir sind begeistert“, freut sich Bürgermeister Bill Thek. Tatsächlich hatten drei andere Gemeinden aus Wyoming um das Milliarden-Projekt gebuhlt. Das Atomkraftwerk wird neben das Naughton Stromkraftwerk gebaut, das bis 2025 stillgelegt werden soll. Die Kohle-Abbaugrube und das Kraftwerk sind auf dem Satellitenbild von LiveEO zu sehen. Die Infrastruktur, um den Strom zu verteilen, ist also schon vorhanden. Bürgermeister Thek, ein ehemaliger Polizist, hofft, dass die durch das Stromkraftwerk wegfallenden Jobs durch das Terrapower Werk nicht nur ersetzt, sondern durch den Bau die lokale Wirtschaft beflügelt.


Nötig ist es. Wyoming steckt wegen der Klimakrise in der Bredouille. Die Nachfrage nach seinem wichtigsten Bodenschatz – Kohle – sinkt. Mit dem schwarzen Gold verschwinden Jobs und Steuereinnahmen.

Mark Gordon, der Gouverneur von Wyoming, hofft auch mit Atomkraft wieder aus dieser Klemme herauszukommen. Wyoming soll das bleiben, was es schon seit Jahrzehnten ist: Der verlässlichste Energielieferant der USA.

Endlose Weiten, Prärie, Flüsse, Schluchten, Nationalparks, Büffel, Bisons, wilde Mustangs, Lagerfeuer und Cowboys – so vermarktet sich Wyoming an Touristen. Der Name des Staates soll der Sprache der Algonkin-Indianer entstammen und so viel wie „Große Ebenen“ bedeuten.

„Wo der Reichtum nicht nur über dem Boden, sondern auch darunter liegt“, möchte man ergänzen. Und zwar in Form von Kohle, Gas und Öl. Was das Ruhrgebiet mal für die Bundesrepublik war, ist Wyoming noch heute für die USA: Eine Kohlekammer der USA. Der Staat, aus dem vierzig Prozent der Kohle stammt, die in den Vereinigten Staaten für die Stromerzeugung genutzt wird. Das meiste davon wird im Powder River Basin gefördert, eine Region, die sich durch Wyoming und Montana zieht.

Die riesigen Kohlevorräte, viel davon nahe der Erdoberfläche und so leicht abzubauen, werden schon seit 140 Jahren erschlossen. Ihre Blütezeit erlebte die Kohle aus Wyoming in den 1980er Jahren. 38.500 Leute arbeiteten 1981 im Bergbau. Seitdem ist es ständig bergab gegangen. Vor zehn Jahren war die Zahl auf nur noch 7000 geschrumpft. Derzeit sind es nur noch etwa 4400, an denen etwa 8000 zusätzliche Jobs in anderen Branchen hängen.

Es liegt nicht nur daran, dass der Abbau der Kohle weitgehend automatisiert ist und der Boom beim Fördern von Erdöl und Erdgas harte Konkurrenz schuf. Zwar kann sich der Staat immer noch damit brüsten, größter Kohleproduzent der USA zu sein. Doch Wyoming laufen die Abnehmer davon. Im Powder River Basin wurden im vergangenen Jahr 230 Millionen Tonnen Kohle gefördert. Vor drei Jahren waren es noch fast 500 Millionen Tonnen.

Viele Kohlekraftwerke in den USA sind in den vergangenen zwanzig Jahren eingemottet oder auf Erdgas umgestellt worden. Etwa 24 Prozent des Strombedarfs der USA wird aus Kohle erzeugt, vor 15 Jahren waren es noch knapp 50 Prozent.

Momentan zieht die Nachfrage nach Kohle wieder leicht an, weil die Preise für Erdgas und Erdöl zulegen. Aber langfristig bleibt Kohle wegen der Klimapläne der Biden-Administration verpönt. „Je weniger Kohle von den Stromerzeugern gekauft wird, umso weniger produzieren wir und umso stärker drückt es den Umsatz“, erklärt Travis Deti, Geschäftsführer von Wyomings Bergbauverband.

Der Export nach Asien, den Gouverneur Gordon ankurbeln wollte, wird durch die Bundesregierung in Washington, aber auch durch die Staaten an der Westküste, durch deren Häfen der Transport läuft, gebremst. „Wir fühlen uns hier wie Geiseln“, beschwert sich Gordon.

Dabei ist Wyoming mit einer anderen Ressource gesegnet, die sich klimafreundlich in Energie umwandeln lässt: Wind, der zuverlässig und stark über die Weiten des Landes fegt. Und viel Fläche, Wyoming ist der am dünnsten besiedelte Staat der USA. Er zählt nur 578.000 Einwohner, auf einer Fläche die ungefähr 3,5-mal so groß wie Bayern ist. Viel Platz also für Windfarmen.


Als der Energieversorger PacifiCorp, der zu Warren Buffetts Berkshire Hathaway Imperium gehört, 2008 mit dem Bau eines großen Windparks in Glenrock begann, wurde diese mit Bedacht direkt auf der ehemaligen Dave-Johnston-Kohlemine errichtet, zeigen die Satellitenbilder. Eine Premiere in den USA. Der Standort sollte auch als Symbol dienen, dass auf dem Boden einer alten Industrie etwas Neues entstehen kann, das sichere Arbeitsplätze und Wohlstand bringt. Glenrock sollte einen Windkraft-Boom bringen. In dem Windpark stehen heute 79 Turbinen. Hinzu kommt der benachbarte Rolling Hills Windpark mit weiteren 79 Windrädern. Zusammen offerieren sie auf 5700 Hektar Fläche 236 Megawatt.

Glenrock war als Aufbruch gedacht. Es ist anders gekommen. Die Kohle gehört zur Kultur von Wyoming wie die Cowboys. Sie hat gut bezahlte Arbeitsplätze gebracht. Etwa die Hälfte der Steuereinnahmen des Staates stammen aus dem Fördern von Kohle, Erdöl und Gas. Der Argwohn gegen die Windkraft ist groß. Windparks, so die Angst, laufen nach dem Bau weitgehend automatisch, bringen also kaum Jobs.

Zudem birgt Wyomings Erde trotz fast anderthalb Jahrhunderten Abbau immer noch riesige Kohlevorkommen – 42 Milliarden Tonnen, die sich direkt abbauen lassen. Und rund 1,4 Billionen Tonnen, die noch erschlossen werden könnten. Erneuerbare Energien werden deshalb von vielen Einwohnern als Feind wahrgenommen und nicht als Chance.

Lange auch von den Landespolitikern. Mit dem Hinweis, dass Kohlegruben zwar nicht schön anzuschauen sind, aber auch Windfarmen die Landschaft verschandeln, wurde eine Steuer auf Windkraft erhoben. Und weil man die Nachfrage nach der ohnehin gebeutelten Kohle nicht noch weiter einschränken wollte, wurden Steuererleichterungen für den Bau von Windfarmen wieder aufgehoben, um „Fairness wiederherzustellen“.

Während in der vergangenen Dekade dank Förderung Windfarmen in Texas, Nevada und Kalifornien aus der Erde schossen, machten viele Windkraft-Investoren einen Bogen um Wyoming. Der Bundesstaat steht trotz seiner idealen geografischen Bedingungen bei der Zahl der installierten Windräder bundesweit nur auf Platz 16.

Doch wegen dem schieren Bedarf an erneuerbaren Energien, Bidens milliardenschweren Infrastrukturprogramm und der Auflage an Pensionsfonds in grüne Industrie zu investieren, rückt der mit Wind so gesegnete Bundesstaat nun wieder in den Mittelpunkt.


Zwei Autostunden südlich von der Pionieranlage in Glenrock liegt die brandneue Ekola Flats Windfarm, die ebenfalls PacifiCorp gehört. 63 Turbinen von General Electric und Vestas sollen 250 Megawatt liefern. Sie ist eine von sechs neuen Windfarmen des Stromkonzerns, die bis 2024 ans Netz gehen sollen.

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In Wyomings Hauptstadt Cheyenne will man die Kohle zwar nicht aufgeben. „Wir fördern Anlagen, mit denen man Kohlendioxid auffangen und speichern kann und setzen große Hoffnungen darauf“, sagt John Barrasso von den Republikanern, der Wyoming im US-Senat vertritt. Aber ihr sollen nun auch andere Technologien zur Seite gestellt werden, damit Wyoming der zuverlässigste Energielieferant der USA bleibt. Atomkraft – aber eben auch Windkraft.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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