Wirtschaft von oben #141 – Neue Skigebiete Hier bauen Russland & Co. den Kaukasus zum Alpenschreck aus

Skigebiet Gudauri, GeorgienIn den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion stecken Tourismuskonzerne, private Investoren und staatliche Wirtschaftsförderer seit rund einem Jahrzehnt Milliardensummen in den Auf- und Ausbau von Wintersportresorts. Ins Skigebiet von Gudauri, etwa 90 Kilometer nördlich von Tiflis, Georgien, sind seit 2016 umgerechnet mehr als 150 Millionen Euro an Investitionen geflossen. Quelle: LiveEO/Skywatch

Die Olympischen Spiele sollen dem Wintersport in Asien besonderen Schwung verleihen. Das größte Wachstum erwartet der Skitourismus aber nicht in China. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wo massenhaft neue Resorts entstehen. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Wenn am kommenden Freitag in Peking die 24. Olympischen Winterspiele starten, fügt das sportliche Megaevent der an Sonderlichkeiten nicht armen Geschichte der Wettkämpfe ein besonders eigenartiges Kapitel hinzu. Denn erstmals finden sie in einer Region statt, die für ihre zwar kalten, aber notorisch schneearmen Winter bekannt ist. Ein großer Teil der nach chinesischen Angaben rund vier Milliarden Euro Investitionen für das Event sind deshalb in den Bau komplett neuer Sportstätten geflossen – und der nötigen riesigen Beschneiungsanlagen. Die Spiele sollen Initialzündung sein für den Ausbau eines milliardenschweren nationalen Wintersportmarktes. 300 Millionen Menschen will Chinas Präsident Xi Jinping in den nächsten Jahren für den Wintersport begeistern.

Das klingt nach besten Geschäftsaussichten für die Hersteller von Seilbahnen und Schleppliften, Schneekanonen und Pistenmaschinen. Doch bei den beiden größten Spielern der Szene, Doppelmayr aus Österreich und Leitner aus Südtirol, gilt trotz aller Pekinger Wachstumspläne nicht China als größter Wachstumsmarkt – sondern der Kaukasus.

Wie exklusive Satellitenaufnahmen von LiveEO belegen, schicken sich die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion an, mindestens für zahlungskräftige russische Touristen zu einer attraktiven Wintersportalternative zum Alpenraum zu werden. In Russland, Georgien, Kasachstan, Aserbaidschan und selbst in Usbekistan stecken Tourismuskonzerne, private Investoren und staatliche Wirtschaftsförderer seit rund einem Jahrzehnt Milliardensummen in den Auf- und Ausbau von Wintersportresorts.


Prominentestes Beispiel und im Grunde eine Art Blaupause für die chinesischen Wintersportpläne ist das Skigebiet von Rosa Khutor. Es liegt im Hinterland von Sotschi, also dort, wo die Winterspiele 2014 stattfanden. Die Satellitenaufnahmen zeigen speziell zwischen 2010 und 2015 den Bau großer Hotelanlagen im Tal unterhalb der Pisten. Aber auch nach der Olympiade dauerte der milliardenschwere Ausbau an. Am Fuß der Skiberge Verovochnyy Park, Roza Peak und Khaski Park sind sieben internationale Hotelketten präsent, darunter Radisson, Park Inn und Mercure.

Kaum noch Wachstum im Alpenraum

„Wir sehen im Kaukasus derzeit erheblich größeres Wachstumspotenzial als in China“, sagt Martin Leitner, Gründerurenkel und fürs Auslandsgeschäft verantwortlicher Vorstand bei Leitner Ropeways aus Sterzing. Für Leitner, aber auch den Hauptkonkurrenten Doppelmayr erschließt der Wintersportboom am Südrand Russlands jede Menge Neugeschäft. Vor allem, seit im Alpenraum, dem traditionellen Kernmarkt der Seilbahnbauer, kaum noch neue Pisten eröffnet werden.

Lesen Sie auch: Die Skisaison könnte in Europa erneut der Pandemie zum Opfer fallen. Einige Hersteller setzen daher auf neue Standbeine.

Den größten Teil des Alpen-Geschäfts machten inzwischen „Ersatzbauten für ältere, in die Jahre gekommene Lifte oder Seilbahnen“ aus, sagt Doppelmayr-Sprecherin Julia Schwärzler. „Die Region der ehemaligen Sowjetunion ist ein Wachstumsmarkt mit viel Potenzial, weil der Wintersport stark an Beliebtheit gewinnt und ganz neue Seilbahnen gebaut werden.“ Und auch bei Leitner verschieben sich die Gewichte. Und auch bei Leitner verschieben sich die Gewichte. „Vor zehn bis 15 Jahren hat der europäische Markt noch 70 Prozent des Umsatzes eingebracht“, sagt Auslandschef Martin Leitner. Heute seien es nur noch 50 Prozent, die andere Hälfte erwirtschafte Leitner außerhalb Europas.

Milliarden für Osteuropas Skitouristen

In Aserbaidschan zählt die Region rund um Cagar am Mount Shahdag zu den größten alpinen Neubauprojekten. Wo sich 2009 nur eine schmale Schotterpiste durchs Gelände schlängelte, sind seither fünf Hotels, große Parkplätze und – vor allem – 15 Lifte und 14 neue Pisten entstanden. Insgesamt stecken das Wirtschaftsministerium des Landes sowie private Investoren umgerechnet rund zwei Milliarden Euro in das Projekt. Langfristig sollen bis zu sieben weitere Hotels gebaut werden, ein Wasserpark aber auch Golf-Plätze und Feriendörfer.


Auch in Georgien entstehen oder wachsen derzeit mehrere neue Skigebiete. So etwa in Bakuriani rund 100 Kilometer westlich der Hauptstadt Tiflis, wohin Doppelmayr Seilbahntechnik geliefert hat.

Allein ins Skigebiet von Gudauri, etwa 90 Kilometer nördlich von Tiflis, sind seit 2016 umgerechnet mehr als 150 Millionen Euro an Investitionen geflossen, seit der staatliche Betreiber Mountain Resorts of Georgia gemeinsam mit kanadischen und nordamerikanischen Geldgebern beschlossen hat, das Lift-, Pisten und Hotelangebot dort massiv auszubauen.


Eines der anspruchsvollsten Projekte entsteht in Tschetschenien. Der russische Ex-Präsident Dimitri Medwedew hatte die Region schon vor mehr als einem Jahrzehnt touristisch entwickeln wollen, um der Bevölkerung in der lange umkämpften Unruheprovinz mit angepeilten 200.000 Arbeitsplätzen in dem Sektor neue Berufschancen und wirtschaftlichen Aufschwung zu ermöglichen.

2011 verabredeten Medwedew und der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy den gemeinsamen Ausbau von insgesamt fünf großen Skiresorts in Tschetschenien. Rund 15 Milliarden Euro an Investitionssumme sollten in die Region fließen, in der es bis dahin allenfalls rudimentäre Wintersport-Infrastruktur gab. Aufgrund der zunächst anhaltenden Spannungen aber verzögerten sich die Pläne anschließend um Jahre.

Nun aber wird gebaut. Und das in ganz großem Maßstab, wie Aufnahmen aus dem Resort Veduchi zeigen, das seit 2018 mithilfe französischer Investoren erschlossen wird und 2025 fertig sein soll. Wie groß der Anspruch der Bauherren ist, zeigt sich auch am wohl spektakulärsten Seilbahnprojekt der Region, das die Konstrukteure von Leitner liefern sollen: eine direkte Gondelverbindung zwischen den Skibergen auf beiden Seiten des Veduchitals.


Mit 4,3 Kilometern Länge und einer Rekordspannweite von 2,8 Kilometern zwischen den weitest entfernten Masten soll die neue Bahn dereinst selbst die bisher größte derartige Konstruktion in den Schatten stellen. Die „Peak 2 Peak Gondola„ genannte Seilbahn hatte Leitners Konkurrent Doppelmayr 2007 und 2008 in der kanadischen Wintersportregion Whistler gebaut, um die Gipfel von Blackcomb und Whistler Mountain zu verbinden. Rechtzeitig vor den Olympischen Winterspielen von Vancouver, deren alpine Skiwettbewerbe 2010 in Whistler stattfanden.

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