Ebenerdiger Parkplatz, große Glasfassade und reichlich Verkaufsfläche. So sieht sie aus, die neue, so genannte Metropolfiliale, die der Discounter Lidl vor wenigen Tagen im Frankfurter Stadtteil Niederrad eröffnet hat. Das Ungewöhnliche daran: Die Kunden gelangen per Aufzug oder Rolltreppe in den eigentlichen Markt. Denn die zweistöckige Bauweise soll in erster Linie Platz sparen. Damit reagiert das Handelsunternehmen auf die in deutschen Städten immer knapperen Flächen. Nicht nur in Frankfurt.
Die neue Frankfurter Lidl-Filiale wurde an der Stelle gebaut, an der das Unternehmen schon seit fast 20 Jahren einen Markt betreibt. Doch der war mit rund 800 Quadratmetern Verkaufsfläche schlicht zu klein für die rund 3800 Produkte, die Lidl verkauft und wurde abgerissen. Auf der gleichen Fläche entstand die Filiale mit nun 1800 Quadratmetern Verkaufsfläche.


Die Gänge sind breiter, acht Kassen wurden installiert – das zeigt, wie viel Platz sich durch veränderte Filialkonzepte einsparen lässt. Platz, der dringend gebraucht wird, nicht nur für mehr Auswahl im Laden. Vielmehr haben Stadtplaner und Wissenschaftler auf den Dächern der Discounter ein gigantisches Potenzial ausgemacht: Tausende zusätzliche Wohnungen könnten entstehen, würden die einstöckigen Supermärkte, die noch immer das Bild vieler Städte prägen, umgebaut und aufgestockt.
So wie in der Hauptstadt, wo Lidl bereits vor geraumer Zeit in der Nähe des berühmten früheren Grenzübergangs Bornholmer Straße eine Filiale mit Dach-Wohnungen gebaut hat. Zum anderen wurde 2017 in der Prenzlauer Allee eine kombinierte Wohn-Laden-Immobilie errichtet.
Auch Aldi Nord will in Berlin rund 2000 preisgünstige Wohnungen bauen und ein Drittel davon als Sozialwohnungen anzubieten. „Hier gilt der aktuelle Satz der Stadt“, sagt eine Sprecherin des Unternehmen, „6,50 Euro pro Quadratmeter“. Die übrigen Flächen sollen zu zehn bis zwölf Euro vermietet werden und damit „in den meisten Fällen unter dem aktuellen Mietpreis in den jeweiligen Stadtteilen“. Zwei der Bauprojekte von Aldi Nord in Berlin und Potsdam sollen im Frühjahr 2020 fertiggestellt werden. Die Schwesterfirma Aldi Süd ist bereits weiter und hat beispielsweise in der Münchner Schwanseestraße 30 Wohnungen in unmittelbare Nähe einer Filiale errichtet.


Noch mehr Wohnraum ist in Waldbronn, einem 12.000 Einwohner-Städtchen nahe Karlsruhe, vorgesehen. Vier Gebäudekomplexe mit zwei bis vier Etagen plus Doppelgeschoss für ein Penthouse sollen auf dem Dach der dortigen Aldi-Süd-Filiale entstehen. Über einem angrenzenden Drogeriemarkt sind weitere Wohnungen geplant. Bald schon soll dafür der bisherige „Flachmann“, wie die einstöckigen Läden mit Satteldach und großem Parkplatz im Branchenjargon genannt werden, abgerissen werden.
Dass Aldi und Lidl neue Läden verstärkt in Wohnhäuser integrieren, statt weiter auf die typischen flachen Märkte zu setzen, die bisher das Bild vieler Orte prägen, dürfte an Beschränkungen des Baurechts liegen, die die Ansiedlung neuer Läden schwierig machen. Damit neue Handelsflächen überhaupt genehmigt werden, sollen die Unternehmen dazu beitragen, Wohnraum zu schaffen. „Überall dort, wo eine gemischte Nutzung“ sinnvoll erscheine, „wird dies auch durch die Stadt Stuttgart unterstützt und eingefordert“, lautet etwa die Devise in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Im Klartext: Wollen die Discounter neue und größere Filialen bauen, müssen sie der Stadt auch etwas bieten.





So hat auf dem Dach einer Aldi-Süd-Filiale in Stuttgart eine Kita Platz gefunden. Noch exklusiver wirkt eine Lidl-Filiale direkt am Tegernsee. Dort hat der Discounter über und neben dem Markt einen Wohnkomplex samt Pflegeeinrichtung hochziehen lassen - Seeblick inklusive.
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