Wirtschaft von oben #153 – LNG-Macht USA Hier steckt das Gas, das Europa unabhängig von Putin machen soll

Das Sabine Pass Terminal am Golf von Mexiko. Quelle: LiveEO/Skywatch

Deutschland sucht händeringend nach Lieferanten von Flüssigerdgas. Die USA sind als größter LNG-Exporteur weltweit ein naheliegender Partner. Exklusive Satellitenbilder zeigen den massiven Ausbau der Industrie nicht nur in Texas. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Donald Trump lag richtig: Europa werde „ein sehr, sehr großer Käufer“ amerikanischen Flüssigerdgases (LNG), verkündete er als US-Präsident schon 2018 nach einem Deal mit dem damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Viele Versuche, Europa noch mehr LNG zu verkaufen, und vier Jahre später sind Deutschland und die EU jetzt auf die USA angewiesen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine zwingt die Europäer, anderweitig Energiequellen anzuzapfen. Und neueste Satellitenbilder von LiveEO zeigen nun: Die Vereinigten Staaten haben sich darauf vorbereitet, das russische Gas zu ersetzen.

Noch 2022 will die EU die Gasimporte aus Russland um zwei Drittel reduzieren. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht gar davon aus, Deutschland könne sich mit den richtigen Anstrengungen bis Jahresende komplett unabhängig von Putins Gas machen. Doch dafür brauchen die EU-Staaten neue Partnerschaften wie zwischen Deutschland und Katar oder zumindest massiv ausgebaute wie mit den USA.

Seit 2016 holen Konzerne wie Shell und BP das Gas in großem Stil aus dem amerikanischen Boden. Allein zwischen 2020 und 2021 stiegen die Ausfuhren um 50 Prozent. Seit der Fertigstellung und Erweiterung der Werke am Sabine Pass und am Calcasieu Pass verschifft nun der US-Energiebehörde EIA zufolge kein Land der Welt mehr LNG. Die Satellitenfotos zeigen die Expansion der gigantischen Industrie in Texas – und den Ausbau der LNG-Terminals am Golf von Mexiko.


Der Bedarf übersteigt längst die ursprüngliche Planung. Das Terminal Sabine Pass an der Grenze zwischen Texas und Louisiana etwa, seit rund 14 Jahren im Dienst, hat bereits mehrere Erweiterungen hinter sich, wie auf den Satellitenbildern zu erkennen ist. Gerade ist die sechste Station, an der Erdgas in LNG umgewandelt wird, fertig geworden. Insgesamt gelangen von dort nun jährlich rund 30 Millionen Tonnen Flüssigerdgas auf den Weltmarkt. Umgerechnet in Kubikmeter entspricht alleine diese Menge knapp der Hälfte des jährlichen Erdgas-Verbrauchs in Deutschland.

Fast zeitgleich ist die Anlage am Calcasieu Pass fertig geworden. 2018 bestimmten noch grüne Wiesen und Wälder die Landschaft, zeigen die LiveEO-Aufnahmen. In Louisiana gehen die Betreiber von einer Jahresproduktion in Höhe von zehn Millionen Tonnen aus.


Sechs der acht Exportstätten in den USA liegen am Golf von Mexiko – in Texas und Louisiana. Dass dort, und gerade im Westen von Texas, große Reichtümer in der Erde liegen, weiß die Energieindustrie seit Generationen. Wirtschaftlich erschlossen war das 220.000 Quadratkilometer Becken schon lange. Vor mehr als 100 Jahren wurde dort zum ersten Mal Öl gefördert. Der Rohstoff wandelte kleine Ortschaften wie Odessa oder Midland zu boomenden Städten. Texas stieg zum wirtschaftlichen Schwergewicht auf. Die Landschaften um die Städte herum sind heute übersät mit Bohrlöchern. Vom Öl, vor allem aber vom Fracking für LNG. In den vergangenen 20 Jahren hat sich Zahl der Fracking-Anlagen verzehnfacht.

In Deutschland gilt die Fördermethode Fracking unter Umweltschützern und in weiten Teilen der Bevölkerung als verpönt – obwohl es durchaus Versionen und Verfahren gibt, die der Natur weniger schaden.

Die Satellitenbilder zeigen nun deutlich, welchen Schub diese Industrie im Südwesten der USA gemacht hat – und was sie im Boden hinterlassen hat.



Im ganzen Gebiet mehren sich die Bohrlöcher. So versuchen die amerikanischen Ölkonzerne die riesigen Öl- und Gasreserven zu erreichen, die Geologen hier festgestellt haben. Dank immer besserer Technik liegen diese Rohstoffvorkommen mittlerweile nicht mehr außerhalb der Reichweite der Förderindustrie. Neue Bohr- und Fördertechnik bringt die Energieträger immer effizienter an die Oberfläche. Fracking hat dafür gesorgt, dass die vorher über Jahrzehnte gesunkene Fördermenge im Permischen Becken mittlerweile wieder steigt.


Ein Drittel der LNG-Exporte geht bereits nach Europa. Seit Trump-Zeiten versucht Washington noch mehr LNG hierhin zu verkaufen. Putins Krieg verhilft den USA nun unverhofft zu einem Durchbruch in der Sache. Ende März verkündeten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden einen Deal über die Lieferung zusätzlicher 15 Milliarden Kubikmeter LNG.

Die Abmachung hilft den EU-Staaten – und ist für Bidens Industrie höchst attraktiv. Die EU hat sich bis 2030 verpflichtet, weitere, noch größere Mengen abzunehmen. In einer Berechnung von Anfang März dieses Jahres prognostiziert die EIA bis 2033 einen Zuwachs der Exporte in Richtung Europa um 65 Prozent. Diese Einschätzung könnte sich angesichts des Krieges noch als konservativ erweisen.


Das Problem ist: So leicht und schnell, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Kollegen gerne andere Routen als die aus Russland nutzen würden, lässt sich das Gas nicht heranschaffen. Aus bestehenden Lieferverträgen können die Firmen nicht einfach aussteigen. Hinzu kommen logistische Schwierigkeiten: Deutschland bezieht das als LNG angelandete Gas vor allem über Pipelines aus Rotterdam und dem belgischen Seebrügge. Eigene Terminals, zu denen das LNG per Schiff gelangen kann, hat Deutschland nicht. Spanien und Portugal verfügen zwar über viele solcher Terminals. Diese haben auch noch genügend Kapazitäten, um einen Anstieg der LNG-Importe zu meistern. Aber am Weitertransport hapert es, weil die Kapazität der Pipelines an ihre Grenzen kommt. Die umständliche Alternative: Das LNG muss über Großbritannien importiert werden – und von dort über Leitungen nach Belgien und in die Niederlange strömen.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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