Wirtschaft von oben #161 – Weizenkrise Die Ostukraine würde in einigen Wochen eigentlich eine Superernte erwarten

Felder, auf denen in der Ukraine aktuell Wintergetreide wächst Quelle: LiveEO/Google Earth, Vertical52

Trotz Krieg versuchen ukrainische Bauern, ihre Felder so gut es geht zu bewirtschaften. Doch Satellitendaten zeigen nun, dass die letzte Winteraussaat vor allem in jetzt stark umkämpften Regionen stattgefunden hat. Das könnte die Nahrungskrise verschärfen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Seit die russische Armee die Okkupation der West- und Zentralukraine aufgeben musste, ist dort zwar wieder etwas Ruhe eingekehrt. Doch der Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln wird das wohl weniger helfen, als manch einer gehofft hat. Darauf deuten im März und April aufgenommene Satellitenbilder hin, die das Berliner Start-up Vertical 52 per Multispektralanalyse für die WirtschaftsWoche auf landwirtschaftliche Vegetation hin untersucht hat.

Die Technik beruht etwa darauf, dass lebende Pflanzen besonders viel Strahlung im nahen Infrarotbereich reflektieren.

Die Ukraine gilt als einer der wichtigsten Getreidelieferanten der Welt, unter anderem für viele Länder in Nord- und Westafrika. Aufgrund des Krieges und einer Dürre in Indien erwarten die Vereinten Nationen in den nächsten Monaten Rekordpreise für Getreide und eine Welle an Hungersnöten. Zwar wächst derzeit überall im Land auf den Feldern eine neue Ernte heran, wie auch Aufnahmen von LiveEO zeigen. Doch nicht überall wird diese in den nächsten Wochen eingeholt werden können.

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Ausgerechnet in der zurzeit schwer umkämpften Ostukraine hatten die Bauern demnach in den Monaten vor Kriegsbeginn offenbar sehr viel mehr Getreide und Raps gesät, als im Jahr zuvor. In den aktuell friedlicheren Regionen westlich davon, wo trotz Krieg Landwirte zurzeit auf ihren Feldern arbeiten und wohl auch die Wintergetreideernte in den nächsten Wochen einfahren können, ist die Vegetation dagegen zum Teil deutlich zurückgegangen, wie die Analyse zeigt. Lediglich in drei westlichen Regionen ist die Aussaat minimal gestiegen.


In der zentralukrainischen Provinz Winnyzja etwa, südlich von Kiew, sank die aktuell bewachsene Fläche den Vertical-52-Daten zufolge von rund 60.000 Hektar im Vorjahreszeitraum auf aktuell nur noch 38.000 Hektar.

In der umkämpften ostukrainischen Provinz Donetsk jedoch wuchs sie von 600.000 auf immerhin 770.000 Hektar, zeigen die Satellitendaten. Ein nahezu identisches Bild gibt es in der ebenfalls umkämpften Provinz Luhansk.



In Luhansk und Donetsk sei die Lage für die Bauern jedoch extrem kompliziert, berichtet Igor Krawtschenko, Broker beim Getreidevermittler Maxigrain im südukrainischen Cherson. Mehr als 90 Prozent der beiden Provinzen seien von der russischen Armee okkupiert, es gebe schwere Kämpfe. Die Russen würden zudem Getreide und Landmaschinen stehlen und außer Landes schaffen. Im Westen, Norden und in der Zentralukraine – dort, wo die ukrainische Armee die Kontrolle hat – sind die Bauern hingegen auf ihren Feldern unterwegs. „Im Süden ist der Feind zwar sehr nah“, sagt Krawtschenko, „aber unsere Bauern sind mutig, machen auch da ihre Arbeit“.

Winterweizen etwa wird ungefähr im Oktober ausgesät. Bei vielen Pflanzen also, die nun auf den Satellitenbildern zu sehen sind, geschah dies weit vor Kriegsbeginn. Geerntet wird im Juli oder August. Insgesamt haben ukrainische Bauern den Daten nach etwa 20 Prozent weniger ausgesät als ein Jahr zuvor.

Laut der US-Landwirtschaftsbehörde baut die Ukraine zahlreiche Arten von Wintergetreide an, darunter auch Gerste und Roggen. Dominiert werden die Felder allerdings vom Weizen, der etwa 75 Prozent der Winteraussaat ausmache.

Dass manche Flächen nun offenbar brach liegen, kann Brancheninsidern zufolge verschiedene Gründe haben. So könnte die ursprünglich dort geplante Aussaat etwa von Sonnenblumen wegen des Krieges teilweise ausgefallen sein.

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Oder die Bauern haben die Flächen auf Mais umgestellt, der im April ausgesät wird und erst jetzt zu treiben beginnt.


Wenig Aufschluss geben die Daten über die Qualität der zu erwartenden Getreideernte. So muss etwa der Winterweizen im Frühjahr, wenn er anfängt, zu sprießen, das erste mal gedüngt werden und dann bis zur Ernte zwei weitere Male. Stickstoffdünger etwa gibt es zurzeit in der Ukraine zwar kaum noch zu kaufen. Dieser kam bisher vor allem aus Russland und Weißrussland. Doch die Bauern haben Getreidebroker Krawtschenko zufolge noch einiges an Düngemitteln auf Lager, mit dem sie vorerst noch hinkommen.

Eine gute Nachricht sei auch das Wetter, bleibe das wie in den vergangenen Wochen, dürfte es ein gute Getreidesaison werden, erwarten Experten. Sorgen bereitet ihnen allerdings die Ernte. Es fehlt akut an Treibstoff für die dafür notwendigen Maschinen. Ein Problem ist zudem der Abtransport. Die Schwarzmeerhäfen mit ihren riesigen Getreideterminals sind blockiert.

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Bleibt zurzeit der Transport über die Schiene – vor allem zum polnischen Hafen Danzig. Diesen Weg gab es bereits vor dem Krieg. Um die Kapazitäten hier aber zu erhöhen, bräuchte es mehr Wagons für den Transport, heißt es von Branchenkennern. Die Deutsche Bahn arbeitet deshalb einem Bahnsprecher zufolge an einem Plan, Getreide nun massenhaft per Frachtcontainer. aus der Ukraine zu schaffen.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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