Wirtschaft von oben #178 – Wagner-Gruppe Hier dringen Putins Söldner in Afrika ein

Fern der Heimat: Direkt am Flughafen der malischen Hauptstadt Bamako haben sich die Wagner-Söldner häuslich eingerichtet. Quelle: LiveEO/Planet Labs PBC SkySat

Private russische Söldnerfirmen wie die Wagner-Gruppe haben sich in Afrika breit gemacht. Sie erkaufen für sich selbst und den Kreml Einfluss und Zugang zu Rohstoffen. Exklusive Satellitenbilder aus Mali und der Zentralafrikanischen Republik zeigen, wie die Wagner-Gruppe expandiert. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Jahrelang hat er sein Wirken im Hintergrund geleugnet, doch damit ist Schluss: Der Koch bekennt sich zu seiner Küche. Jewgeni Prigoschin, russischer, schwerreicher Unternehmer mit besten Verbindungen zu Wladimir Putin, der wegen früherer Gastronomiegeschäfte auch den Spitznamen „Putins Koch“ trägt, machte Anfang der Woche publik: Ja, er, Prigoschin, habe die Wagner-Gruppe gegründet. Dabei handelt es sich um ein paramilitärisches Netzwerk russischer Söldner, von dem sich der Putin-Vertraute bislang stets distanziert hatte – wenngleich es kaum einen Zweifel an der Verbindung gab.

Wenig strittig war und ist auch, dass der Kreml solche privaten Sicherheits- und Militärunternehmen benutzt, um seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in labilen Staaten zu festigen. Dem Center for Strategic & International Studies (CSIS) in Washington zufolge ist die Zahl der Länder, in denen Gruppen wie Wagner militärisch operieren, in den vergangenen Jahren auf fast 30 gestiegen. Darunter vor allem afrikanische Staaten, aber auch Länder wie Venezuela. Der Deal: Waffen und bestens ausgebildete Sicherheitskräfte gegen Zugang zu Rohstoffen. Exklusive Satellitenfotos von LiveEO zeigen jetzt, wie offensichtlich und offensiv die Wagner-Gruppe in Mali und der Zentralafrikanischen Republik agiert, und das teilweise in unmittelbarer Nähe der Bundeswehr.

Bamako, Hauptstadt Malis. Das Wagner-Camp am Flughafen liegt neben einer malischen Militärbasis. Vor knapp einem Jahr, das belegen die Satellitenbilder, haben die Söldner hier ihre Zelte aufgeschlagen. Auf dem aktuellsten Foto, das die WirtschaftsWoche hat Ende September aufnehmen lassen, ist deutlich zu erkennen, wie sich die Anzahl, die Anordnung und die Qualität der Behausungen für die Sicherheitsberater und Kämpfer verändert hat. Seitdem Mali Mitte August alle internationalen Streitkräfte, die den Betrieb sichern sollten, des Flughafens verwiesen hat, sind jetzt die Wagner-Leute die Herrscher am Flughafen. Ob sie ihn de facto auch betreiben, ist nicht bekannt.


Sicher ist: Russland nutzt private Sicherheits- und Militärunternehmen zunehmend für die irreguläre Kriegsführung. Catrina Doxsee, stellvertretende Direktorin vom CSIS, sagt, die Wagner-Gruppe und andere stellten afrikanischen Staaten „typischerweise militärisches Training und operative Dienstleistungen“, mit dem Ziel, „Moskaus Einfluss auszuweiten, die Reichweite des russischen Militärs und der Geheimdienste zu vergrößern und sich ökonomische Gewinne zu sichern“.


Auch die Präsenz ausländischer Armeen wie der Bundeswehr schreckt die Söldner offenbar nicht ab. Vor wenigen Wochen kamen die russischen Kämpfer am Flughafen Gao an, in Sichtweite der Deutschen. Dort errichteten die Söldner einen Knotenpunkt für ihre Operationen im Land. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) verurteilte die Ankunft der Wagner-Gruppe und sagte, man beobachte die Situation am Flughafen sehr genau.


Die meisten der rund 1000 Bundeswehrsoldaten in Mali sind in Gao stationiert. Von dort unterstützen sie die UN-Mission Minusma. Das Bundeswehrcamp ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, wie Satellitenfotos zeigen. Wie nah und wo genau die Wagner-Söldner sind, ist nicht genau zu sagen. Die Bundeswehr wollte sich auf Anfrage der WirtschaftsWoche nicht äußern.



Die „New York Times“ berichtete, die Gruppe habe zu 15 malischen Militärbasen Leute entsandt. Einige der Stützpunkte wurden vor kurzem noch von französischen Soldaten betrieben. Aber mit dem umfassenden Rückzug aus dem Land übergaben die Franzosen diese offiziell an die malische Armee. Eine Lücke, die Russlands Söldner besetzt haben.

Catrina Doxsee sagt, die Militärunternehmen würden häufig offizielle Vereinbarungen zwischen Russland und Partnerländern über Kooperationen im Sicherheitsbereich umsetzen. Gleichzeitig erlaube der Einsatz der Privatarmee dem russischen Staat, jede Verantwortung von sich zu weisen, wenn der Auftrag „mal etwas umfassender ausgestaltet“ werde. Soll heißen: Die Wagner-Gruppe tut weit mehr als Militärs zu beraten und Soldaten zu trainieren. Sie greift selbst in Konflikte ein, so die Vereinten Nationen.


Das lässt sich auch in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) beobachten. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg schrieb Mitte August, die Militärunternehmen suchten nach Gold und säten Chaos. Zeugen zufolge seien in diesem Jahr bereits 100 Menschen von ihnen getötet worden.

Laut dem CSIS ist die Wagner-Gruppe seit 2018 im Land. Das Camp etwa in Berengo liegt 80 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Bangui. Viele Jahre lag das frühere Anwesen des ehemaligen Herrschers Jean-Bedel Bokassa brach. Wie die ausländischen Söldner das Gelände wieder in Stand gesetzt haben, ist auf den Satellitenfotos deutlich zu erkennen.


In vielen Ländern südlich der Sahara haben sich private Militärs Abbaukonzessionen gesichert. Für diese Geschäfte verwenden sie häufig Briefkastenfirmen in den Ländern. Die stellvertretende CSIS-Direktorin sagt, der Zugang zu Ressourcen wie Gold, Edelsteinen und Energiereserven sichere ihnen neben den vertraglich vereinbarten Konditionen mit dem jeweiligen Staat zusätzliche Einnahmen. „Das erhöht das Vermögen der Unternehmen und russischer Oligarchen wie Jewgeni Prigoschin, die sie leiten.“

Ein Deal, über den ein europäisches Journalistennetzwerk vor kurzem berichtete: Die ZAR verkaufte Forstrechte an eine dubiose Firma mit Verbindungen zur Wagner-Gruppe. Kostbares Tropenholz könnte so auch nach Europa gelangen.

Wie eng russisches Militär und der Geheimdienstapparat mit den Unternehmen verbandelt sind, zeigt ein Ort im russischen Krasnodar, an dem die Söldner für die Auslandseinsätze vorbereitet werden. Er liegt in unmittelbarer Nähe einer Basis des Militärgeheimdienstes GRU und entstand zwischen 2015 und 2016. Von dort aus geht es in alle Welt.


Mali und die ZAR stehen exemplarisch für die Machenschaften der Wagner-Gruppe und ihrer angeschlossenen Firmen. Die Geschäfte in Afrika helfen Russland auch bei der Finanzierung des Ukrainekriegs: Catrina Doxsee zufolge nutzt Moskau etwa geschmuggeltes sudanesisches Gold, um Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf die eigenen Geldtöpfe abzufedern.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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