Wirtschaft von oben #179 – Irans Kohlereserven Glück auf? Die Mullahs kommen

Eine der Parvadeh-Kohleminen aus der Nähe. Der Abbau des wertvollen Brennmaterials findet hier in Bergwerksstollen unter Tage statt. Quelle: LiveEO/Maxar/GoogleEarth

Die Öl-Nation Iran verkauft künftig große Mengen Kohle an Pakistan – wohl auch, um den Einfluss im Nachbarland zu stärken, das als US-Verbündeter gilt. Und in der iranischen Kohle steckt noch eine Überraschung, die sich das Land zunutze machen will: Erdgas. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO. 

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Im Iran brodelt es. Die Menschen gehen auf die Straße, nachdem eine junge Frau vor ein paar Wochen im Gewahrsam der Sittenpolizei starb. Doch während das Mullah-Regime daheim unter Druck gerät, baut das öl- und erdgasreiche Land seinen Einfluss anderswo im Mittleren Osten aus – mithilfe von Kohle. So zeigen Satellitenaufnahmen von LiveEO, wie das Land die Kohleminen in der iranischen Tabas-Region deutlich erweitert. Und während Flüssigerdgas (LNG) kaum noch in Pakistan ankommt, was dort eine schwere Energiekrise ausgelöst hat, springen nun die Mullahs dem Nachbarland als Retter zur Seite.

Das ist nicht alles. Aus den Kohleflözen im Untergrund will das staatliche Bergbaukonglomerat Imidro künftig auch noch große Mengen unkonventionelles Erdgas ziehen. Das schwarze Brennmaterial entpuppt sich so als strategische Stärke für die Machthaber in Teheran. 

Zurzeit produziert der Iran zwischen 1,6 und 1,9 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr. Damit ist das Land anders als bei Öl und Gas im weltweiten Vergleich zwar kein Schwergewicht. Von Ägypten abgesehen ist der Iran aber der einzige Staat in der Region, der über nennenswerte Kohlevorkommen verfügt. Auf ungefähr drei Milliarden Tonnen werden die aktuellen Reserven iranischen Medien zufolge geschätzt.



Vor allem seit die Energiepreise weltweit durch den Ukrainekrieg und die nach der Coronapandemie anziehende Nachfrage steigen, ergibt sich für die Mullahs eine neue Einnahmequelle. Aktuelle Satellitenbilder zeigen, dass das Regime gut vorbereitet ist. Den Abbau in der wichtigsten Kohlelagerstätte des Landes, rund um die kleine Stadt Tabas, hat der Betreiber in den vergangenen Jahren deutlich erkennbar erweitert.

In der Minenzone Mazino etwa, rund 80 Kilometer südwestlich von Tabas, sind allein in den vergangenen sieben Jahren fünf neue Steinkohletagebaue herangewachsen. Laut Global Energy Monitor lagern hier etwa 1,5 Milliarden Tonnen Reserve.


Ähnlich sieht die Entwicklung 60 Kilometer östlich aus, in der Parvadeh-Zone, wo Kohle unterirdisch abgebaut wird.

Hier kamen Zugänge in die Bergwerke hinzu, in denen das fossile Gestein nun gewonnen wird. Vor allem im Osten des Areals.


Auf den Bildern ist das vor allem am schwarzen Kohlestaub auf dem kargen Wüstenboden und an den Gebäuden zu erkennen, die an jenen Stellen entstanden sind. Das gewaltige aus mindestens vier Teilen bestehende Kohlebergwerk erstreckt sich inzwischen über eine Länge von fast 30 Kilometern. Insgesamt sollen hier Reserven von mehr als einer Milliarde Tonnen Kohle lagern. Das unterirdische Kohleflöz hat einer Studie der britischen Universität Exeter zufolge eine Dicke von einem halben bis zwei Metern.

In den vergangenen Jahren hat der Iran sich damit vor allem selbst versorgt, um etwa seine Stahlindustrie am Laufen zu halten. Die Sanktionen der USA und von Europa verhinderten, dass westliche Länder bestimmte Stahlerzeugnisse an den Iran liefern. Die Metallindustrie des Landes gilt auch daher als äußerst wichtig für das Regime.


Zuletzt waren die Kohleexporte des Iran deutlich zurück gegangen. Von etwas mehr als 200.000 Tonnen im Jahr 2018 auf gerade mal 61.000 Tonnen im Jahr 2020. Das will die Regierung in Teheran nun ändern. Nach Angaben der iranisch-pakistanischen Handelskammer wird der Iran künftig eine halbe Million Tonnen Kohle pro Jahr in das Nachbarland Pakistan exportieren.

Das steckt zurzeit aufgrund der enorm gestiegenen Energiepreise und einer Flutkatastrophe, die große Teile der Energieinfrastruktur zerstört hat, in einer beispiellosen Energiekrise. LNG-Lieferanten haben zudem offenbar ihre Terminverträge mit Pakistan aufgekündigt, um ihr Gas lieber nach Europa zu liefern, wo sie zurzeit größere Margen erzielen können. So dürfte sich die dramatische Situation in Pakistan im Winter noch verschärfen.

Was für Pakistan und seine Bevölkerung ein Drama ist, ist für die Mullahs ein Segen. Die steigenden Energiepreise machen sogar eine bisher nicht genutzte Energiequelle interessant. Sogenanntes Kohlebettmethan. Das ist nichts anderes als Erdgas, das nicht wie gewöhnlich in Sandstein oder Schiefer eingelagert ist, sondern in Kohleflözen.

Satellitenaufnahmen zeigen, dass in der Parvadeh-Gegend südlich der Mineneingänge in den vergangenen Jahren zahlreiche Wege gezogen wurden, mutmaßlich für die Exploration. Einer aktuellen Studie der iranischen Yazd-Universität zufolge wurden in dem Areal rund 40 Probebohrungen gemacht, auf der Suche nach ausbeutbaren Gasvorkommen.


Das Ergebnis: Das Kohleerdgaspotenzial ist groß. Die Wissenschaftler schätzen, dass allein an dieser einen Stelle mindestens 1,39 Milliarden Kubikmeter förderbar sind. Zwar lagern die weltweit größten Kohleflözmethan-Reserven einer kanadischen Studie zufolge mit 49 Billionen Kubikmetern in den USA. In Russland sollen es 48 Billionen Kubikmeter sein und in China 37 Billionen. Für die Gegend ist selbst die im Vergleich kleine Menge dennoch eine Sensation. Im Zentraliran gibt es nämlich anders als etwa am Persischen Golf keine klassischen Erdgasvorkommen. Zudem empfehlen die Wissenschaftler, nun auch die anderen Kohleflöze in der Tabas-Region nach dem Gas zu untersuchen.

Um das Kohlemethan zu fördern, muss der staatliche Bergbaukonzern Imidro es per Fracking aus dem Kohlegestein lösen und abpumpen. Das hätte auch für den Kohleabbau später Vorteile. Denn Methan kann sich als gefährliches Grubengas in den Bergwerken sammeln. Erst 2017 löste es in einer anderen iranischen Kohlemine eine Explosion aus, bei der Dutzende Bergleute starben. 2012 waren in den Tabas-Minen mehrere Bergarbeiter auf dieselbe Art ums Leben gekommen.

Anfang der 1990er-Jahre gab es auch in Deutschland Bestrebungen, Kohleflözgas zu fördern. Ein Konsortium aus Ruhrkohle AG, Ruhrgas AG und dem US-Ölkonzern Conoco bohrte dazu Kohleflöze im Münsterland an. Doch die Ausbeute war zu gering. Bohrungen im Saarland lieferten zwar etwas mehr Gas. Doch auch hier zu wenig, um eine Förderung wirtschaftlich zu rechtfertigen. 

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Die iranischen Wissenschaftler von der Yazd-Universität dagegen empfehlen für die Region Tabas die Förderung. 

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