Wirtschaft von oben #181 – Werften in Korea und China Jetzt werden wir bei LNG-Tankern von China abhängig

Quelle: LiveEO/Pleiades

Flüssigerdgas vom Schiff soll russisches Pipelinegas ersetzen. Doch gibt es nicht genug Tanker. Hergestellt werden die meist in Korea, wo es kaum noch freie Kapazitäten gibt, wie aktuelle Satellitenbilder zeigen. Helfen kann nur ein Land. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Die Erdgasspeicher in Europa und Deutschland sind voll. Der Westen hat sich im Sommer noch einmal mit russischem Pipelinegas eingedeckt. Doch für die nächsten Winter wird das wohl nicht mehr funktionieren.

Die Folge: Erdgas muss in verflüssigter Form per Frachter auf den Kontinent gebracht werden.

Das Problem: Die Schiffe aber sind knapp. Und neueste Satellitenbilder von LiveEO zeigen, dass jene Werften, in denen sie vor allem gebaut werden, davon in den nächsten Jahren wohl nicht genug herstellen können. Einspringen kann auf absehbare Zeit nur China.

Dabei hat die Gasindustrie 2022 bereits die Rekordzahl von 150 neuen LNG-Frachtschiffen bestellt. Im Vorjahr waren es 78 Schiffe. Insgesamt stehen somit jetzt 252 solche Tanker in den Orderbüchern der Werften. Eine gewaltige Menge, bedenkt man, dass heute gerade einmal 570 LNG-Frachter auf den Weltmeeren unterwegs sind.

Dennoch werde das nicht reichen, um den Wegfall der Pipelines wie Nordstream auszugleichen, sagt ein Experte vom Pariser Schiffsbroker BRS. Dazu bräuchte es mindestens 170 weitere Schiffe. Die aber könnten jene Werften, die solche LNG-Tanker heute bauen, aktuell kaum unterbringen.



Rund um die Welt gibt es aktuell nur fünf Werften, die die Fähigkeit dazu haben. Die drei mit Abstand wichtigsten – Betriebe von Daewoo, Hyundai und Samsung – sitzen in Südkorea. 196 der zurzeit georderten Schiffe entfallen auf diese drei Hersteller. Zwei Werften in China sollen weitere 37 Schiffe bauen, zeigen die Daten des Brokers. Dort aber müsse man den Bau als Auftraggeber stark überwachen, um die Qualität zu gewährleisten. Denn mit chinesischen LNG-Tankern gab es in der Vergangenheit immer mal wieder technische Probleme. Die 25 restlichen Schiffe sollen in Kooperation mit Samsung in Russland entstehen.

Ein Blick auf aktuelle Satellitenaufnahmen zeigt, dass die Trockendocks und Liegeplätze der wichtigsten koreanischen Werft, der von Hyundai in Ulsan, schon vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine vollgepackt waren mit LNG-Frachtern. Heute dominieren die Schiffe, deren Bau unterschiedlich weit fortgeschritten ist, in der Werft. Zwar könnte Hyundai beispielsweise die Produktion von Containerschiffen zurückfahren. Doch auch die werden momentan dringend gesucht.


Vor einem solchen Schritt warnt daher Tonci Tokic, der das LNG-Geschäft beim Schiffsbroker Gibson in Singapur entwickelt. Container, Öl, Schüttgut, LNG – alle hängen voneinander ab. „Einfach zu sagen, ich produziere jetzt weniger Containerschiffe, dafür mehr LNG-Tanker, ist sehr gefährlich für die Weltwirtschaft“, so der Experte. Die Kapazitäten zum Bau von LNG-Frachtern in Korea zu erhöhen, sei auch darum sehr schwierig.

Die Preise für LNG-Tanker steigen

Wie knapp die inzwischen sind, zeigt ein Blick auf den Preis. Kostete ein LNG-Frachter 2019 rund 190 Millionen Dollar, werden inzwischen um die 250 Millionen fällig. Das ist ein Preisanstieg um mehr als 30 Prozent. Und die Wartezeiten sind lang. Ein dieses Jahr bestelltes Schiff wird frühestens 2025, wenn nicht erst 2027 ausgeliefert.

Auf den Satellitenbildern sind die LNG-Frachter gut zu erkennen. Hatten solche Schiffe früher mehrere halbkugelförmige Aufbauten – ein norwegisches Design – verfügen moderne Exemplare über Aufbauten mit dem Querschnitt eines Trapezes. Darin stecken heutzutage fast immer spezielle Membrantanks des französischen Unternehmens GTT, die extrem niedrige Temperaturen lange beibehalten können.


Auch wenn diese Technik nicht als Engpass gilt, steht es um die Schiffbaukapazitäten in der Werft von Samsung auf der kleinen Insel Geoje im Südosten von Korea nicht viel besser als in Ulsan. Auch hier zeigen aktuelle Aufnahmen, dass bereits seit Jahren massenhaft LNG-Frachter in der Werft gebaut werden und andere Trockendocks mit Öltankern und Containerschiffen belegt sind. 

Dabei hatte die Werft bereits vor etwas mehr als zehn Jahren mehrere schwimmende Trockendocks angebaut, um die Kapazität zu erweitern. Zumindest hier erscheint es möglich, weitere solche Docks zu installieren.


Besonders aus dem Emirat Katar am Persischen Golf kommt jede Menge Nachfrage nach LNG-Schiffen. Das Land gilt neben den USA als der große Hoffnungsträger, um Europa künftig mit flüssigem Erdgas zu versorgen. So gut wie alle Schiffe, die in Korea und China zurzeit bestellt werden, sind direkt an Vorkommen gekoppelt, deren Gas sie abtransportieren sollen. Nur die allerwenigsten gehen an Spekulanten.

Doch Gibson-Broker Tokic zufolge dienen die Bestellungen aus Katar zu einem großen Teil nicht dazu, russisches Pipelinegas zu ersetzen. Viele Schiffe sollen alte LNG-Frachter ablösen, die Katar aufgrund von strengeren Umweltauflagen in absehbarer Zeit ausmustern will.

Sieben Kilometer westlich von der Hyundai-Werft, in einer anderen Bucht der Insel Geoje, herrscht beim Konkurrenten Daewoo ebenfalls Hochbetrieb. Auch hier werden den Satellitenaufnahmen zufolge am laufenden Band LNG-Frachter gebaut. Aufgrund der geografischen Lage ist es hier wie auch bei Hyundai in Ulsan kaum möglich, weitere schwimmende Trockendocks anzulegen, um die Kapazitäten zu erweitern.


So lastet die Hoffnung, die Zahl der LNG-Frachter noch weiter steigern zu können, vor allem auf China. Frankreich, einst Marktführer beim Bau der Frachter, und Japan hatten sich vor einigen Jahren aus dem Geschäft verabschiedet und es Korea überlassen. Dass diese Länder wieder einsteigen können, halten Experten für unrealistisch. Dazu hätten sie einfach nicht mehr das Know-how. Anders ist das in China, das seit 2008 LNG-Frachter baut.

Mit Jiangnan und Hudong-Zhonghua hat das Land bereits zwei Werften, die LNG-Frachter bauen können – wenn auch immer noch in geringeren Stückzahlen als die Koreaner. Beide Werften liegen direkt nebeneinander, nahe der Metropole Schanghai. Drei weitere Werften wollen zudem in das Geschäft einsteigen, darunter mit Yangzijiang auch erstmals eine nichtstaatliche. 

Auf einem Satellitenbild aus dem August sind allerdings in der Werft, die sich ebenfalls im Großraum Schanghai befindet, keine LNG-Tanker zu erkennen. Wie schnell die und die anderen Neulinge in China ihre Kapazitäten dafür hochfahren können, hängt Brancheninsidern zufolge nun davon ab, ob der chinesische Staat Jiangnan und Hudong-Zhonghua, die zur China State Shipbuilding Corporation gehören, zwingt, ihr lukratives Know-how zu teilen.


Satellitenaufnahmen von der Jiangnan-Werft zumindest zeigen, dass in den vergangenen drei bis vier Jahren die Zahl jener LNG-Frachter, die hier zeitgleich gebaut werden, sukzessive gestiegen ist – so wie der Marktanteil der Chinesen. 

Die Werft baut allerdings auch jede Menge Kriegsschiffe, darunter auch die neuen Flugzeugträger für die chinesische Marine. Eine Order hier würde vor allem für amerikanische Gasanbieter ein Risiko bedeuten, sollten sich die Beziehungen zwischen den USA und China weiter eintrüben und das militärische Säbelrasseln zwischen beiden Ländern zunehmen.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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