Wirtschaft von oben #185 – The Line Irre Zukunftsstadt der Saudis: Hier wird sie gebaut

Ein kleiner Ausschnitt der insgesamt rund 170 Kilometer langen Baustelle von The Line. Quelle: LiveEO/Pleiades

Mit seinen Plänen für eine riesige linienförmige Stadt, die das urbane Leben revolutionieren soll, erntete der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman viele Zweifel. Neueste Satellitenbilder zeigen, wie jetzt tatsächlich daran gebaut wird. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.  

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Saudi-Arabien spart nicht mit Superlativen, wenn es um The Line geht. Jene 170 Kilometer lange und nur 200 Meter breite Stadt der Zukunft, die das Königreich bauen will. Es sei eine „zivilisatorische Revolution“, ein „nie da gewesenes Wohnerlebnis“, heißt es auf der Website des staatlichen Projekts. In ihr soll es keine Straßen geben, keine Autos. Angetrieben werde sie ausschließlich mit erneuerbarer Energie.

Im Januar 2021 hatte der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman das Megaprojekt angekündigt. Nun zeigen neueste Satellitenaufnahmen von LiveEO, wie sich das linienförmige Vorhaben tatsächlich durch die karge vegetationsfreie Landschaft des Landes zieht. Bauarbeiter bereiten den Boden für das Fundament und die U-Bahn vor und tragen Felsen ab. Zudem geben die Aufnahmen erstmals Klarheit darüber, wie die linienförmige Stadt in Zukunft verlaufen wird.

The Line soll Teil der Megametropole Neom werden, die die saudische Regierung am nördlichen Ende des Roten Meeres als Wasserstoffhauptstadt der Welt baut. Neoms Energieproduktion wird von keinem Geringeren als dem früheren RWE-Chef Peter Terium geleitet.



Die WirtschaftsWoche hatte Anfang des Jahres berichtet, wie die Behörden mehrere Orte geräumt, Angehörige des Howeitat-Stammes vertrieben und deren Häuser abgerissen haben, um Platz zu schaffen für die gewaltigen Pläne. Die neuen Aufnahmen zeigen nun, dass The Line nahezu direkt neben einem solchen geräumten Ort gebaut wird, dem Ort Alkhuraybah.

Zuvor hatten die Saudis daneben ein riesiges Camp für Tausende Gastarbeiter hochgezogen, die die linienförmige Stadt nun bauen. Ein weiteres Camp findet sich einige Kilometer östlich.


Die Arbeiter haben in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem massenhaft Fels und Sand abgetragen, um den Boden für die Zukunftsstadt zu ebnen. Hochauflösende Satellitenbilder vom September zeigen, wie sich Bagger und Bulldozer durch die Landschaft graben und eine riesige Zahl an Lastwagen das Erdreich abtransportieren.

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Dies allein und die Unmengen an Zement, die hier wohl in den nächsten Jahren verbaut werden, dürften die Klimabilanz der grünen Zukunftsstadt allerdings alles andere als grün aussehen lassen. Wohl auch ein Grund, warum ausländische Journalisten nach wie vor keinen Zugang zu Neom bekommen. Stattdessen gibt es höchstens mal ein Werbevideo, welches das Projekt bewirbt. 


The Line soll 100 bis 200 Milliarden US-Dollar kosten und 2045 weitgehend fertiggestellt sein. Dann sollen hinter der verspiegelten Fassade neun Millionen Menschen wohnen.

Alle Orte in der Stadt sollen durch einen Hochgeschwindigkeitszug binnen 20 Minuten erreichbar sein – darunter auch Parkanlagen innerhalb und außerhalb. Dazu ist das Königreich Medienberichten zufolge mit Herstellern wie Siemens, Hitachi und Alstom in Gesprächen. Roboter sollen die Menschen im Alltag unterstützen. Schon bis 2030 sollen hier 380.000 Jobs entstehen, so der Plan.


Den Großteil des Wasserbedarfs in der trockenen Gegend werden Entsalzungsanlagen liefern, die Wasser aus dem Roten Meer aufbereiten. Geplant ist, das dabei entstehende Salz nicht wieder zurück ins Meer zu leiten, damit etwa die Korallen nicht leiden.

Südlich von The Line sowie einem neuen Königspalast samt Golfplatz und dem neuen Flughafen von Neom lässt der Kronprinz zurzeit Neoms erste große Fabrik für grünen Wasserstoff bauen. Unter anderem mit Elektrolysetechnik von Thyssenkrupp. Die soll mithilfe von Solarenergie Wasser aus dem Roten Meer aufspalten, sodass reiner Wasserstoff entsteht. Thyssenkrupp baut dafür gerade südlich von The Line an einer großen Elektrolyseanlage mit.

Satellitenbilder der Anlage zeigen vor allem Erdarbeiten. Gebäude sind zwar an jener Stelle noch nicht erkennbar, allerdings verschiedene Umrisse im planierten Sandboden.


Neben Ex-RWE-Chef Terium sind eine ganze Reihe von deutschen Managern mit The Line und Neom beschäftigt: Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld etwa, der einst CEO von Neom war und heute im Beirat des Projektes sitzt. Oder Alexander Rieck und Tobias Walliser, Gründer des Architekturbüro Lava. Die hatten schon die grüne Stadt Masdar City in Abu Dhabi mit entworfen. In Neom entwerfen sie den Bergsportort Trojena.

Allerdings gibt es auch jene, die anzweifeln, dass Saudi-Arabien das Großvorhaben gelingen wird. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass das Land große Ankündigungen macht, diese dann aber nicht einhält. Der Jeddah Tower etwa, das eines Tages vielleicht höchste Gebäude der Welt, sollte vergangenes Jahr stehen. Doch die Bauarbeiten gehen kaum noch voran und es ist unklar, wann und ob das Gebäude fertiggestellt wird. Von den 1007 Metern ist gerade einmal ein Viertel erreicht.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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