Wirtschaft von Oben #188 – Flugzeugfriedhöfe Superjumbo A380: Totgesagte leben länger

Quelle: LiveEO/Pleiades

Als mit der Coronakrise der Luftverkehr einbrach, landeten die Riesenflieger Airbus A380 fast nur noch auf Flugzeugfriedhöfen. Jetzt zeigen Satellitenbilder, dass mehr und mehr Airlines das größte Passagierflugzeug der Welt zurück in den Dienst holen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Anfang Dezember bot der Frankfurter Flughafen Luftfahrtfans eine besondere Sehenswürdigkeit. Nach mehr als zwei Jahren landete erstmals wieder ein Airbus A380 der Deutschen Lufthansa auf dem Airport. Mit einer kleinen Feier begrüßten Schaulustige und Lufthansa-Mitarbeiter die Kapitäne und ihren 73 Meter langen Riesenjumbo.

2020 hatte das Unternehmen den Jet mit dem Taufnahmen „Düsseldorf“ auf einem Flugzeugparkplatz im spanischen Teruel eingemottet, neben mehreren A380 des Konkurrenten Etihad aus Abu Dhabi. Insgesamt standen dort zuletzt immer noch um die 20 Riesenjumbos. Nach gründlicher Prüfung soll die Lufthansa-Maschine nun ab März in München wieder in den Liniendienst gehen und pro Flug bis zu 555 Gäste in alle Welt bringen.

Die „Mike Kilo“ – wie Piloten den Flieger nennen – soll nicht der letzte sein. „Bis ins kommende Jahr werden vier bis fünf weitere A380 folgen“, heißt es bei der Lufthansa. Im Herbst 2021 hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr noch erklärt: „Der A380 kommt natürlich nicht zurück.“


Wie Europas größte Fluglinie holen auch andere Gesellschaften derzeit ihr einstiges Flaggschiff zurück in den Dienst, wie aktuelle Satellitenaufnahmen von LiveEO belegen. Eine Statistik des Schweizer Datendienstleisters CH-Aviation stützt die Beobachtung. Mit der „Düsseldorf" seien nun wieder mehr als die Hälfte der insgesamt 251 ausgelieferten Maschinen aktiv. Zudem entschied gerade erst die Golf-Linie Etihad, seine A380 ab 2023 zurückzuholen. 

Damit haben inzwischen zehn der bisher 15 Betreiber das Modell nach der durch Corona ausgelösten Luftfahrtkrise reaktiviert. Der größte ist Emirates aus Dubai. Sie setzt 84 der einst 123 Exemplare wieder im Liniendienst ein. British Airways hat sogar alle zwölf A380 wieder in der Luft. China Southern hat noch drei aktive Modelle. Weitere Linien wie die japanische All Nippon wollen nachziehen. Emirates und Singapore Airlines erneuern sogar die Kabine ihres Flaggschiffs.



Doch Luftfahrtexperten geben sich immer noch skeptisch, was die langfristige Zukunft des A380 angeht. Denn nicht alle Airlines holen sie zurück. „Für fast alle Betreiber, die es tun, ist das Flugzeug auf die ein oder andere Art nur ein Lückenfüller für begrenzte Zeit“, sagt der Hamburger Branchenkenner Heinrich Großbongardt. Danach dürften die Maschinen dahin zurückkehren, wo sie bisher standen: Auf die Flugzeugfriedhöfe wie Teruel, Victorville in Kalifornien oder Alice Springs in Australien – oder gleich auf den Airport Tarbes in Südfrankreich, wo schon seit 2019 erste Airbus A380 ausgeschlachtet und verschrottet werden.

Diese abgelegenen Landeplätze haben sich in den vergangenen Jahren erstaunlich entwickelt, wie Satellitenbilder zeigen. Der offiziell Asia Pacific Aircraft Storage (APAS) genannte Stellplatz in Alice Springs etwa liegt ziemlich genau im Mittelpunkt Australiens. Vor der Coronazeit hatte APAS nur Platz für zwei Dutzend Flieger.

Doch in weiser Voraussicht hat dessen Chef Tom Vincent schon vor der Pandemie mit einem Ausbau begonnen, kann nun bis zu 150 Flieger im roten Staub verteilen. Hier stehen vor allem die A380 und andere Großraumjets von Singapore Airlines sowie der Hongkonger Linie Cathay Pacific. Jeder einzelne sorgt hier im strukturschwachen Outback rein rechnerisch für mindestens ein halbes Dutzend Jobs.


Die Plätze locken nicht nur mit günstigen Parkgebühren. Das Klima ist ideal fürs Warten auf die Rückkehr in den Liniendienst oder eine Zerlegung. „Weil die Luft warm und vor allem trocken ist, leiden die Flugzeuge kaum unter Korrosion“, so Großbongardt. Emirates und Qatar Airways parkten viele ihre A380 zwar in Dubai und Doha. Doch das seien Ausnahmen. Hier ist die Luft zwar ebenfalls trocken. Doch der Sand kann in die empfindlichen Teile der Maschinen dringen. Die Linien müssen ihn vor einer Wiederinbetriebnahme mühsam entfernen. 

Darum stellten die großen Gesellschaften vom persischen Golf hier nur Flugzeuge ab, die sie bald zurückholen wollen. Dass Etihad seine A380 statt in Abu Dhabi etwa im spanischen Teruel parkt, sprach dafür, dass die Linie zunächst keine große Zukunft für ihre zehn Flieger sah. Auch wenn sie nun eine Kehrtwende hinlegt, vier Stück reaktivieren will. 

Für die Wende bei den Linien sorgt unter anderm der Aufschwung der Flugbranche. Mit dem Ende der Coronabeschränkungen seit März explodierte der Flugverkehr regelrecht und leert die Stellplätze. Das zeigt sich nirgendwo so deutlich wie auf dem Airport Dubai World Central (DWC). 

Der neue Flughafen Dubais hatte vor der Krise viel Platz. Emirates nutzte lieber den alten Flughafen, weil der trotz aller Enge für die Kunden besser erreichbar ist. Also gab es viel Raum, als die Linie im Frühjahr 2020 ihre Flotte und vor allem die A380 einlagern musste, von denen jeder gut 6000 Quadratmeter Stellfläche braucht.

Am DWC zeigen die Satellitenbilder nun eine erstaunliche Wiedergeburt. Denn obwohl Anfang 2021 der Flugverkehr anzog, wuchs auf dem Dubai World Central noch die Zahl der abgestellten A380. Die simple Erklärung: Bis dahin hatte Emirates Teile der Superjumboflotte fern der Heimat abgestellt. Nun holte sie die nach Hause, um sie beim erwarteten Neustart schnell zur Hand zu haben. Zwar bremsten die neuen Varianten des Coronavirus dann doch die Erholung, sodass vor gut einem Jahr noch rund 70 A380 hier parkten. Aber inzwischen sind im Südwesten von Dubai nur noch gut zwei Dutzend am Boden.


Mit seiner erneuten Rückkehr entgeht der größte Passagierjet aller Zeiten seinem oft herbeigeredeten Ende schon zum zweiten Mal. Bereits 2005 vor dem Erstflug drohte ihm das Aus. Damals sorgte eine verkorkste Produktionsplanung für eine mehrjährige Verspätung beim Bau. Das ließ die Entwicklungskosten von geplanten gut zehn Milliarden Euro auf geschätzte gut 20 Milliarden steigen. Da gleichzeitig weniger Airlines als erhofft die Maschinen bestellten, drohte beim Bau eines jeden ein Verlust von mehr als 100 Millionen Euro. Das brachte Airbus an seine Grenzen – Deutschland und Frankreich mussten als Aktionäre einspringen und den Bau des Vorzeigejets ermöglichen.

Doch der A380 blieb ein Milliardengrab, obwohl sich der weltweite Flugverkehr zwischen 2007 und 2019 fast verdoppelte. Es gab nur wenige Strecken, wo sich die Flugzeuge gewinnbringend füllen ließen. Dafür sorgten vor allem die hohen Betriebskosten. Weil Airbus den Jet später ohne großen Aufwand auch in einer Langversion anbieten wollte, sind etwa die Flügel nebst Aufhängung und das Heck zu groß. Die Folge: Übergewicht und hoher Spritverbrauch. Der liegt bei rund 20.000 Litern je Flugstunde oder voll besetzt bei rund vier Litern pro Passagier auf 100 Kilometer. Bis zu 40 Prozent mehr als moderne Langstreckenmaschinen wie der Airbus A350 verbrauchen. Zudem sind die Triebwerke technisch veraltet: Weil sie vergleichsweise schwach sind, braucht der A380 vier Stück. Das treibt die Wartungskosten. 

Also kauften die Airlines lieber andere und kleinere Flugzeuge. „Mit zwei Boeing 787 Dreamlinern fliegen wir die gleiche Zahl von Passagieren günstiger und profitabler als mit einem A380“, verglich der Chef der australische Qantas, Alan Joyce, seine beiden Langstreckenjets. Airbus wurde am Ende nur 251 Exemplare los, statt der erhofften gut 1000. Und weil das Programm nie auch nur die eigentlichen Baukosten verdiente, stellte es der damalige Konzernchef Tom Enders mitten im Boomjahr 2019 ein.

Darum traf die Coronakrise die A380 härter als andere Modelle. Am Tiefpunkt des Einbruchs flogen nur noch gut 20 der 251 Maschinen. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie in Doha. Zwar behielt die Staatslinie Qatar Airways in der Krise einen großen Teil ihrer Flugziele und nahm dabei offenbar hohe Verluste in Kauf. Doch sie parkte auf ihrem Heimatflughafen alle zehn A380. 


Wie im Umfeld des Unternehmens zu hören ist, hatte das neben den hohen Kosten zwei weitere Gründe. In der Zeit war der Frachttransport eine wichtige Einnahmequelle. Doch weil die Frachträume wegen der großen Flügelaufhängung sehr klein sind, kann der A380 im Vergleich zur Boeing 777 relativ wenig Paletten und Container mitnehmen. Dazu kam eine psychologische Wirkung. Weil die Flüge kaum gebucht waren, gab es reichlich Berichte und Fotos von leeren Sitzreihen. „Und diese hätten auf dem großen A380 noch gespenstischer gewirkt und das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit wohl noch unglaubwürdiger wirken lassen“, vermutet ein Kenner des Unternehmens. 

Für die Rückkehr des A380 gibt es nun drei Gründe. Der wichtigste ist der Mangel an anderen Flugzeugen. Weil der Flugverkehr nun weltweit bei etwa 80 Prozent des Vorkrisenniveaus liegt, brauchen die Airlines mehr Jets. Doch die gibt es nicht. Zu Beginn der Krise haben fast alle neben dem A380 auch kleinere Maschinen mit hohem Spritverbrauch ausgemustert. Sie taten das im Vertrauen, dass sie rechtzeitig ihre bestellten neuen Langstrecken-Flugzeuge erhalten, wenn das Geschäft wieder anzieht. Doch daraus wurde nichts, etwa weil Boeing wegen Problemen bei der Fertigung lange seine 787 nicht liefern konnte und die neue 777X nicht fertig bekam. Aus dem Grund muss auch Lufthansa ihre A380 nun reaktivieren. „Bevor wir Routen und Landrechte aufgeben, nutzen wir eben dieses Flugzeug, selbst wenn es sich nicht wirklich lohnt“, heißt es in Unternehmenskreisen. 

Dazu kamen bei Qatar Airways noch hausgemachte Probleme. So legte die Linie ihre Exemplare des Airbus A350 still, weil sie Lackschäden für gefährlich hielt. „Damit fehlten zusätzlich zu den verspäteten 777X so viele Flieger, dass nur noch die A380 blieben“, sagt Experte Großbongardt.


Auch wenn es bis zu 20 Millionen Euro kostet, einen eingelagerten A380 ins Leben zurückzuholen, lohnt sich das offenbar für viele Fluglinien. Das beste Beispiel hierfür steht ebenfalls in Doha. Keine zwei Kilometer Luftlinie neben den Stellplätzen von Qatar Airways am alten Flughafen der Stadt liegt der neue Hamad Airport. Dort hatte am Höhepunkt der Krise British Airways ein paar ihrer A380 geparkt. 

Die sind inzwischen alle wieder im Dienst. Denn damit löst die Linie eines ihrer Probleme. Weil besonders ihr Drehkreuz London-Heathrow im Sommer überlastet war und sich lange Schlangen vor den Kontrollstellen bildeten, haben die Behörden die Zahl der Starts beschränkt. Damit hätte die Linie in ihrem Kerngeschäft Nordatlantikverkehr Passagiere abweisen müssen. Doch dank der großen A380 kann sie mit der gleichen Zahl Flüge deutlich mehr Tickets verkaufen. Zwar hätten die Briten zu fast den gleichen Kosten auch ein paar ihrer still gelegten Boeing 747 Jumbojets aktivieren können. „Doch die bringen mit gut 100 Sitze deutlich weniger Umsatz“, so ein führender Brancheninsider.


Eine andere Gruppe nutzt trotz der Not nur noch einige ihre A380. Hierzu zählen vor allem asiatische Linien wie Singapore Airlines und die australische Qantas, die acht ihrer zwölf Riesenflieger im kalifornischen Victorville geparkt hatte. Sie alle schicken das Flugzeug nun wieder auf längere Strecken mit hoher Nachfrage bei Touristen. Bei Qantas ist das die Känguru-Route genannte Verbindung von London über Singapur oder Bangkok in australische Städte wie Sydney und Perth. Dazu kommen fast reine Urlaubsstrecken wie von Japan nach Hawaii, wo All Nippon Airways ihre drei A380 in vergleichsweise enger Bestuhlung einsetzt. 

Dabei profitieren die Betreiber sogar von den Problemen der A380. Weil viele Airlines in der Coronazeit wegen eines Überangebots an Maschinen ihre Leasingverträge neu verhandeln konnten, sind laut den Daten von CH-Aviation die Preise deutlich gesunken. Ein gut zehn Jahre altes Exemplar kostet weniger als 30 Millionen Dollar. Der einstige Listenpreis: fast 400 Millionen Dollar. Die Mietraten liegen mit rund 300.000 Dollar pro Monat inzwischen oft unter denen eines neuen Mittelstreckenjets vom Typ Airbus A320neo oder einer Boeing 737Max.

„Und wegen des Überangebots an alten ausschlachtbaren Maschinen sind auch die Ersatzteilpreise deutlich billiger geworden“, sagt Großbongardt. Da vielen Passagieren nach den Lockdowns der Urlaub so wichtig ist, dass sie bis zu einem Viertel mehr für ihre Tickets zahlen, rechnen sich die Flüge öfter als erwartet. 


Trotz der guten Vorzeichen: Mindestens 50 Exemplare des A380 werden wohl nicht zurückkommen und an Orten wie dem Zerlegeairport Tarbes in Südfrankreich enden. Mit Air France, Malaysia Airlines und Thai Airways haben drei Anbieter bereits angekündigt, dass sie trotz aller Nöte ihre Jets dauerhaft stillgelegt haben. „Das ist Teil einer Strategie zur Verbesserung der wirtschaftlichen und ökologischen Leistung unserer Fluggesellschaft“, lässt Air France-KLM-Chef Ben Smith ausrichten, verweist darauf, dass der A350 als Ersatz „25 Prozent weniger Treibstoff verbraucht und die Lärmbelastung um 40 Prozent reduziert.“ Darum hat die Linie schon vier ihrer einst zehn Exemplare zerkleinert – und es werden nicht die letzten sein. Zwar bieten etwa Thai Airways und Malaysia Airlines ihre sechs Superjumbos offiziell noch zum Kauf an, doch der erste Malaysia-Flieger ist vor zwei Wochen mit seinem wohl letzten Flug in Tarbes angekommen. 

Das stärkste Anzeichen für ein eher kurzes zweites Leben des A380 ist, dass neben der Zahl der reaktivierten Flieger auch die Zahl der Verschrottungen steigt. China Southern steht kurz vor einem Ausstieg, hat bereits zwei ihrer fünf Flieger am Verschrottungsflughafen Mojave stehen und will ihre drei Aktiven still legen – zumindest bis zum chinesischen Neujahrsfest im Januar. Und auch die Lufthansa rechnet damit, dass neun ihrer 14 Exemplare auf den Jet-Friedhöfen Tarbes und Teruel verbleiben. Wohl nicht zuletzt deshalb steigt letzterer nun ebenfalls in die Zerlegung von Superjumbos ein. 

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