Wirtschaft von oben #195 – Russische Autobauer Der chinesisch-russische Auto-Boom: Bei Lada läuft es wieder

Das Werk in Toljatti, in dem die frühere Renault-Tochter AwtoWAS wieder Ladas baut. Quelle: LiveEO/Pleiades

Mehr als ein Drittel der Neuwagen in Russland kommen inzwischen aus China. Doch auch AwtoWAS, das Unternehmen hinter Lada, baut wieder kräftig Autos, wie Satellitenbilder zeigen. Chinesische Zulieferer springen ein. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Im Lada-Werk in Toljatti ging nichts mehr. Dafür hatten die direkt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verhängten Sanktionen und der Rückzug westlicher Zulieferer gesorgt. Arbeiter wurden heimgeschickt. Auf den Auslieferparkplätzen des Herstellers AwtoWAS, der hinter der Automarke Lada steckt, herrschte gähnende Leere. Die Wirkung dieses Boykotts ist inzwischen so gut wie verflogen, die Produktion im AwtoWAS-Werk läuft weitgehend normal. Das zeigen neueste Satellitenbilder von LiveEO. Einem Insider zufolge sollte im Februar sogar die Fertigung des Lada-Topmodels Vesta anlaufen. Der Wagen soll jede Menge chinesische Technik an Bord haben.

Die Aufnahmen aus dem All machen damit auch einen Rückschlag für die westliche Sanktionspolitik sichtbar. So hat sich die Hoffnung deutscher Politiker, die Embargos würden langfristig russische Unternehmen lähmen, hier nur bedingt erfüllt. Und sie deuten darauf hin, wie eng der Schulterschluss zwischen China und Russland ist. Rund um den Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war der chinesische Außenminister zu Gast in Moskau. Ein Besuch von Staatschef Xi Jinping soll im Frühjahr folgen.

In der Autowirtschaft sind die Beziehungen ebenfalls eng. Im vergangenen Jahr steigerten chinesische Hersteller wie Geely, Chery und Great Wall ihren Marktanteil in Russland auf 17 Prozent, wie die Nachrichtenagentur „Bloomberg“ meldet. Inzwischen stammen mehr als ein Drittel der Neuwagen aus China. Chinesische Firmen verhelfen aber auch russischen Herstelllern zur Rückkehr. „Es gibt kein Autoteil, das man heute in Russland nicht von chinesischen Zulieferern bekommt“, erzählt ein Insider. Sie hätten sämtliche Anbieter aus dem Westen ersetzt. Ähnlich sei es mit Firmen, die jene Werkzeugmaschinen geliefert haben, mit denen die Autos montiert werden.



Bis Mai 2022 hatte Renault das Sagen im Lada-Werk in Toljatti, das 500 Kilometer östlich von Moskau liegt. Wie andere westliche Unternehmen musste der französische Autohersteller seinen Anteil jedoch an den russischen Staat verkaufen, das Management wurde abgezogen. Übernommen haben danach auch Führungskräfte, die vor dem Einstieg des westlichen Unternehmens in Toljatti regiert hatten. 

Tatsächlich zeigen vor wenigen Tagen aufgenommene Satellitenbilder, dass auf dem großen Auslieferparkplatz auf dem Werksgelände in Toljatti deutliche Bewegung herrscht. Die riesige Fläche ist nicht nur etwa zur Hälfte mit nagelneuen Autos gefüllt. Auch sind an jenen Stellen, wo keine Wagen stehen, dunkle Flecken in der Schneedecke zu erkennen. Ein Indiz, dass hier vor kurzer Zeit noch Fahrzeuge standen, die nun ausgeliefert wurden.


Gestützt wird dies durch niedrig aufgelöste Satellitenaufnahmen aus dem Herbst. Auch auf ihnen sind seit September immer wieder Bewegungen auf dem Parkplatz zu erkennen. Dem Lada-Insider zufolge wird aktuell vor allem das Modell Granta in Toljatti gebaut. Das ist ein einfaches 2011 eingeführtes Auto, das schon vor dem Krieg nur wenige westliche Teile an Bord hatte. Im Sommer hatte die russische Regierung einen Erlass veröffentlicht, wonach die Wagen auch ohne Airbag und ABS verkauft werden dürfen. Technik, die vor allem aus dem Westen kam.


Dass inzwischen sogar die Produktion des Vesta wieder anlaufen soll, ist ein deutliches Zeichen, dass diese Engpässe mit chinesischer Hilfe weitgehend überwunden sein dürften. Schließlich steckte im Top-Modell Vesta noch viel mehr westliches Know-how als im Granta. Entworfen hat den Wagen unter Renault-Regie Designer Steve Mattin, der zuvor für Mercedes und Volvo gearbeitet hatte.


Ein zweiter großer Auslieferparkplatz in Toljatti, der in den vergangenen Jahren meist gut gefüllt war, bietet derzeit allerdings noch einigen Freiraum – den der Vesta nun füllen könnte. Auf ihm standen vor ein paar Tagen nur vereinzelte Fahrzeuge. Selbst wenn auch hier einige dunkle Flecken im Schnee zu erkennen sind, die darauf hindeuten, dass an jenen Stellen bis vor kurzem noch Wagen standen.

Vor dem Krieg hatte AwtoWAS den Vesta in einem Werk in Ischewsk montiert, das im Gegensatz zu Toljatti offenbar weiterhin weitgehend heruntergefahren ist. Lada zahlte im Spätsommer Medienberichten zufolge Mitarbeitern Abfindungen, die ihren Job freiwillig aufgaben. Mangels aktueller hochauflösender Satellitenbilder und des starken Winterwetters lässt sich die aktuelle Lage dort schwer analysieren.  

In St. Petersburg hat AwtoWAS zudem kürzlich vom japanischen Hersteller Nissan ein Werk übernommen, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti. Dafür werde AwtoWAS wohl in den kommenden Monaten einen chinesischen Partner suchen, dessen Fahrzeuge das Unternehmen dann bauen kann, so ein Branchenbeobachter. Ganz nach dem Vorbild von Moskwitsch, ein russisches Traditionsunternehmen, das nun Autos in einem Werk der einstigen Lada-Mutter Renault baut. Hinter Moskwitsch steckt der chinesische Hersteller JAC und der neue Moskwitsch-3 ist eine Kopie des chinesischen Stadtgeländewagens JAC S4.


In Toljatti zeigen auch die Mitarbeiterparkplätze und das Tor für die Teileanlieferung, dass wieder auf Hochtouren gearbeitet wird. Die Stellplätze vor den gewaltigen Werkhallen sind voll mit Fahrzeugen der Beschäftigten. Und auf der Satellitenaufnahme ist zu erkennen, wie Sattelschlepper zu den Hallen fahren – offenbar Material anliefern.


Die noch junge Unabhängigkeit von Lada und AwtoWAS wird vermutlich nicht von Dauer sein. „Die Designs und die technische Reife chinesischer Fahrzeuge sind einfach zwei bis drei Jahre weiter“, sagt der Lada-Insider. Darum ergebe es sehr viel mehr Sinn, ähnlich wie zuletzt mit Renault einen Partner an Bord zu holen, der die technische Plattform bereitstellt und Lada diese auf das eigene Design nur anpasst. Einen Partner, der höchstwahrscheinlich aus China kommen wird.

Hinweis: Dieser Artikel ist ursprünglich am 6. Februar 2023 erschienen und wurde nun aktualisiert.

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