Wirtschaft von oben #42 – BER Parkplatz Landebahn

Wenn das Coronavirus den Flugverkehr zusammenbrechen lässt, bringt das den Fluglinien nicht nur finanzielle Probleme. Sie müssen allein in Europa wohl bis zu 8000 Flugzeuge irgendwo abstellen. Das beschert ausgerechnet dem Berliner Problemairport BER einen unerwarteten Aufschwung, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Berliner Flughafen BER

Seit einer Woche haben die Chefs der großen Fluglinien in Europa ein ganz neues Gesprächsthema mit Boeing-Chef David Calhoun. Statt mit dem CEO des weltgrößten Flugzeugherstellers über Preise und Lieferpläne zu sprechen, können sie jetzt seinen Rat in einer praktischen Frage brauchen: Wie und wo parke ich in kurzer Zeit verdammt viele Flugzeuge, die ich hoffentlich bald wieder brauche.

Im Jet-Parken hat Calhouns Firma Erfahrung. Sein Vorgänger Dennis Muilenberg hatte im festen Vertrauen auf ein baldiges Ende des Flugbanns für seinen Bestseller 737 MAX noch bis Anfang dieses Jahres die Fertigung weiterlaufen lassen. Doch bis Boeing die Maschinen wieder ausliefern darf, muss der Flugzeughersteller sie irgendwo abstellen. Also parkte Boeing zuerst die Werksairports voll, dann die Belegschaftsparkplätze und schließlich einige entlegene Felder wie Moses Lake.

Nun müssen es Europas Fluglinien Boeing nachmachen. Den größten Druck hat die Lufthansa. Sie will bis kommende Woche 700 ihrer 768 Maschinen stillgelegt haben. Weil aus Angst vor dem Coronavirus zuerst immer weniger Kunden Flüge buchten und dann immer mehr Staaten Starts und Landungen verboten, muss die Lufthansa bis zu 95 Prozent ihrer Flüge absagen – und in gleicher Größenordnung Flugzeuge stilllegen. Andere Linien wie Air France-KLM oder Ryanair werden folgen. In Summe könnten es bis zu 8000 Maschinen werden. „Weil wir so konsequent gehandelt haben, wurden wir von Wettbewerbern belächelt“, erinnert sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr und ergänzt: „Jetzt lächelt keiner mehr.“

Bisher schickten die Airlines nur einige von den kleinen Maschinen entweder in die Wartung oder in die Provinz – bei der Lufthansa etwa auf Miniairports wie Rostock-Laage.

Flugzeugparkplätze auf dem neuen Berliner Flughafen BER

Doch das System kommt an seine Grenzen. Denn Lufthansa und Co. möchten nicht nur jeweils mehrere hundert Jets in kürzester Zeit loswerden. Sie wollen den Großteil davon auch wieder zurückholen können. Und das im Ernstfall ziemlich schnell, falls nach dem Ausklingen der Corona-Pandemie die Nachfrage wie erhofft wieder rasch anzieht.

Darum parkt die Lufthansa ihre Maschinen jetzt vermehrt gut erreichbar. Schon jetzt stehen Dutzende Flieger am Berliner-Problemflughafen BER, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen. Der hat Erfahrung, weil hier bereits Autohersteller zum Höhepunkt der Dieselkrise überschüssige Autos abstellten. Ab kommender Woche wird die Lufthansa in Frankfurt eine der Start- und Landebahnen nutzen.

Seit dieser Woche stellt die Lufthansa nicht benötigte Flugzeuge auch am Flughafen Frankfurt ab

Das ist zwar „Deutschlands teuerster Parkplatz“, wie Lufthansa-Chef Spohr intern gescherzt haben soll. Doch die Gebühren sind es aus zwei Gründen wert. Zum einen bleiben die Maschinen betriebsbereit, weil die vielen dort stationierten Techniker der Wartungstochter Lufthansa Technik sie ständig unter Kontrolle haben. Dazu hat das sichtbare Aufstellen auch eine wichtige psychologische Funktion, wie ein Konzerninsider sagt: „Das gespenstische Bild zeigt allen Bediensteten, Bürgern und nicht zuletzt den Politkern hautnah die Notlage – und bringt sie vielleicht dazu etwas dagegen zu tun.“

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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