Wirtschaft von oben #50 – Neuer Flughafen Berlin Das Monster BER ist besiegt

Nach mehr als 30 Jahren Planung voller Pannen darf der neue BER genannte Hauptstadt-Airport nun Ende Oktober eröffnen. Exklusive Satellitenbilder zeigen die Geschichte vom DDR-Landeplatz bis heute, wo der Airport in der Corona-Krise vorübergehend nicht gebraucht wird. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Flughafen BER

Wenn Manager der deutschen Flugbranche irgendwo auf der Welt Kollegen trafen, hatten sie bisher einen einfachen Einstieg in ein lockeres Gespräch: den BER genannten neuen Flughafen von Berlin. Während etwa in der chinesischen Hauptstadt Peking der mehr als dreimal so große neue Daxing-Airport nach nur vier Jahren und einigermaßen im Budget öffnete, sprengte der Berliner Landeplatz reihenweise Negativrekorde.

Das Projekt verschlang mit derzeit bis zu 6,6 Milliarden Euro das Achtfache der geplanten Kosten und kam dabei je nach Rechnung auf bis zu 13 Jahre Verspätung. Darum gab es reichlich Schauergeschichten für ein launiges Gespräch über ein paar der in der Spitze rund 150 000 Baumängel oder die App der Satireseite „Der Postillion“, dank der nun jeder Spieler bei der Planung des Großprojekts scheitern kann.

Künftig werden sich Branchenvertreter ein anderes Thema suchen müssen. Denn seit die Behörden Ende April die Erlaubnis erteilt haben, darf der Pannenairport am 31. Oktober öffnen. Besonders das Hauptproblem, die von Beteiligten als „Monster“ bezeichnete Brandschutztechnik“, scheint gebändigt. Geht alles glatt, werden Berlinreisende dann endlich statt wie bisher in den von der Zeit zernagten Traditionsplätzen Tegel und Schönefeld in einem modernen Terminal den Boden der deutschen Hauptstadt betreten. Exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen die Geschichte vom DDR-Landeplatz bis heute.

Allerdings passt auch das mehr oder weniger gute Ende zur Pannenhistorie. Zum einen öffnet der Flughafen just als er gerade nicht gebraucht wird. Denn angesichts der Coronakrise sind die Passagierzahlen so stark gesunken, dass die alten Airports Tegel und Schönefeld ausgereicht hätten. Und trotz der jahrelangen Verspätung fehlt immer noch Infrastruktur, etwa für die Hubschrauber der Bundesregierung. Und auch die Verkehrsanbindung in die Berliner Innenstadt ist deutlich umständlicher als etwa in Frankfurt.


1989 bis 1999 – Der schwierige Auftakt

Dabei hat das Projekt geradezu vorbildlich angefangen. Bereits im Dezember 1989, einen Monat nach dem Fall der Berliner Mauer, gibt es die ersten Planungen für einen neuen Hauptstadtflughafen als Ersatz für Tegel im Nordwesten von Westberlin und Schönefeld am Südostrand der Hauptstadt der DDR. Für das Projekt bilden die damaligen Staatslinien Lufthansa und Interflug eine Projektgemeinschaft.

Diese wächst 1991 zu einer Arbeitsgemeinschaft mit den – inzwischen in Fusionen aufgegangenen – westdeutschen Industrieikonen Mannesmann und AEG. Sie gründen eine Flughafengesellschaft und legen bereits im April einen „Masterplan I“ vor. Doch leider gibt es quasi als Vorzeichen für die künftige Entwicklung auch gleich die erste Panne. Denn ohne einen Beschluss der beteiligten Länder legt sich das Konsortium auf einen Ausbau von Schönefeld fest. Die Betreiber kaufen eine große Fläche Ackerland zu damals sehr hohen Preisen, die bis heute nicht genutzt wird.

Immerhin folgt dann ein geordneter Schritt: Die Flughafengesellschaft entwirft ein Projekt mit Wachstumsmöglichkeiten auf 60 Millionen Passagiere und mit bis zu vier Startbahnen. Nach einem längeren Hin und Her um die Kostenverteilung zwischen Berlin und Brandenburg, einigen sich Bund und die Länder 1996 auf Schönefeld. Die Kosten sollen bei rund 800 Millionen Euro liegen.

1999 bis 2003 – der schwere Weg zum Baubeginn

Das Planfeststellungsverfahren für Schönefeld startet erst nach drei Jahren. Die ersten Passagiere sollen 2007 starten und landen. 2001 sind bisher nur Vorbereitungsarbeiten zu sehen, da eine Klagewelle der Anwohner die Arbeiten verzögert. 2002 kommt es zur ersten von bislang zehn Verschiebungen für den Eröffnungstermin – um zwei Jahre auf 2009.

Beim Stillstand soll es bleiben. Denn trotz erster Vorbereitungen können sich die Privatinvestoren und die öffentliche Hand nicht endgültig auf den finanziellen Rahmen und besonders die Risikoverteilung einigen. Also scheitert die Privatisierung das zweite Mal. Lediglich Geld bewegt sich. Denn die öffentliche Hand entschädigte das Konsortium und entschließt sich, den Bau selbst zu organisieren.

2005 – die ersten Spuren

Nach weiteren zwei Jahren zeigen sich die ersten Arbeiten an der neuen Südbahn. Sonst hat sich nicht viel getan, außer dass die Planung abgeschlossen ist und die Flughafengesellschaft als Bauherr erste Arbeiten vergeben hat. Immerhin erfolgt nach mehreren Änderungen 2006 der erste Spatenstich für das Terminal – und der Eröffnungstermin wandert in das Jahr 2011.

2007 – spürbare Fortschritte

Am im Jahr 1997 geplanten Eröffnungstermin ist lediglich der Bau der neuen Südbahn sowie der Außenanlagen angelaufen – und der Bau des Terminals genehmigt. Doch beim Hauptgebäude legt die Flughafengesellschaft die Saat für die späteren massiven Verzögerungen. Denn statt den Bau mit einer Bruttogrundfläche von 220 000 Quadratmetern einem Generalunternehmer zu überlassen, übernimmt der Staatsbetrieb selbst die Verantwortung und teilt die Arbeit in sieben Lose. Die geschätzten Baukosten rutschen nun auf mehr als zwei Milliarden Euro.

2009 – endlich voller Baubetrieb

Trotz Finanzkrise ist die lange ruhige Baustelle kaum wiederzuerkennen. Die Erdarbeiten für die Startbahnen, Gebäude und das Vorfeld sind in vollem Gang. Der Flughafenbahnhof unter dem Terminal ist sogar schon fertig. Allerdings erweist sich erneut die Finanzplanung als fehlerhaft. Wegen Zusatzarbeiten und Umplanungen am Terminal mit einem neuen Zwischengeschoss kletterten die erwarteten Baukosten nun auf 2,5 Milliarden Euro.

Denn: Nicht zuletzt der Boom der Billigflieger und das neue Image der Hauptstadt als hippe Metropole für Kulturfreunde und Gründer macht die beiden Airports Tegel und Schönefeld zeitweise zu dem am schnellsten wachsenden Landeplätzen Deutschlands. Also soll der neue BER nun eine Kapazität von 27 Millionen Passagieren pro Jahr bekommen statt wie bisher geplant 22 Millionen. Doch bald treten gerade beim Hauptgebäude erneut Probleme auf. Darum verschiebt der Airport die Eröffnung von 2011 auf Juni 2012.


2011/2012 – Eröffnung unbestimmt verschoben

Um das Richtfest herum wirkt der Flughafen von oben gesehen fast fertig. Die Bahnen sind gebaut, die Abstellflächen für Flugzeuge wirken bereit und die Zufahrten sind im Bau. Im April 2012 verschickt der Flughafen die Einladung für die Eröffnungsparty am 24. Mai mit 40 000 Teilnehmern inklusive Bundeskanzlerin Angel Merkel. Fast alle Läden sind vermietet und die Betreibergesellschaft führt Besucher oder Mediengruppen durch die Abfertigungshallen.

Doch der Eindruck täuscht. Im Inneren des Gebäudes wachsen die Probleme beim Brandschutz. Zentraler Punkt sind die Meldeanlagen und die Entrauchungstechnik. Wegen ihrer besonders anspruchsvollen Technik nennen sie die Arbeiter auf der Baustelle nur „das Monster“. Trotz aller Anstrengungen folgt der Kollaps. Die Eröffnung wird zunächst auf „nach den Sommerferien“, dann ins nächste Jahr und später auf unbestimmte Zeit verschoben. Später entlässt das Unternehmen seine Chefs. Durch die Verzögerung droht der lange hochprofitablen Flughafengesellschaft gar die Insolvenz.

2013 bis 2017 – Arbeit am Innenleben

Unter einer mehrfach wechselnden Führung arbeiten nun Behörden und Techniker fieberhaft daran, die Entrauchungs-Monster zu bändigen. Darum tut sich auf der Außenanlage wenig Sichtbares. 2016 gibt es immerhin die Ausschreibung eines Erweiterungsbaus, weil der Flughafen angesichts des anhaltenden Billigfliegerbooms selbst mit der Kapazität von 27 Millionen Passagieren deutlich zu klein wäre. 2017 folgt der nächste Schock. Nach den Problemen mit der Entrauchungsanlage gibt es Ärger mit den Automatiktüren und der Sprinkleranlage.

2018 – Notparkplatz in der Dieselkrise

Im Rekordsommer 2018, der die sonst so grüne Umgebung in ein trockenes Braun verwandelt, kommt endlich Leben in den Flughafen. Es sind allerdings nicht die erhofften Passagiere, sondern jede Menge Autos. Der VW-konzern mietet rund 8000 Stellplätze in den Parkhäusern und auf drei Flächen rund um die Terminals. Dort parkt er frisch produzierte Dieselfahrzeuge mit manipulierter Technik, die er wegen neuer Abgastestverfahren nicht verkaufen darf. Immerhin wird nun die Entrauchungsanlage abgenommen und der neue Flughafen-Chef Engelbert Lütke Daldrup verkündet den bis heute gültigen Eröffnungstermin im Oktober 2020.

2020 – Bei der Eröffnung erstmal überflüssig

Kurz bevor die endgültige Betriebserlaubnis kommt, bricht das bisher größte Unheil über den Flughafen herein. In der Coronakrise kollabiert der Flugverkehr und für die Anbindung der deutschen Hauptstadt reicht jetzt statt des prächtigen Neubauterminals die spartanische Abfertigungshalle im alten Schönefeld.

Immerhin hat der Verkehrseinbruch auch zwei – wenn auch kleine – gute Seiten. Auf den gewaltigen Freiflächen rund um die Terminals parken nun Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Easyjet ihre Maschinen und zahlen hohe Parkgebühren. Denn wegen der zentralen Lage können sie ihre Maschinen schneller wieder in Betrieb nehmen, wenn nach der heute verkündeten möglichen Grenzöffnung ihre Kunden wieder in die Ferne reisen dürfen. Und fast noch wichtiger: Weil Tegel derzeit bereits mehr oder weniger geschlossen ist, entfällt der aufwändige Umzug der Airlines. Darum wird nach all dem Ärger zumindest der Betrieb am 31. Oktober ohne Probleme anlaufen.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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