Wirtschaft von oben #58 – Grünheide Tesla zieht beim Werkbau allen davon

Erst stieg Tesla zum zweitwertvollsten Autobauer vor den deutschen Konkurrenten auf. Jetzt demonstriert er ihnen, wie ein Autowerk auch hierzulande in Hochgeschwindigkeit entstehen kann. Exklusive Satellitenbilder zeigen, dass sich Elon Musk in Grünheide nicht aufhalten lässt. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Im brandenburgischen Grünheide demonstriert Tesla-Gründer Elon Musk anhand der geplanten Gigafactory wie Hochgeschwindigkeitsmanagement funktioniert.

Das Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide hat gute Chancen, einen festen Platz in der deutschen Manager-Ausbildung einzunehmen. Denn mit der Fabrik demonstriert Tesla-Gründer Elon Musk den deutschen Firmenlenkern eindrucksvoll, wie sein Hochgeschwindigkeitsmanagement funktioniert – und wie wenig es mit den tradierten deutschen Führungsmethoden zu tun hat. Musk plant nicht erst Jahre lang und exekutiert dann minutiös. Er braust los und löst die aufkommenden Probleme während der Fahrt. So macht er es bei der Entwicklung seiner Autos und so macht er es auch bei seinem neusten Werk südöstlich von Berlin.

Vier Jahre vergehen üblicherweise von der Ankündigung eines neuen VW-, BMW- oder Daimler-Werks bis zum Produktionsstart. Musk will das mit seiner ersten europäischen Fabrik in der halben Zeit schaffen. Und dass, obwohl er, verglichen mit den deutschen Autokonzernen, im Fabrikbau unerfahren ist, obwohl ihm dafür nur ein Bruchteil des Planungspersonals zur Verfügung steht und obwohl bei Tesla ständig das Geld knapp ist. Doppelte Geschwindigkeit bei geringeren Kosten – es dürfte sich lohnen, diese Low-Budget-Produktion im Auge zu behalten, denn sie könnte mal ein Blockbuster werden.


Die WirtschaftsWoche schaut von weit oben, mit exklusiven Satellitenaufnahmen von LiveEO aus dem All zu: Ein Bild vom 8. Februar zeigt dort, wo Tesla bauen möchte, noch einen tiefgrünen Nadelwald neben einem Gewerbegebiet. Das Waldstück ist zu diesem Zeitpunkt aber schon dem Tode geweiht. Keine Woche später fallen die ersten Kiefern. Erst drei Monate zuvor hatte Elon Musk angekündigt, mit einem Werk nach Deutschland zu kommen. Der Beginn des Genehmigungsverfahrens liegt nur einen Monat zurück.

Zahlreich waren die Unkenrufe, dass Paragraphenreiter in deutschen Amtsstuben oder klagefreudige Naturschützer die Fabrik um Jahre verzögern könnten. Doch eine Aufnahme vom 14. März beweist: Das erste Teilstück von rund 90 Hektar ist da schon gerodet. Rostrot leuchtet das blanke Erdreich neben dem Gewerbegebiet. Die Naturzerstörung hält sich in Grenzen, denn der Wald war eigentlich eine nur wenige Jahre alte Nutzholz-Plantage. Die sechs Ameisenhaufen und die eine Zauneidechse, die Biologen auf dem Gelände fanden, ließ Tesla in ein anderes Waldstück umsiedeln.

Mit der Rodung traten neue Probleme zu Tage: Der Untergrund ist weicher als von den Tesla-Planern angenommen. Betonsäulen im Boden sind nötig, um Teile der künftigen Fabrik abzustützen. Der Autobauer setzte, beseelt vom Musk’schen Eifer, erst ein paar Säulen und stellte dann selbst fest, dass er dafür keine Genehmigung hat. Nun wartet Tesla auf eine Zulassung für 2000 solcher Pfähle, baut ansonsten aber munter weiter. Die Böden sind planiert, Teile des Fundaments bereits gegossen. Deutlich sind auf einem neusten Satellitenbild vom 22. Juni zahlreiche Straßen und auch einige Fundamente der zukünftigen Gebäude auf dem Fabrikgelände zu erkennen.

Während in Grünheide also munter gebaut wird, feilten Musks Leute am kalifornischen Hauptsitz am Fabrik-Design. Zwei Tage nachdem das neuste Satellitenbild der WirtschaftsWoche aufgenommen wurde, stellte die Tesla Manufacturing Brandenburg SE ein Dokument mit rund 4000 Seiten fertig: Es ist eine überarbeitete Fassung des Bauantrags mit etlichen Umplanungen.

Trotz Änderungen bleibt es dabei, dass ab Sommer 2021 eine halbe Million Exemplare des Geländewagens „Model Y“ in Brandenburg vom Band rollen sollen. Zu Beginn sollen 6500 Menschen in der Fabrik arbeiten, später doppelt so viele. Anders als ursprünglich geplant, sollen die Batterieeinheiten nicht mehr in der Fabrik aus einzelnen Zellen zusammengebaut, sondern komplett zugeliefert werden. Auch die Vor-Ort-Fertigung von Kunststoffteilen entfällt. Dafür bekommt das Werk aber eine eigene Teststrecke für die Endkontrolle der Fahrzeuge. Nur was dort nicht klappert oder wackelt, wird an die Kunden ausgeliefert. Nicht zuletzt durch die Teststrecke steigt der Platzbedarf: Von dem 300 Hektar großen Tesla-Gelände sollen insgesamt 190 Hektar gerodet werden. 90 Hektar sind bereits erschlossen, 100 Hektar stehen folglich noch aus. Aber auch das dürfte den Autobauer – wie bereits bewiesen – nicht lange aufhalten.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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