Wirtschaft von oben #73 – Europapark, Disneyland Paris & Co. Freizeitparks kämpfen um jeden einzelnen Besucher

Freizeitparks leiden unter der Pandemie. Vielerorts blieben die Besucher aus, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. Während Disney rund 28.000 Mitarbeiter entlässt, versuchen andere mit speziellen Konzepten Besucher zu locken. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Normalerweise ist Disneyland Paris der meistbesuchte Freizeitpark Europas. Doch die Coronapandemie stellt die Betreiber vor Herausforderungen, wochenlang kamen keine Besucher.

Der Europapark: Platz 1 der meistbesuchten Freizeitparks in Deutschland, Platz 2 in Europa und unter den Top 20 der ganzen Welt. Bis zu 70.000 Besucher können an einem Tag Achterbahn fahren, sich in der Wildwasserbahn nass spritzen oder in der Geisterbahn erschrecken lassen. Normalerweise. Denn die Coronapandemie hat die Freizeitparkbetreiber hart getroffen. „Im Moment ist es ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt der Europapark-Chef Roland Mack jüngst im Podcast mit dem Wiwo-Chefredakteur Beat Balzli.

Das zeigen auch exklusive Satellitenbilder von LiveEO. Während des Lockdowns ist der Parkplatz des Europaparks wie leergefegt. Doch mittlerweile können die Betreiber Besucher wieder in den Park lassen, der Parkplatz füllt sich entsprechend – allerdings nur zum Teil. „Durch die Coronapandemie sind wir gezwungen, nur noch 15.000 Besuchern den Zugang zu gewähren. In Ferienzeiten entspricht das ungefähr einem Drittel“, sagt ein Sprecher des Europaparks. Selbst diese Anzahl erreicht der Freizeitpark nur selten. Etwa 10.000 Gäste kommen täglich. Ganz ähnlich sieht es bei Vergnügungsparks überall auf der Welt aus.

„Parks mit einer generell hohen Anzahl an Besuchern aus dem Ausland sind von pandemiebedingten Grenzschließungen natürlich besonders stark betroffen“, erklärt der Freizeitparkforscher von der Universität Duisburg-Essen, Florian Freitag. Die Hälfte der Besucher des Europaparks kommen aus dem Ausland – darunter jeweils 22 Prozent aus Frankreich und der Schweiz, bestätigt der Europapark-Sprecher. Da es erst Mitte Juli wieder möglich war, über europäische Grenzen hinweg zu reisen, der Park aber bereits im Mai wieder öffnete, blieben so sonst zahlungswillige Besucher aus. Und nun zählen Frankreich und auch Teile der Schweiz wieder zu den Risikogebieten. Das macht sich im Umsatz bemerkbar: Die Krise sorgt nach Angaben des Sprechers für Einbußen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro.

Dass die Corona-Fallzahlen in Frankreich wieder steigen, dämpft auch den Besucherandrang im Disneyland Paris. Einen Parkplatz finden die Freizeitparkfans jedenfalls leicht, wie die Satellitenbilder zeigen. Normalerweise zählte Europas erfolgreichster Vergnügungspark durchschnittlich 15 Millionen Gäste pro Jahr. Auf einer Fläche von 2.100 Hektar habe der Park jedoch durch Corona nun eine wesentlich geringere Kapazität, weiß der Experte Florian Freitag.

Noch stärker setzt die Corona-Krise dem Unterhaltungsimperium Walt Disney in Kalifornien zu. Die Tore des dortigen Disneyland Resorts müssen weiterhin geschlossen bleiben, da die Corona-Auflagen es bisher verhindern. Gerade weil viele Freizeitparks derzeit kaum Umsätze generieren, hat der US-Unterhaltungskonzern nun eine folgenschwere Entscheidung getroffen: 28.000 Mitarbeiter müssen gehen. Vor der Krise hatte Disney noch mehr als 100.000 Beschäftigte. Bei etwa 67 Prozent der Betroffenen handele es sich aber um Teilzeitkräfte, so der Spartenchef Josh D‘Amaro. Disney kläre derzeit die Konditionen mit Beschäftigten und Gewerkschaften.

Der Einschnitt der Pandemie ist tief. Allein in den Monaten April, Mai und Juni summierten sich die Verluste auf 4,7 Milliarden Dollar, wie der Konzern im August mitgeteilt hatte. Das Geschäft mit Vergnügungsparks, Ferienresorts und Kreuzfahrten litt unter einem besonders starken Abwärtssog. Der Umsatz fiel hier um 85 Prozent. Damit machte der Konzern knapp zwei Milliarden Dollar Verlust. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch 1,7 Milliarden Dollar Gewinn.

Genau wie das Geschäftsmodell von Disney basiert auch das des Europaparks neben dem Umsatz durch den Park auch auf Veranstaltungen und den Hotels, so der Europapark-Sprecher. Immerhin Letztere seien aber beim deutschen Freizeitparkbetreiber auch während der Krise gut besucht – und während der Hochsaison im August sogar ausgebucht gewesen. „Parks mit guten Hotels profitieren von stornierten Urlaubsreisen im Ausland“, sagt Torsten Widmann, Leiter des Studiengangs Freizeitwirtschaft an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Sie würden für viele Touristen eine Alternative darstellen. Bei den Veranstaltungen läuft es weit weniger gut, der Umsatzverlust beträgt fast 100 Prozent. Zwar seien für das Wintergeschäft die ersten Veranstaltungen wieder geplant, doch ob der Europapark diese auch umsetzen könnte, sei genauso ungewiss wie der Verlauf der Krise, so der Sprecher.

Neue Geschäftsmodelle

Um die Verluste durch die Coronapandemie ein wenig aufzuwiegen, haben sich viele Freizeitparks neue Ideen für ihr Geschäft überlegt: So präsentiert sich unter anderem der Europapark mit seinen unterschiedlichen europäischen Ländern gewidmeten Themenbereichen als Ersatzreiseziel für Auslandsreisen. „Wo die Götter Urlaub machen“, heißt es in der Werbung für den Themenbereich Griechenland im Resort. „Die Darstellung ist natürlich stark idealisiert“, sagt Freitag. Schon immer seien Freizeitparks für eine Reise in eine Welt ohne Sorgen bekannt gewesen.

Doch Corona bedeutet eben auch: Masken, Abstand halten, regelmäßiges Desinfizieren – so sorglos ist der Parkaufenthalt nicht mehr. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 habe man Sicherheitskontrollen bewusst vor den eigentlichen Parkeingängen platziert, sagt der Freizeitparkforscher. Aber das Virus mache vor den Drehkreuzen nicht Halt.

„Ich fühlte mich im Europapark sicher“, sagt Stefan Andter, Freizeitpark-Blogger, der allein in diesem Jahr bereits acht Mal den Park besuchte. Für ihn sind Freizeitparks besonders in dieser Zeit ein guter Weg, sich vom Alltag abzulenken. Die Maske hatte er schnell vergessen, sogar bei der Achterbahnfahrt. Allerdings macht sich die Krise in seinem Geldbeutel bemerkbar, denn momentan muss er bei seinen an fast jedem Wochenende stattfindenden Parkbesuchen Einzeltickets kaufen. Die für ihn sonst billigeren Jahreskarten wurden von vielen Parks noch nicht verlängert.

Die Tageskarten können Besucher aufgrund der Hygienemaßnahmen nur noch online buchen. So begrenzen die Betreiber die Zahl der Besucher und vermeiden Menschenansammlungen vor den Kassen. Seit Corona würden die Parks zudem die Adrenalinjunkies stärker auf vorbestimmte Routen lenken, so der Freizeitparkforscher Freitag. Parks seien aber mit dem Thema vertraut, da sie bereits beim Bau darauf geachtet hätten, die Hauptattraktionen strategisch zu verteilen – und damit auch die Besucher. Die Digitalisierung hilft dabei: So bietet zum Beispiel der Europapark seinen Besuchern eine App, auf der sie sich für die Fahrgeschäfte anmelden können und dann eine Zeit zugewiesen bekommen, statt in der Warteschlange stehen zu müssen. Ein Vorteil mit und ohne Corona.

Die Idee hierfür stammt allerdings aus den USA – genauer gesagt aus dem Disney World Resort in Florida. Der Park hat bereits vor etwa 20 Jahren die virtuelle Warteschlange eingeführt. Nun ziehen immer mehr Parks nach.

Disney World ist mit einer Fläche von 15.000 Hektar mit Abstand der weltweit größte Freizeitpark. Zum Vergleich: Er ist mehr als sieben Mal so groß wie der zweitgrößte Park Disneyland Paris. Allein im vergangenen Jahr haben 59 Millionen Menschen Disney World besucht. In diesem Jahr erreicht der Vergnügungspark die Marke längst nicht, wie das Sattelitenbild auch schon andeutet. Der Hauptgrund: Von Ende März bis Mitte Juli waren die Türen zu. Doch auch nach der Wiedereröffnung haben die Betreiber vor Corona-Risiken gewarnt: „Bei einem Besuch des Walt Disney World Resorts geht der Besucher freiwillig ein erhöhtes Infektionsrisiko ein“, heißt es auf der Website. Internationale Reisebeschränkungen bestehen nach wie vor. Außerdem hat Disney seine beliebten Halloween-Veranstaltungen abgesagt. Ein Schritt, der wehtut – und weiterhin für viele leere Parkplätze sorgen wird.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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