Wirtschaft von oben #74 – Batteriezellfabriken Teslas Gigafactory in Grünheide bekommt Konkurrenz

Tesla zieht nahe Berlin eine eigene Batteriezellproduktion hoch. Eigentlich dominiert Asien das Geschäft. Zur Freude von VW & Co entstehen aber auch in Deutschland neue Fabriken, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Die deutschen Autobauer wollen ein europäisches Gegengewicht zur asiatischen Batteriezell-Dominanz aufbauen. Die neue Fabrik des Batterieherstellers Northvolt ist da nur ein Ansatzpunkt.

Die deutsche Autoindustrie leidet unter der weltweiten Knappheit von Batteriezellen für Elektroautos. Von den Stromspeichern hängt ab, wie viele E-Autos sie überhaupt verkaufen können – und wie viel sie damit verdienen. Denn die Batterie ist das teuerste Teil eines E-Autos. Hat der Hersteller sie zu schlechten Konditionen eingekauft, verliert er mit jedem verkauften Auto Geld. Tesla hat das früh erkannt und baut deshalb einen großen Teil seiner Akkus selbst. Die deutschen Hersteller ziehen nun langsam nach, wie exklusive Satellitenaufnahmen von LiveEO zeigen.

Kaum bemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren Contemporary Amperex Technology (CATL) aus China zum größten Batteriezellhersteller der Welt aufgeschwungen. Mit fast jedem Autobauer der Welt ist die Firma derzeit im Gespräch über größere Batteriezelllieferungen. Wohl zum Glück der deutschen Autoindustrie hat das Unternehmen Ende 2018 die Eröffnung einer Fabrik für Elektroauto-Batteriezellen in Erfurt angekündigt.

CATL, Arnstadt

Seit Oktober 2019 wird dort gebaut, auf dem Foto aus dem Frühjahr ist bereits zu sehen, wie das Fundament entsteht. Mitte 2022 soll die Produktion von Batteriezellen beginnen. Zu Beginn war ein Produktionsstart für Anfang 2022 angekündigt worden – durch Corona kam es offenbar zu Verzögerungen um einige Monate. Teilweise residiert CATL heute in umgebauten Räumen, die – Ironie der Geschichte – vom insolventen Photovoltaik-Hersteller Solarworld übernommen worden waren.

CATL will in den kommenden fünf Jahren bis zu 1,8 Milliarden Euro in Erfurt investieren und hat mit BMW bereits einen großen Abnehmer und Entwicklungspartner gefunden. BMW will den Erfurtern Akkus im Wert von 1,5 Milliarden Euro abnehmen. Bis zu 2000 Mitarbeiter könnten in der Fabrik beschäftigt werden. Neben der Zellfertigung werden sie auch in Forschung und Entwicklung sowie Qualitätskontrolle einer Recyclinganlage für Akkus arbeiten. Auch mit Daimler hat CATL eine Partnerschaft vereinbart. So soll etwa die elektrische Limousine Mercedes-Benz EQS mit CATL-Zellen ausgestattet werden und eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern haben. Auch wollen die Unternehmen gemeinsam an Lithium-Ionen-Zellen forschen.

Daimler habe, anders als etwa VW oder BMW, bereits eine eigene Batteriefabrik in Deutschland, so heißt es oft. Tatsächlich beziehen die Schwaben ihre Batterien von der Daimler-Tochter Accumotive am Standort Kamenz in Sachsen. Dort werden aber nicht die eigentlichen Technologieträger, die Batteriezellen, gefertigt. Accumotive macht, was BMW oder VW auch tun: Das Unternehmen baut asiatische Batteriezellen zu kompletten Autobatterien zusammen. Auch darin steckt wichtiges Know-how, denn die Verbindung hunderter einzelner Zellen pro Auto ist nicht banal und kann über Leistungsfähigkeit und Sicherheit der E-Fahrzeuge entscheiden.

Dennoch: Eine Montage von Batteriezellen ist keine Batteriezellfabrik, wie sie etwa chinesische oder koreanische Marktführer oder auch das US-Unternehmen Tesla betreiben. Immerhin hat Daimler das Werk Kamenz zuletzt ausgebaut und will bald ein jährliches Produktionsvolumen von mehr als einer halben Million Lithium-Ionen-Batterien erreichen. Das dortige zweite Werk wurde ab 2016 gebaut und ist mittlerweile fertiggestellt, wie die Bilder zeigen.

Accumotive stellt schon seit 2012 Batterien für E-Fahrzeuge von Mercedes sowie der Daimler-Tochter Smart her. In den kommenden Jahren will Daimler eine weltweite Batterieproduktion mit sieben Standorten in Europa, Nordamerika und Asien aufbauen. Nach Kamenz, Bangkok und Peking soll die Batterieproduktion bald auch in Polen, in Stuttgart und den USA anlaufen.

Auch in Kamenz fällt die chinesische Dominanz beim Thema Batteriezellen auf. Etliche chinesische Mitarbeiter unterstützen Daimler dort bei der Batteriemontage mit ihrem Know-how. Unlängst waren sie laut örtlicher Polizei unangenehm aufgefallen, weil sie in Accumotive-Arbeitskleidung durch die Stadt fuhren und dabei die Verkehrsregeln nicht einhielten. Die örtliche Jugendverkehrsschule klärte die Chinesen daraufhin über deutsche Verkehrsvorschriften auf.

Das US-Unternehmen Microvast feierte unlängst im brandenburgischen Ludwigsfelde Richtfest. Wo im Frühjahr noch nur Baustelle zu sehen war, ist mittlerweile eine weiße Fabrikhalle entstanden. Das Unternehmen will dort spezielle Batteriesysteme für Transporter und Lkw sowie für Sport- oder Geländewagen herstellen. Im Dezember soll die Fabrik fertiggestellt sein. Es könnten bis zu 250 Arbeitsplätze entstehen. Außerdem will Microvast seine Europazentrale von Frankfurt am Main in die Stadt südlich von Berlin verlegen.

Microvast, Ludwigsfelde

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht sein Bundesland schon als Hotspot der Elektromobilität: „Microvast steht in einer Reihe mit Ansiedlungen wie der Tesla-Gigafabrik in Grünheide, der Herstellung von Batteriekomponenten bei BASF in Schwarzheide oder dem Aufbau eines europäischen Testzentrums für autonomes Fahren bei der Dekra am Lausitzring.“

Microvast ist ein Spezialanbieter in dem Segment, baut schnellladefähige Batteriezellen vor allem für Nutzfahrzeuge. Die Ladezeit der Akkus soll um die 15 Minuten betragen. Nach dem geplanten Produktionsstart Anfang 2021 sollen jährlich Batteriemodule mit einer Volumenleistung von bis zu 1,5 Gigawattstunden (für bis zu 75.000 Fahrzeuge) produziert werden.

Den deutschen Autoherstellern geht es weniger um ein deutsches als vielmehr ein europäisches Gegengewicht zur asiatischen Batteriezell-Dominanz. In Europa muss es Produktionskapazitäten und eigenes Know-how geben, so die Sicht von VW & Co, wenn es keine vollständige Abhängigkeit von China, Südkorea und Japan geben soll.

Der junge schwedische Batteriehersteller Northvolt kommt den Deutschen dabei gerade recht. Volkswagen und BMW haben mit Northvolt bereits eine Kooperation vereinbart. Über mangelndes Interesse kann sich das Unternehmen wahrlich nicht beklagen. Für den massiven Ausbau der Produktion hat sich das Unternehmen insgesamt drei Milliarden Euro von Investoren gesichert.

Damit kann Northvolt neben der Stammfabrik im nordschwedischen Skellefteå, die auf den Bildern zu sehen ist und wo die Produktion 2021 beginnen soll, auch eine Großfabrik in Salzgitter nahe des VW-Konzernsitzes Wolfsburg errichten. Dort soll die Produktion erst 2024 losgehen. Ebenfalls von 2024 an soll Northvolt Batteriezellen im Wert von zwei Milliarden Euro an BMW liefern. Northvolt wurde 2016 gegründet – von zwei ehemaligen Tesla-Managern.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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