Wirtschaft von oben #77 – BER Wie neben dem DDR-Flughafen Schönefeld ein Wirtschaftswunder wächst

Der Flughafen Schönefeld fungiert künftig als Terminal 5 des neuen BER. Wie exklusive Satellitenbilder zeigen, ist neben dem alten Airport längst eine florierende Gemeinde entstanden: mit wachsender Bevölkerung und hohen Steuereinnahmen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Berlin Schönefeld

Es gibt Orte, anhand derer sich die neuere deutsche Geschichte wunderbar erzählen lässt. Der Flughafen Berlin-Schönefeld gehört dazu. Das fängt schon beim Namen an. Denn so geläufig der Zusatz „Berlin“ sein mag, so irreführend ist er. Schönefeld liegt außerhalb Berlins, einige Kilometer südlich der Metropole, in Brandenburg. Zu DDR-Zeiten diente der Flughafen dem sozialistischen Teil Deutschlands als Zentralflughafen. Und weil er eben nicht auf Berliner Stadtgebiet lag, durften ihn – anders als in Tegel und Tempelhof in Westberlin – auch nicht-alliierte Fluggesellschaften anfliegen.

Mit der Wiedervereinigung und dem Ende der DDR-Fluggesellschaft Interflug sanken die Passagierzahlen in Schönefeld. Erst in den 2000ern entdeckten ihn die Billigflieger wieder. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Zukunft des Flughafens längst entschieden. Der alte Airport wird zum „Terminal 5“ des neuen Hauptstadtflughafens BER, die alte Südlandebahn zur neuen Nordlandebahn.

Denn südlich des alten Geländes begannen Berlin, Brandenburg und der Bund 2006 mit den Bauarbeiten für jenes Großprojekt, das in den folgenden Jahren zum prominentesten Beispiel von Politik- und Verwaltungsversagen werden sollte – und dessen Fertigstellung nun, Ende Oktober 2020, mit acht Jahren Verspätung endlich „gefeiert“ werden kann.

Auch im Norden von SXF, wie Schönefeld im internationalen Flugverkehr abgekürzt wurde, hat sich eine Menge getan, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO zeigen: Dort ist die Gemeinde auf mehr als 17.000 Einwohner angewachsen. Immer mehr Firmen haben sich niedergelassen, die Zahl der Arbeitsplätze wächst. Eine echte Erfolgsgeschichte im Schatten des Pannenprojekts.

2005 war davon noch nicht viel zu sehen. Im Westen des Flughafens, wo die Bahnstrecke den alten Dorfkern trennt, lassen sich keine größeren Baustellen erkennen. Relativ neu ist damals die Grundschule, die 2000 eröffnet wurde und deren Sportplatz damals den nördlichen Abschluss der Gemeinde bildet. Südlich des Schulgebäudes, direkt gegenüber, hat der langjährige Bürgermeister Udo Haase ein neues Rathaus auf den Acker gesetzt. Auf dem Foto ist es rot eingekreist. „Ich weiß noch, wie Neukölln sich halbtot gelacht hat über den Haase, der auf dem Acker ein Rathaus baut, so ganz alleine als Solitär“, erinnerte der sich kürzlich im Deutschlandfunk. „Und alle haben gesagt: Der ist verrückt.“

Dass Haase wirtschaftspolitisch für seine kleine Kommune viel erreichen wird, deutete sich im Südwesten des Rathauses damals bereits an. Ebenfalls mitten auf dem Acker steht bereits ein Briefzentrum der Deutschen Post. Fünf Jahre später hat daneben das Logistikunternehmen Dachser einen großen Standort hochgezogen. Nördlich davon haben die Arbeiten für den Ausbau des Gewerbegebiets begonnen. Und im Osten ist die zum BER führende Autobahn fertig. Für diese musste die Nordbahn des alten Flughafens weichen.

Wiederum fünf Jahre später haben Post und Dachser neue Nachbarn bekommen, unter anderem ein Pharma-Logistikzentrum und die Lagerhalle einer Möbelhauskette. Auch die Straße um die nördlich gelegene, noch freistehende Gewerbefläche ist inzwischen ausgebaut. Bürgermeister Haas lockte die Firmen mit niedrigen Gewerbesteuersätzen. So wurde Schönefeld unter seiner Führung immer attraktiver, leistete sich nicht nur ein neues Rathaus und mehrere Schulen, sondern auch ein Schwimmbad, eine neue Feuerwehr und laut „BZ Berlin“ die größte Kita Brandenburgs mit 524 Plätzen.

Auch Tausende neue Wohnungen wurden gebaut. Rund um den Sportplatz der Grundschule sind im Foto von 2015 die Bauarbeiten bereits gut zu erkennen. Nochmal fünf Jahre später, so zeigt es die Aufnahme, sind noch längst nicht alle Wohnhäuser fertig. Hinzu kommen weitere Baustellen direkt neben der Bahnstrecke. Auch im südwestlich gelegenen Gewerbegebiet haben sich weitere Firmen mit ihren Logistikzentren niedergelassen.

Udo Haase, der fast 30 Jahre lang parteiloser Bürgermeister von Schönefeld war, ist seit 2019 im Ruhestand. Die Eröffnung des BER erlebt er nicht mehr in Amt und Würden. Sein eigenes kleines Großprojekt wächst jedoch weiter und weiter.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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