Es ist eine der unwirtlichsten Regionen der Welt: Die Halbinsel Yamal in Westsibirien, eine 700 Kilometer lange Landzunge an der Mündung des Flusses Ob in die Karasee. Im Winter ist es dort im Schnitt minus 25 Grad Celsius kalt. Ab Mitte November geht die Sonne nicht mehr auf. Sie lässt sich erst Ende Januar wieder blicken. Nur die Nenet, ein Volk von Rentierhirten, haben es bisher geschafft, hier zu überleben.
Doch binnen weniger Jahre ist dieser Ort der Extreme, 600 Kilometer nördlich des Polarkreises, zum wichtigsten Energiestandort Russlands geworden. Mitten im Nirgendwo, an einem Ort namens Sabetta, hat der russische Gaskonzern Novatek in den vergangenen Jahren eine Gasanlage der Superlative errichtet: Yamal LNG.
Sie ist eine der nördlichsten Industrieanlagen der Welt, mit 27 Milliarden Dollar Baukosten eine der teuersten Russlands – und eine der weltweit größten Produktionsstätten für sogenanntes Flüssigerdgas, kurz LNG. 16,5 Millionen Tonnen Gas werden seit Ende 2017 hier pro Jahr verflüssigt.
Russlands Plan
LNG ist das neue Zauberwort der Gasindustrie. Denn mit der Technologie lässt sich Gas wirtschaftlich per Schiff statt per Pipeline transportieren. Dazu wird es auf minus 161 Grad Celsius heruntergekühlt, wobei es sich verflüssigt und um das 600-fache verdichtet. Derart komprimiert lässt sich das Flüssigerdgas um den ganzen Globus verschiffen.
So ist in den vergangenen Jahren ein Weltmarkt für Gas entstanden. Bislang ist Russland nur der sechstgrößte Anbieter von LNG – nach Katar, Australien, Malaysia, den USA und Nigeria. Doch die weltweit größten Gasreserven liegen in Russland, ein Großteil davon auf der Yamal-Halbinsel. Mehrere Gasfelder sind dort schon erschlossen, bis weit über einen Kilometer tief unter dem gefrorenen Tundra-Boden.
Per Pipeline wird das Gas momentan nach Europa geleitet, mithilfe der Yamal-LNG-Anlage soll es schon bald überall hin verschifft werden. Bis 2035 will Russland seinen Anteil am weltweiten LNG-Markt von 4 auf 20 Prozent erhöhen.
Der Bau von Yamal LNG
Der Bau von Yamal LNG, der 2012 begann, war eine logistische Herausforderung. Auf dem Landweg ist Sabetta mit Trucks nicht zu erreichen. Darum bauten Ingenieure zunächst einen Hafen.
Von Ende Juni bis Mitte Oktober war das Eis in der Bucht so weit geschmolzen, dass Frachtschiffe Baumaterial anliefern konnten. Vom Hafen Zeebrugge in Belgien aus wurden 150 vorgefertigte Teile für die LNG-Anlage herantransportiert, die zwischen 200 und 8000 Tonnen wogen. Daneben wurden mehr als fünf Millionen Tonnen Sand, Kies und Zement angeliefert.
Ab März 2015 landeten regelmäßig Flugzeuge aus Moskau am eigens gebauten Flughafen, mit denen Personal und Besucher anreisten. Im Sommer 2017 waren 33.000 Arbeiter auf der Baustelle beschäftigt. Wo fünf Jahre vorher kein Mensch lebte, war eine Kleinstadt entstanden mit einem Kraftwerk, Häusern, Bussen und traditionellen russischen Banyas, also Saunas.
Doch Sabetta ist nur der Anfang. In den nächsten Jahren sollen in Yamal zwei weitere riesige Verflüssigungsanlagen entstehen – Yamal LNG-2 und Ob-LNG. Der Bau von LNG-2 wird am anderen Ufer des Flusses schon vorbereitet, Eisbrecher haben erstes Gerät und Material geliefert.
Bis 2023 soll dort eine Anlage entstehen, die noch mehr Gas verflüssigen kann als LNG-1. Siemens liefert dafür Gasturbinen und Kompressoren. Gebaut wird auch ein weiterer Hafen, der 21,6 Millionen Tonnen Gas pro Jahr abwickeln kann. Baukosten für LNG-2: 21 Milliarden Dollar.