Wirtschaft von oben #83 – Discounter-Zentralen Hier arbeiten bald die Chefs von Aldi Nord und Lidl

Erst brachten sie ihre Filialen auf Vordermann, jetzt sind die Hauptquartiere dran. Exklusive Satellitenbilder zeigen die spektakulären Bürobauten von Aldi und Lidl. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Aldi-Nord-Zentrale

Um die unternehmerischen Grundsätze von Theo Albrecht zu verstehen, genügte im Grunde ein Blick in sein Büro. Ein altes Siemens-Tastentelefon stand dort auf dem Sechzigerjahre-Schreibtisch. Der Blick aus dem Fenster fiel auf eine triste Lagerhalle neben der Aldi-Nord-Zentrale in Essen-Kray. Einzig eine Sammlung alter Schreibmaschinen in Vitrinen schmückte den Raum, den der Multimilliardär bis ins hohe Alter fast täglich aufsuchte.

Keine Frage, Theo Albrecht, der 2010 verstorbene Milliardär und Herr über Aldi Nord, lebte den Discount. Entsprechend frugal ging es in den Filialen und in der Zentrale des Discountimperiums zu. Der Preis der Sparsamkeit war allerdings hoch: Über die Zeit wurden wichtige Modernisierungen verschleppt. Erst seit ein paar Jahren ändert sich das. Die Filialen wurden inzwischen neu gestaltet.

Und wie der Wettbewerber Lidl leistet sich auch Aldi Nord eine neue Zentrale. Die Entwicklung zeigen exklusive Satellitenbilder von LiveEO. Aldi Nord baut auf dem Gelände eines ehemaligen Logistikzentrums in Essen-Kray. Auf Satellitenaufnahmen von 2016 ist noch das silbrige Dach der alten Halle zu erkennen. Lkws docken an der Außenseite an. 2017 ist die Logistikhalle dann einer Baubrache gewichen. Seither geht es Schlag auf Schlag.

Im Frühjahr 2022 soll der Neubau bezugsbereit sein, sagt eine Unternehmenssprecherin. Größer und schöner als der bisherige Verwaltungstrakt soll die neue Zentrale werden, mit begrünten Dächern und terrassenförmig angelegten Gebäudeteilen, die aus der Luft an das Aldi-‚A‘ erinnern. Auf der aktuellen Satellitenaufnahme lässt sich das Logo bereits erahnen, schließlich ist der Rohbau inzwischen abgeschlossen.

Insgesamt seien rund 50 Prozent des Campus fertiggestellt, heißt es aus Essen. So wurde im Herbst bereits ein 174 Quadratmeter großes und 1,7 Tonnen schweres Glasdach über der Plaza, dem Herzstück des Gebäudekomplexes, eingesetzt. Die Plaza soll künftig nicht nur alle Büroeinheiten verbinden und Raum für Mitarbeiterveranstaltungen bieten, sondern auch eine Schnittstelle auf dem Weg zu Kantine, Bistro und zu den Co-Working-Flächen darstellen. Bei insgesamt 1.200 festen Arbeitsplätzen wird es nur 50 Einzelbüros geben. Perspektivisch soll das Gebäude auf bis zu 2.000 Arbeitsplätze erweiterbar sein.

Der Platz wird gebraucht: Von Essen aus steuert das Management nicht nur die deutschen Regionalgesellschaften, sondern koordiniert auch das wachsende Auslandsgeschäft mit Filialen in Belgien, Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden, Polen, Portugal, Spanien und Frankreich. In Frankreich hat Aldi Nord jüngst die größte Übernahme der Unternehmensgeschichte besiegelt. 547 Filialen und drei Zentrallager des Konkurrenten Groupe Casino werden künftig zu Aldi Nord gehören.

Neben den eigentlichen Büroflächen wird das Aldi-Areal an der A40 auch über Außenarbeitsbereiche, einen eigenen Hörsaal, ein Fitnessstudio sowie eine Kita verfügen. Bei aller Baufreude bleibe der „Fokus stets auf Einfachheit und das Wesentliche gerichtet“, sagt eine Sprecherin. Um daran zu erinnern, soll auch das alte Büro von Theo Albrecht in den Neubau integriert werden.

Im Vergleich zu Essen-Kray wirkt die Kurstadt Bad Wimpfen regelrecht beschaulich. Ein paar Cafés, Touristenshops und kleinere Geschäfte zieren den historischen Kern der 7000-Einwohner-Stadt nahe Heilbronn. Doch in den nächsten Monaten wird es hier geschäftiger zugehen. Der Discounter Lidl steht kurz vor der Eröffnung seiner neuen Deutschlandzentrale am Stadtrand von Bad Wimpfen.

Wann genau das terrassenförmige Gebäudeensemble für rund 1500 Mitarbeiter in Betrieb geht, ist noch offen. Ursprünglich wurde der Umzug von Lidl Deutschland nach Bad Wimpfen für Ende dieses Jahres angepeilt. Doch nun wird es wohl auf das erste Quartal 2021 hinauslaufen.

Auf den Satellitenbildern sind die Baufortschritte der vergangenen Jahre indes deutlich zu sehen. Kurz nachdem im Mai 2017 die Arbeiten auf dem vier Hektar großen Gelände begannen, ist dort bereits die Baugrube zu erkennen. Nach und nach nimmt der Bau Form an: 2018 wird das Fundament sichtbar. Zum Richtfest 2019 lassen sich fünf große Einzelgebäude ausmachen, die auf dem Satellitenbild von 2020 noch braun und leblos wirken.

Doch das dürfte sich im kommenden Frühjahr ändern. Die Dachflächen der maximal 22 Meter hohen Gebäude werden begrünt, in den Innenhöfen Bäume gepflanzt. Die Bürogebäude sind über einen unterirdischen Boulevard miteinander verbunden. Dort sind zudem Restaurants, Konferenz- und Schulungsräume untergebracht. Vom Bahnhof Bad Wimpfen soll künftig ein autonomer Shuttleverkehr eingerichtet werden, mit Bussen, die ohne Fahrer völlig automatisch ihren Weg zur Lidl-Deutschlandzentrale finden.

Hier, so die Botschaft, plant kein Provinzkrämer ein Allerweltsbürohaus, sondern eine Handelsmacht seine architektonische Zukunft. Tatsächlich ist Lidl in den vergangenen Jahrzehnten noch stärker gewachsen als Aldi und betreibt inzwischen 10.000 Filialen in Europa und den USA, davon 3.200 in ganz Deutschland. Um Letztere kümmern sich bisher die Lidl-Mitarbeiter in Neckarsulm. Aufgrund des zunehmenden Platzmangels im dortigen Hauptgebäude mussten zuletzt aber immer häufiger einzelne Abteilungen räumlich ausgelagert werden und arbeiten inzwischen an zehn verschiedenen Einzelstandorten in Neckarsulm und Heilbronn. Mit der Eröffnung der Büros in Bad Wimpfen soll sich das nun ändern.

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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