In der Bucht vor dem Hafen von Los Angeles treiben die Schiffe ziellos herum. Ihr Ziel liegt so dicht vor ihnen, es ist in Sichtweite. Ihre Fracht wird heiß ersehnt von Unternehmen und Konsumenten an Land. Aber einfahren können sie trotzdem nicht. Der Hafen von LA ist überlastet, alle Anlegeplätze besetzt, alle Containerbrücken in Betrieb. Und so bleibt ihnen nur die Aussicht auf den Hafen.
Exklusive Satellitenbilder von LiveEO vom Hafen in Los Angeles zeigen, wie sehr die Coronakrise die internationale Schifffahrt ins Chaos gestürzt hat. Als die Pandemie im Frühjahr die USA und Europa erreichte, fürchtete man hier noch, dass die Wirtschaft abstürzen, die Schiffe fernbleiben und die Arbeit an den Häfen wegfallen würde.
Die Ironie: Nun ist das Gegenteil eingetreten. Schiffe sind auf Wochen und Monate ausgebucht. Die Häfen müssen auf Hochtouren rotieren, um all die Waren von der See ins Land zu schaffen. Selbst Container – die Blechkisten, in denen seit Jahrzehnten der Welthandel stattfindet – sind plötzlich knapp.
Das sorgt für Lieferverzögerungen, nicht nur im Hafen von Los Angeles. Weltweit ächzen Häfen unter dem unvorhergesehenen Ansturm: Nach Daten des Branchenanalysedienstes Drewry ist der globale Hafenumschlag seit Februar um 20 Prozent gestiegen. Die Container stauen sich bereits an den Kaimauern, weil auch die Autobahnen und Zugstrecken von den Häfen hinein ins Land verstopft sind. In dem Chaos steigen auch die Preise, sagt Michael Wax, einer der Gründer der Onlinespedition Forto. „Die Frachtraten zwischen Asien und Europa haben sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verfünffacht.“ Ein Container von Asien nach Europa kostet nach Daten von Drewry bereits über 3400 Dollar.
Die wichtigste Ursache für die Engpässe liegt tausende Seemeilen entfernt in China. Im Februar noch türmten sich die Container in chinesischen Häfen, weil die Regierung nach dem Ausbruch des Coronavirus‘ die Nation in einen harten Lockdown geschickt hatte. Die Fabriken, die ohnehin schon wegen des chinesischen Neujahrsfestes die Arbeit eingestellt hatten, blieben weitaus länger als geplant geschlossen. Der Wirtschaftseinbruch, den China Anfang des Jahres wegen der harten Maßnahmen hinnehmen musste, war enorm.