Wirtschaft von oben #86 – Naturkatastrophen 2020 Hier sehen Sie, wie zerstörerisch Stürme, Erdbeben und Brände waren

Versicherer ziehen bei Naturkatastrophen Bilanz. In einigen Erdteilen waren sie so zerstörerisch wie seit 100 Jahren nicht mehr. Die Schäden sind selbst aus dem All zu erkennen, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

Feuer in der Region östlich von Covelo im Mendocino National Forest, Kalifornien

Besonders tief ins kollektive Gedächtnis dürften sich die diesjährigen Waldbrände in Australien und Kalifornien gegraben haben. Über Wochen und Monate waren sie Teil der täglichen Nachrichten. Beängstigende TV-Bilder berichte über von Evakuierung und Hausverlust betroffene Menschen waren 2020 zeitweise allgegenwärtig. Selbst aus dem All sind die Schäden nach Naturkatastrophen hier, aber auch anderenorts, dieses Jahres sichtbar.

2020 war in vielerlei Hinsicht ein katastrophales Jahr, selbst ohne die verheerende weltweite Corona-Pandemie. Nach aktuellen Zahlen der Rückversicherung Swiss Re stiegen die versicherten Schäden durch Naturkatastrophen weltweit gegenüber dem Vorjahr um 40 Prozent. Die Gesamtschäden sollen bei 76 Milliarden Dollar liegen. Der gesamte wirtschaftliche Schaden durch Naturkatastrophen stieg auf 175 Milliarden Dollar, 2019 lag er noch bei 139 Milliarden Dollar.

Zum Anstieg der versicherten Schäden beigetragen hat vor allem eine Rekordanzahl schwerer Gewitterstürme mit Tornados, Überschwemmungen und Hagel, sowie große Waldbrände in Australien und vor allem in den USA. Insgesamt war 2020 inklusive menschengemachter Katastrophen das fünftteuerste für die Versicherungsindustrie seit 1970, schätzt Swiss Re. Auffällig dabei: Die Naturkatastrophen ereigneten sich überwiegend in Regionen, in denen weitgehend Versicherungsschutz vorhanden ist. Dabei standen die Versicherer für rund 45 Prozent der Schäden ein. Im Zehnjahresdurchschnitt liegt diese Quote nur bei 37 Prozent.

Trotz einer Rekordzahl von 30 schweren Stürmen in der Hurrikansaison im Nordatlantik verursachten diese laut der Versicherungsbranche eine vergleichsweise geringe Schadensumme von 20 Milliarden Dollar. Der Grund: Die meisten Stürme tobten in nur gering besiedelten Gebieten. Zum Vergleich: 2005 summierten sich allein die Schäden durch Hurrikan Katrina auf 87 Milliarden Dollar, 2017 waren es nach Harvey, Irma und Maria sogar 97 Milliarden Dollar. 2020 hatten die Versicherer so gesehen mehr Glück.

Hurrikan Laura

Schon auf seinem Weg nach Louisiana hinterließ Hurrikan Laura eine Spur der Verwüstung, noch bevor er an der Golfküste seine maximale Zerstörungskraft entfaltete. Das Unglück forderte in neun Tagen insgesamt 77 Todesopfer auf den Antillen, den Bahamas, an der US-Golfküste sowie im mittleren Westen und im Osten der USA. Die Schäden werden auf mindestens 16,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Lake_Charles

Lake Charles hat es besonders schlimm erwischt; einen solchen Hurrikan hatten die 78.000 Einwohner der US-amerikanischen Stadt in Louisiana seit 164 Jahren nicht mehr erlebt. Der Sturm machte über Nacht Tausende Einwohner obdachlos, Stromleitungen und Geschäfte wurden zerstört, Straßen überflutet oder durch umgestürzte Bäume unpassierbar, Bürogebäude praktisch fensterlos. Ganze Wohnblocks wurden so stark beschädigt, dass im Grunde nur der komplette Abriss blieb. Besonders tragisch: Nur sechs Wochen später folgte Hurrikan Delta und traf gerade einmal 19 Kilometer entfernt auf Land. Die abgedeckten und beschädigten Häuser in Lake Charles waren dem damit einhergehenden Sturmgewitter schutzlos ausgeliefert. Viele der bereits erfolgten Reparaturen an den Gebäuden machte Hurrikan Delta wieder zunichte.

Zwar waren viele Einwohner gegen derlei Naturkatastrophen versichert, aber wie sich herausstellte, hatten viele auch einen Eigenanteil von 20.000 Dollar in ihrem Vertrag akzeptiert – und konnten diesen nach dem Unglück nicht aufbringen. Damit waren ihre Versicherungspolicen praktisch nutzlos.

Hurrikan Laura ist bei weitem nicht die einzige Katastrophe, deren Schäden auch weit ins Jahr 2021 oder darüber hinaus sichtbar sein werden. Auch das Erdbeben in Puerto Rico sowie die langanhaltenden Waldbrände in Kaliforniern und Australien hinterließen Narben in der Landschaft, die auch auf Satellitenaufnahmen erkennbar sind.

Erdbeben

Gleich im Januar ereignete sich das schwere Erdbeben in Puerto Rico. Die schwerste Erschütterung gab es am 7. Januar mit einer Stärke von 6,4 auf der Momenten-Magnituden-Skala und damit das stärkste Beben auf der Insel seit mehr als 100 Jahren. Das Epizentrum lag acht Kilometer südlich vom puerto-ricanischen Stadtteil Indios, in einer Tiefe von zehn Kilometern.

Das Beben löste unter anderem Erdrutsche aus und beschädigte zahlreiche Gebäude und Straßen sowie mehrere Kraftwerke, davon eines schwer. In der Folge fiel auf ganz Puerto Rico der Strom aus, teilweise tagelang. Von eingestürzten Häusern wurde aus der Stadt Guánica und der Gemeinde Guayanilla berichtet, insgesamt wurden 8000 Menschen obdachlos. 8300 Häuser wurden beschädigt, 2500 davon unbewohnbar. Die Schäden werden laut Rückversicherung Munich Re auf rund 1,3 Milliarden Dollar geschätzt, davon zahlten Versicherungen rund 0,8 Milliarden Dollar an ihre Kunden.

Brände

In Australien wüteten zu dieser Zeit noch immer verheerende Waldbrände, die bereits 2019 begannen hatten. Die jahreszeitlich typische „Brandsaison“ 2019 war nach Einschätzung von Swiss Re die längste und zerstörerischste aller Zeiten und zog sich bis März 2020. Besonders betroffen waren dabei die Bundesstaaten an der Ostküste Australiens, aber Buschbrände gab es aufgrund des langanhaltend warmen, trockenen und windigen Wetters zu dieser Zeit überall in Australien.

Insgesamt waren 126.000 Quadratkilometer von der Feuersbrunst betroffen, Treibhausgase und Luftverschmutzung erschwerten das Atmen in den Metropolen Sydney und Canberra. Die Buschfeuer gelten in ihrem Ausmaß, ihrer Dauer und ihren Folgen als bespiellos in der Geschichte Australiens.

Hundertausende mussten aus ihren Häusern evakuiert werden. Die Feuer forderten unmittelbar 33 Todesopfer, zudem starben 445 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung durch den Rauch. 5900 Gebäude brannten nieder, darunter 3000 Wohnhäuser. Die Sachschäden sollen die höchsten seit fast hundert Jahren gewesen sein. Laut Schätzungen sollen rund eine Milliarde höherer Tiere, also nicht nur Insekten und Spinnentiere, Opfer der Feuer geworden sein. Ein Fünftel der gesamten bewaldeten Fläche Australiens brannte ab, wie auch die Satellitenbilder erahnen lassen. 46.000 Nutztiere kamen in den Flammen um, ebenso wurden 4600 Bienenstöcke vernichtet. Die Weinernte in und um Canberra gilt als durch den starken Rauch verseucht.

Die direkten Sachschäden durch die Feuer werden bislang auf bis zu fünf Milliarden Australische Dollar geschätzt. Der gesamte materielle Schaden für Australiens Wirtschaft soll nach Schätzungen von Ökonomen rund 100 Milliarden Australische Dollar betragen. Der immaterielle Schaden soll noch deutlich höher sein.

In Kalifornien begannen die Feuer im Sommer 2020. Bis zum Ende des Jahres wurden knapp 10.000 verschiedene Brände gemeldet, insgesamt gingen 16.800 Quadratkilometer Wald verloren, wurden rund 10.500 Gebäude zerstört. 31 Menschen fanden durch die Flammen den Tod. Die Brände begannen ungewöhnlich früh im Jahr und nahmen gigantische Dimensionen an. Im September wüteten fünf der sechs größten jemals in Kalifornien beobachteten Feuer, und sie erwiesen sich als besonders zerstörerisch. Den Bränden waren Rekordhitzewellen und Dürreperioden vorangegangen, starker Wind fachte die Feuer zudem an. Die Höhe der entstandenen Schäden wird auf mindestens zehn Milliarden Dollar geschätzt.

Die Versicherer dürften auch in Ihrer Schadenbilanz 2020, die aufgrund der Corona-Pandemie diesmal wohl deutlich später abgeschlossen werden kann, einmal mehr feststellen, dass der fortschreitende Klimawandel Naturkatastrophen wie Hurrikans oder große Brände begünstigt hat und ihre Risiken erhöht. Bei der Swiss Re jedenfalls steht die vorläufige Bilanz schon: Sie erwartet aufgrund des Klimawandels eine Zunahme der Schäden durch sekundäre Naturgefahren wie Waldbrände, Sturmfluten und Überschwemmungen sowie Extremwetterlagen wie Hurrikans. Martin Bertogg, Katastrophenexperte bei der Swiss Re sagt: „Die versicherten Katastrophenschäden werden in Zukunft weiter steigen.“

Die Rubrik „Wirtschaft von oben“ entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.


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