Zukunft der Technik Die neuen Weltwunder

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Technik verschwindet Quelle: Roland Warzecha für WirtschaftsWoche

In einem Industriegebiet am Rande von Antwerpen, acht Kilometer von der Innenstadt entfernt, ragen die Türme einer gigantischen Metallhütte in den Himmel. Ein System aus Rohren und Förderbändern verbindet Hochöfen, Lagerhallen und Hexenkessel, in denen ätzende Chemikalien blubbern. Als hätte jemand einen Chemiebaukasten aufgebaut und zu gewaltigen Dimensionen aufgeblasen.

Das Hüttenwerk der Firma Umicore gewinnt hier Gold und Platin, Blei und Kupfer sowie eine Reihe heiß begehrter Technologiemetalle mit Namen wie Lithium und Selen. Es schmilzt diese Stoffe aber nicht aus Minenerzen, wie es anderswo üblich ist, sondern aus Elektroschrott. Lastwagen fahren vor und kippen haufenweise alte Handys, Computerplatinen, Fernseher ab. Umicore rührt sie zu einer gelb glühenden Suppe zusammen, mehrere Tausend Grad heiß, zerlegt sie in chemischen Abtrennbecken in ihre Bestandteile. Hochtechnologie, großteils ein streng gehütetes Firmengeheimnis. Moderne Alchemie.

Alte Handys sind eine Goldgrube

Die Sache lohnt sich wirtschaftlich – schon weil eine Tonne Althandys 60-mal mehr Gold enthält als eine Tonne Golderz –, aber auch ökologisch. Umicore muss keine Löcher in Berge graben, keinen Schutt verladen, keine Felsspalten mit giftigen Chemikalien ausspülen. Den Stoff aber brauchen wir so oder so. Die Versprechungen des Hightech-Zeitalters lassen sich nur halten, wenn man genug Baumaterial für die vielen neuen Maschinen und Leitungen und Handys und Mobilcomputer auftreibt. Die Minen sind überlastet, es toben wahre Schlachten um knappe Erden und Metalle.

Es mangelt am Elektroschrott

Die größte Problem beim Hightech-Recycling, sagt der Umicore-Experte Christian Hagelüken, seien aber gar nicht die Hightech-Verfahren. Es sei der Mangel an Schrott. Alte Geräte landen üblicherweise eben nicht bei Umicore, sondern in Schubladen, sie werden auf Müllhalden gekippt oder illegal nach Afrika verschifft. Für Hagelüken ist die wahre Zukunftstechnologie eine ganz banale: Mülltrennung und Recycling. Banal? Wenn man es praktisch umsetzen will, wird die Sache zum gesellschaftlichen Großprojekt. Wie setzt man den richtigen Anreiz dafür, dass gebrauchte Handys, Fernseher oder Elektroroller am Ende zu den richtigen Wiederverwertern gelangen? Reichen Appelle aus, soll man ein Pfand erheben, oder kann man so weit gehen, den Verkauf elektronischer Güter ganz zu verbieten und sie nur noch vermieten? »Ideal ist es, wenn an solchen Gegenständen nur ein paar Jahre Nutzung verkauft werden«, sagt Michael Braungart, Professor für Verfahrenstechnik und Leiter des Hamburger Umweltinstituts (HU).

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