Trotz ungewisser Risiken Junge Raucher testen E-Zigaretten

Sind sie eine gesunde Alternative zu Zigaretten? Die Wirkung von E-Zigaretten ist noch nicht genau geklärt. Aber immer mehr Marken werden angeboten und besonders jüngere Raucher greifen zu.

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Elektrische Zigaretten werden als gesunde Alternativen zum Nikotin vermarktet. Doch die Wirkung ist noch weitgehend ungeklärt. Quelle: dpa

Vor allem junge Raucher haben schon einmal zur E-Zigarette gegriffen. Ein Teil von ihnen testet dabei, ob die elektronischen Verdampfer beim Aufhören hilfreich sind. Dies ergab eine Befragung von mehr als 26 000 Jugendlichen und Erwachsenen aus 27 EU-Ländern. Hochgerechnet auf die gesamte Bevölkerung im Jahr 2012 haben mehr als 29 Millionen EU-Bürger E-Zigaretten bereits ausprobiert, heißt es in einer Studie, die Forscher im Fachblatt „Tobacco Control" veröffentlichten. Es sei dringend geboten, die gesundheitlichen Folgen der E-Zigaretten zu untersuchen und herauszufinden, welche Rolle sie bei der Nikotinabhängigkeit haben.

Die Zahl der im Internet angebotenen E-Zigaretten-Sorten sei atemberaubend, berichten Wissenschaftler in einer zweiten Studie, die im selben Fachblatt veröffentlicht worden ist. Allein zwischen August 2012 und Januar 2014 seien monatlich zehn Marken und 240 Geschmacksrichtungen neu auf den Internet-Markt gekommen. Die E-Zigaretten würden dabei in letzter Zeit immer weniger als „gesunde Alternative zur Zigarette“ vermarktet, sondern als eigenständiges Produkt, das sich der Verbraucher nach eigenen Wünschen hinsichtlich Nikotingehalt und Geschmack zusammenstellen könne.

E-Zigaretten, also elektronische Zigaretten, enthalten einen Akku, einen Verdampfer, eine Heizspirale und eine Flüssigkeit, die Nikotin und Aromen enthalten kann. Die Flüssigkeit wird erhitzt und der Dampf inhaliert. Verbrennungsprozesse gibt es anders als bei herkömmlichen Zigaretten nicht. E-Zigaretten sind in zahlreichen Ausführungen erhältlich. Vor allem ältere Produkte ähneln in Form und Größe normalen Zigaretten. Neuere Produkte sind oft größer und variabler; sie haben größere Nachfülltanks und leistungsstärkere Akkus.

Noch sei wenig erforscht, wer die E-Zigaretten nutze und warum, schreiben die Forscher um Constantine Vardavas von der Harvard School of Public Health in Boston (US-Staat Massachusetts). Sie hatten deshalb Daten aus einer Befragung im Jahr 2012, dem Eurobarometer 385, erneut ausgewertet. Mehr als 26 000 EU-Bürger über 15 Jahren wurden damals zur Tabaknutzung befragt. Die Teilnehmer sollten unter anderem angeben, wie oft sie schon E-Zigaretten ausprobiert haben.

Der Auswertung zufolge haben gut 20 Prozent der Raucher Erfahrungen mit E-Zigaretten gemacht; jüngere eher als ältere. Gut zwei Drittel der Raucher probierten sie ein- oder zweimal aus, 9 Prozent rauchen regelmäßig elektrisch. Raucher, die aufhören wollten, probierten doppelt so häufig E-Zigaretten aus wie überzeugte Raucher. Sieben Prozent hatten beim Versuch, aufzuhören, zur E-Zigarette gegriffen.

„Einerseits könne es der individuellen und der öffentlichen Gesundheit dienlich sein, wenn Raucher in einem jüngeren Alter mit dem Genuss von Tabak aufhören würden“, schreiben die Wissenschaftler. Allerdings könne die „Renormalisierung“ des Rauchens oder Dampfens die Nikotinabhängigkeit aufrechterhalten und Bemühungen behindern, den Tabakgenuss zu stoppen.

Wissenschaftler um Shu-Hong Zhu von der Universität von Kalifornien - San Diego (UCSD) in La Jolla hatten den Online-Markt für E-Zigaretten genauer untersucht. Etwa 30 bis 50 Prozent der E-Zigaretten würden Schätzungen zufolge im Internet verkauft. Die Forscher hatten von Mai bis August 2012 und von Dezember 2013 bis Januar 2014 die Webseiten analysiert, auf denen E-Zigaretten angeboten wurden.

Über den Zeitraum der Untersuchung stellten die Forscher eine rasante Zunahme an angebotenen Marken und Geschmacksrichtungen fest. Im Januar 2014 wurden insgesamt 466 Marken auf eigenen Webseiten beworben. 7764 Geschmacksrichtungen waren erhältlich, darunter Tabak, Menthol, Frucht oder Alkohol. Die Vermarktungsstrategie habe sich im Laufe der Zeit erheblich verändert, berichten die Wissenschaftler.

Im Jahr 2012 hätten die Hersteller die vermeintlich geringere Gesundheitsgefahr durch E-Zigaretten betont, was zur Kontroverse um die Produkte entscheidend beigetragen habe. Diesen Hinweise finde man auf Webseiten mittlerweile deutlich seltener. Auch werde nicht mehr damit geworben, dass E-Zigaretten auch dort geraucht werden dürften, wo andere Zigaretten verboten sind oder dass E-Zigaretten beim Aufhören helfen könnten. Die neueren Marken kehren davon ab, normale Zigaretten als Referenz zu nutzen, wie die Wissenschaftler betonen.

„Die große Gefahr bei E-Zigaretten ist das tiefe und häufige Inhalieren eines Chemiecocktails, von dem niemand genau weiß, was drin ist“, sagte Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Zwar gebe es vereinzelt Hinweise, das selbst nikotinfreie E-Zigaretten einen positiven psychologischen Effekt bei der Rauchentwöhnung haben könnten. Allerdings sei die Datenbasis viel zu dünn für eine Empfehlung.

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