




Ein Theater in Los Angeles: An normalen Abenden wird hier derzeit das Stück „Oktoberfest – The Musical“ aufgeführt. Nicht so an diesem Montagabend, 18 Uhr Ortszeit. Da sitzen auf den Bierbänken, umgeben von blau-weiß-karierten Hofbräuhaus-Fahnen, rund 100 Zuschauer, darunter viele Studenten. Auf Einladung der University of California (UCLA) verfolgen sie die erste Fernsehdebatte der US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Hillary Clinton.
Am Ende wird jedoch alles beim Alten bleiben: Diejenigen, die Clinton wählen wollten, wollen sie immer noch wählen, diejenigen, die für ihren republikanischen Herausforderer Trump wählen wollten, halten weiterhin an ihm fest. Und die Unentschiedenen? Wissen immer noch nicht, für wen sie stimmen sollen.
Die meisten Zuschauer in Los Angeles sind während der Debatte sehr engagiert, fiebern mit. Sie bestehen etwa zur Hälfte aus Trump- und Clinton-Unterstützern, aber es gibt auch einige Unentschlossene. Clinton erntet viel Applaus und Lacher, etwa als sie Trump mehrfach attackiert: „Donald, I know you live in your own reality“ – „Donald ich weiß, du lebst in deiner eigenen Realität“. Oder als sie ihm vorwirft, dass er den Klimawandel als „Schwindel der Chinesen“ darstelle. Dafür haben die Wähler in einem US-Bundesstaat, der im fünften Jahr einer verheerenden Dürreperiode steckt, kein Verständnis.
Auch Trump kann in Los Angeles ein paar Mal punkten, etwa als er sagt, dass es endlich an der Zeit sei, „dass dieses Land von jemanden geführt wird, der etwas von Geld versteht“. Oder als er verspricht, Zehntausende Jobs nach Amerika zurückzuholen. Anders als Clinton erntet er aber auch Buh-Rufe. Es kommt im Publikum nicht gut an, als er sagt: Die Gangs und Verbrecher, die durch die Straßen streifen, seien „in vielen Fällen illegale Immigranten“.
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Jimmy Kelly, ein Drehbuchschreiber aus Los Angeles, zeigt sich am Ende zufrieden mit Clintons Performance auf der Bühne. Er will am 8. November für sie stimmen. „Ich denke, dass Hillary die bestqualifizierteste Kandidatin für das Präsidentenamt in der Geschichte Amerikas ist“, sagt der 30-Jährige. Jacob Ellenhorn, ein 21-jähriger Jura-Student an der University of Southern California, fühlt sich hingegen darin bestätigt, für Trump zu stimmen. „Er spricht für den normalen Amerikaner“, findet er.
Protokoll einer Achterbahnfahrt - Der Wahlkampf in den USA
Trump findet, der ehemalige Präsidentschaftskandidat und Vietnam-Veteran John McCain sei kein Kriegsheld. „Trump ist nach Beleidigung erledigt“, titelt die „New York Post“ daraufhin.
Bernie Sanders, der für die Demokraten kandidieren will, nimmt seine Konkurrentin Clinton bei einer TV-Debatte in Schutz: „Das amerikanische Volk hat die Diskussion über ihre verdammten Emails satt.“
Clinton muss elf Stunden lang in einem Ausschuss Fragen zum Anschlag von Bengasi beantworten.
Nach einem Terrorangriff in San Bernardino fordert Trump ein komplettes Einreiseverbot für Muslime.
Beim Auftakt der Vorwahlen in Iowa gewinnt bei den Republikanern der texanische Senator Ted Cruz, Trump kommt nur auf den zweiten Platz. Clinton siegt sehr knapp vor Sanders.
Trump sagt, er wolle noch viel schlimmere Verhörmethoden als Waterboarding einsetzen.
Papst Franziskus sagt, Trump verhalte sich unchristlich. Trump sagt, Franziskus sei von Mexikos Regierung irregeleitet worden.
Trump und Clinton gehen als klare Sieger aus dem „Super Tuesday“ mit Vorwahlen in mehreren Bundesstaaten hervor.
Trump siegt in weiteren Staaten. Einige Republikaner reden über eine Kampfabstimmung auf dem Parteitag. Clinton gewinnt auch, hat aber weiter Probleme. Es ist Halbzeit.
Trump sagt, er wolle weniger für die Nato zahlen. Wenige Tage später meint, er es wäre für Japan oder Südkorea besser, wenn sie Atomwaffen besäßen. Dann sagt Trump, Frauen müssten für Abtreibungen bestraft werden.
Trump gewinnt die Vorwahl in Indiana. Cruz und Kasich steigen aus dem Rennen aus. Clinton verliert gegen Sanders.
Trump hat genügend Delegierte für die Präsidentschaftskandidatur zusammen.
Clinton erreicht die notwendige Zahl an Delegierten.
Am Tag nach dem Brexit-Schock preist Trump in Schottland den Ausgang des Referendums.
Das FBI empfiehlt, in der E-Mail-Affäre keine Anklage gegen Clinton zu erheben.
Sanders erklärt seine Unterstützung für Clinton.
Trump macht den Gouverneur Mike Pence zu seinem Vizepräsidentenkandidaten.
Trump ist offiziell Präsidentschaftskandidat.
Clinton macht den ehemaligen Gouverneur Tim Kaine zu ihrem Vizepräsidentenkandidaten.
Wikileaks veröffentlicht gehackte E-Mails der Demokraten. Einen Tag später tritt die Parteivorsitzende Debbie Wasserman Schultz zurück.
Clinton ist offiziell Präsidentschaftskandidatin.
Clinton verlässt eine Gedenkfeier frühzeitig. Sie hat eine Lungenentzündung und muss pausieren.
Trump erkennt erstmals an, dass Präsident Barack Obama in den USA geboren wurde - behauptet aber, Clintons Seite habe die Zweifel daran in die Welt gesetzt.
Enttäuschung bei den Ratlosen
Im Vorfeld der Debatte betonten Experten oft, wie wichtig dieses Duell für diese Präsidentschaftswahl sei. Denn gerade die unentschlossenen Wähler sind könnten in diesem Kopf-an-Kopf-Rennen die entscheidenden Stimmen abgeben. Bei einer Befragung des Senders CNN von 20 Unentschlossenen im Swing-State Florida gaben 18 von ihnen nach dem TV-Duell an, Clinton als Gewinnerin der Debatte zu sehen.
Bei einer Umfrage eines Beraters der Demokraten unter unentschlossenen Wählern im US-Bundesstaat Cleveland sagten die meisten hingegen, dass sie keinen der Kandidaten als Gewinner ansehen. Ein großer Teil sah Clinton als Siegerin, keiner sah Trump als Sieger. Eine Umfrage des „Wall Street Journal“ unter Unentschiedenen und Experten zeigte, dass Unentschlossene jedoch auch nach der Debatte nicht wesentlich zu dem einen oder den anderen Kandidaten hingezogen sein dürften.
Auch in Los Angeles waren einige Unentschlossene gekommen, um sich endlich eine Meinung zu bilden. Am Ende konnte sie aber keiner der Kandidaten überzeugen. Beim Duell sei es „beruhigend gewesen, dass Hillary besser vorbereitet war“, sagt Mark Biedlingmaier, Student der Umweltwissenschaften an der UCLA. Er wisse aber auch nach der Debatte nicht, für wen er stimmen soll. „Ich habe zu wenig Informationen“, sagt der 22-Jährige. Bei der letzten Wahl hatte er für die Demokraten gestimmt. Er sieht Vorteile bei beiden Kandidaten.
TV-Duelle in US-Präsidentschaftswahlkämpfen
Demokrat John F. Kennedy gegen Republikaner Richard Nixon - die erste Präsidentschaftsdebatte, die live im Fernsehen übertragen wurde. Kennedy bestach durch Charme und ein sonnengebräuntes Äußeres. Nixon, der zuvor im Krankenhaus lag, wirkte dagegen unrasiert und so unsympathisch, dass er seine Chancen verspielte. Kennedy konnte die Wähler für sich gewinnen. Bis 1976 wagte sich kein Kandidat mehr an ein öffentliches Duell.
Folgenreiches TV-Duell zwischen dem Demokraten Jimmy Carter und dem amtierenden Präsidenten Gerald Ford. Nach einer erfolgreichen ersten Debatte brachte sich Ford in eine unglücklich Lage. Er behauptete mitten in Zeiten des Kalten Krieges: „Es gibt keine Dominanz der Sowjetunion in Osteuropa, und unter einer Regierung Ford wird es auch keine geben.“ Ford verlor die Wahl.
Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Jimmy Carter und dem Republikaner Ronald Reagan. Reagan, als erfahrener Schauspieler um einiges besser vor den Kameras, überzeugte die Zuschauer mit Witz und Charisma. Mit der Frage: „Geht es ihnen besser als vor vier Jahren?“, traf er vor allem mit Blick auf die Wirtschaftslage einen Nerv.
Präsident Reagan sticht wortgewandt den Demokraten Walter Mondale aus. Der damals 73-Jährige, im Duell auf sein hohes Alter angesprochen, sagt: „Ich werde Altersfragen in dieser Kampagne nicht thematisieren. Ich werde die Jugend und Unerfahrenheit meines Opponenten nicht politisch ausschlachten.“ Reagan wurde wiedergewählt. Rund 67 Millionen Zuschauer verfolgten das Duell.
Verhängnisvoll war eine Aussage des demokratischen Gouverneurs Michael Dukakis. Er sprach sich im TV-Duell gegen die Todesstrafe aus, selbst wenn seine Frau Opfer eines Gewaltverbrechens würde. Er verlor gegen den Republikaner George H. W. Bush.
Erstmals war neben George H. W. Bush und dem Demokraten Bill Clinton auch ein dritter Kandidat dabei, Ross Perot. Präsident Bush wurde für seinen Auftritt kritisiert, da er ständig auf die Uhr schaute, während die anderen Kandidaten sprachen.
Zwischen dem amtierenden Präsidenten Clinton und dem ehemaligen Senator aus Kansas, dem Republikaner Bob Dole, gab es zwei TV-Debatten. Clinton überzeugte in der Debatte souverän und behauptete sich als Präsident.
Der demokratische Vizepräsident Al Gore konnte in den Debatten die Zuschauer nur wenig überzeugen. Er schüttelte den Kopf oder stöhnte hörbar auf, wenn George W. Bush zu Wort kam. Einige Medien kritisierten Gore als selbstgefällig.
Für John Kerry wurde das TV-Duell zum Verhängnis. Das Thema Irak förderte bei Kerry größere Wissenslücken zu Tage. George W. Bush entschied die Wahl erneut für sich.
Zwischen dem Republikaner John McCain und dem Demokraten Barack Obama gab es drei TV-Debatten. Obama wirkte souverän und kompetent.
Präsident Barack Obama und der frühere Gouverneur aus Massachusetts, Mitt Romney, standen sich in drei hitzigen Debatten gegenüber. Mitt Romney zeigte jedoch Lücken, etwa seine Unkenntnis über die geografische Lage von Syrien, Irak und Iran. Obama präsentierte sich selbstbewusst.
Scott, blaues Shirt, blaue Shorts, ebenfalls ein junger Wähler, ist enttäuscht von dem Duell. „Nachdem ich diese Debatte angesehen habe, mag ich beide nicht besonders“, sagt er. „Ich denke, ich werde entweder für Gary Johnson oder gar nicht abstimmen.“ Johnson ist Kandidat der Libertären Partei. Beim Rennen um das Weiße Haus ist er zwar chancenlos, aber er könnte Clinton oder Trump wichtige Stimmen kosten.
Am Ende der Veranstaltung in Los Angeles debattieren einige Zuschauer noch heftig weiter. Alle Themen, die die USA derzeit bewegen, kommen auf den Tisch: Rassendiskriminierung, die Arbeitslosenquote, Immigration, China – Menschen schreien sich an oder schauen beleidigt in eine andere Richtung. Auch wenn sie den vielen Unentschlossenen vielleicht nicht geholfen hat, eines wird bei dieser Debatte deutlich: Die US-Amerikaner sind gespalten, nicht nur wenn es um den geeigneten Präsidentschaftskandidaten geht.