Übernahme von iRobot Der Spion, der für Amazon putzen geht

Saugroboter Roomba 980 von iRobot Quelle: AP

Die bekannten Roomba-Roboterstaubsauger werden bald für Amazon unterwegs sein und nicht nur Staub einsammeln, sondern auch jede Menge Daten. Ein Kritiker warnt vor der „bedrohlichsten Übernahme“ in der Amazon-Geschichte.

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Amazon will seine Rolle im vernetzten Zuhause mit dem Kauf der für ihre Roboter-Staubsauger bekannten Firma iRobot ausbauen. Mit einem Preis von 61 Dollar je Aktie lässt sich der Onlineriese den Kauf insgesamt rund 1,7 Milliarden Dollar kosten, sollten Aktionäre und Aufsichtsbehörden zustimmen.

Für Amazon könnte sich der Deal lohnen, denn für den US-Konzern geht es um weit mehr als den Kauf eines einfachen Geräteherstellers in einem boomenden Marktsegment. Bekannt ist iRobot vor allem für seine selbstfahrenden Roomba-Sauger. Neuere Modelle erstellen dabei mit Hilfe von Kameras einen 3D-Scan des Haushalts und sollen dank künstlicher Intelligenz zum Beispiel auf dem Boden liegenden Kabeln ausweichen. 

Amazon hat ebenfalls schon seit einiger Zeit große Pläne für den Einsatz von Robotern im vernetzten Zuhause. Gerätechef Dave Limp prognostiziert, dass mittelfristig jeder Haushalt mindestens einen Roboter haben werde. Im vergangenen Herbst stellte der Konzern einen Roboter mit dem Namen „Astro“ vor, der auf Rädern durch ein Zuhause fährt und Beobachter optisch an den „kleinen Bruder von Wall-E“ aus dem gleichnamigen Pixar-Film erinnerte. Mit seinen Kameras kann er zum Beispiel die Rolle einer Alarmanlage übernehmen und kann auf Sprachbefehle über Amazons Sprachassistentin Alexa reagieren.

Genau diese Verknüpfung verschiedener Dienste ist für Amazon interessant – und dürfte Datenschützer in Alarmstimmung versetzen. Denn moderne Heimroboter saugen nicht nur Staub, sondern auch jede Menge Daten. Sie orientieren sich im Raum mit Kameras, Lasertechnik und Sensoren und kartieren so nebenbei die Wohnungen ihrer Besitzer. Die Daten landen auf den Servern der Hersteller, die so auch Einblicke in das Leben ihrer Kunden gewinnen. Tagesabläufe, Raumgrundrisse oder die Standorte neuer Möbel könnten erfasst werden. Datenschützer halten das für höchst problematisch – vor allem, wenn die Wohnungsdaten mit zusätzlichen Informationen verschnitten würden. 

Amazon Mini-Drohne bewacht das Haus

Über diese verfügt Amazon bereits durch andere Anwendungen. Amazons Tochterfirma Ring offeriert US-Nutzern beispielsweise ein umfassendes Sicherheitssystem fürs Haus, dazu gehört unter anderem eine smarte Türklingel mit Kamera. Zudem hat das Unternehmen eine Mini-Drohne namens „Always Home Cam“ im Sortiment, die den Innenbereich von Haus und Wohnung überfliegen und überwachen soll, wenn der Bewohner nicht da ist. Ring verweist darauf, dass der Datenschutz jederzeit gewährleistet ist, da die Kamera physisch blockiert werde, wenn die Drohne in der Ladestation ist. Sie soll einer vom Besitzer vorgegebenen Route folgen, aber auch auf Sensoren anderer Amazon-Geräte reagieren können, wenn sie mit der Ring-Anlage verbunden wird. Registriert beispielsweise ein zum System gehörender Amazon-Echo-Lautsprecher ein auffälliges Geräusch wie klirrendes Glas, soll die Mini-Drohne zum Ort des Geschehens fliegen und dem Nutzer die Kamerabilder im Livestream via App auf sein Smartphone spielen.

Theoretisch könnte in Zukunft auch gleich noch ein Roomba-Gerät aktiviert werden, um die Scherben aufzukehren. Was Smart-Home-Fans begeistern dürfte, versetzt Kritiker in Wallung. Evan Greer von der Datenschutzorganisation Fight for The Future sagte dem Tech-Magazin „Wired“, Amazon ziele mit dem Deal darauf ab, seine Überwachungsreichweite zu erhöhen. Und der Forscher Ron Knox bezeichnete das Geschäft in einem Twitter-Thread als die wohl „gefährlichste und bedrohlichste Übernahme in der Amazon-Geschichte“. Die Weitergabe solcher Informationen an einen Onlinehändler sei aus Datenschutzsicht ein „Albtraum“.

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Hinzu kommt, dass vernetzte Geräte oft eine Angriffsfläche für digitale Attacken bieten. Je mehr solcher Geräte zusammenhängen, umso größer ist die Gefahr, dass eines über eine Schwachstelle angreifbar ist.
Für Amazon ist der Zukauf indes nur ein Teil der Strategie. So gehört zum Reich von Amazon-Gerätechef Dave Limp beispielsweise auch der Roboterauto-Entwickler Zoox, den der weltgrößte Online-Händler vor zwei Jahren kaufte. „Wir glauben“, sagt Limp, „dass in fünf bis zehn Jahren jeder Haushalt mindestens einen Roboter besitzen wird, der eine zentrale Rolle im täglichen Leben spielt.“

Lesen Sie auch: Amazon-Deutschlandchef Rocco Bräuniger über die Folgen der Inflation für das Einkaufsverhalten.

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