Internetkampagne Siemens ringt in China mit Bloggern um sein Image

Siemens hat in China Ärger mit einem chinesischen Blogger. Zwei Kulturen sind wegen einer Kühlschranktür aufeinandergeprallt: Ein behäbiger deutscher Ingenieurskonzern und der quirlige asiatische Netzbürger.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Chinesische Nutzer eines Internetcafes in Shanghai. Quelle: handelsblatt.com

Der deutsche Haushaltsgerätehersteller Siemens-Bosch kämpft in China gegen einen Imageschaden, nachdem sich tausende von Bloggern auf seinen ungeschickten Umgang mit den Netzmedien eingeschossen haben. „Siemens verhält sich arrogant wie ein chinesisches Staatsunternehmen“, sagte der prominente Blogger und Publizist Luo Yonghao dem Handelsblatt. „Das Unternehmen scheint auf das Zeitalter von Twitter und Facebook denkbar schlecht vorbereitet zu sein.“

Unterdessen verfolgen mehrere Millionen Menschen einen Schlagabtausch zwischen unzufriedenen Kühlschrank-Kunden und dem Unternehmen – und jeder, der schonmal eine schlechte Erfahrung mit der Hausgeräte-Marke Siemens gemacht hat, macht mit ereifert sich über deren angeblich schlechte Qualität.

Auslöser ware zwei Hausgeräte der Marke Siemens, die Herrn Luo besitzt. Luo ist in ganz China bekannt: Er tritt im Fernsehen auf, hat Bestseller zu Motivationsthemen geschrieben ("Mein Kampf") und seit 2004 eine große Online-Leserschaft um sich gesammelt. Seinem Mikroblog, dem chinesischen Gegenstück zu Twitter, folgen knapp über eine Million Leser.

Am 27. September beklagte Luo sich in einem Mikroblog über zwei Produkte von Siemens-Bosch. Die Kühlschranktür schließe nicht und die Waschmaschine wandere beim Schleudern bis zu zehn Zentimeter von ihrem Standplatz weg. „So eine Scheißmarke kaufe ich nie wieder. Japanische Produkte sind viel besser“, twitterte er erbost.

„Eigentlich eine Petitesse“, gibt Luo heute zu. „Aber der Vorgang steht stellvertretend dafür, wie Siemens mit seinen Kunden umgeht.“ Denn der Konzern schwieg zunächst mehrere Tage lang zu Luos Klage im Netz.

Eine Kühlschranktür wird "viral"

In der Internet-Gemeinde stieß die Produktklage dagegen auf riesige Resonanz. Die Leser haben den ursprünglichen Kühlschrank-Tweet erst tausend- dann millionenfach weitergeleitet. China hat über 450 Millionen Internetnutzer, die meisten hochaktiv. Die Kühlschranktür wurde viral.

Auch das Handelsblatt hat unterdessen von Siemes-Bosch in Peking keine Auskunft erhalten, warum die Lage im Netz so weit eskalieren konnte. Stattdessen hat eine PR-Agentur geantwortet: „Wir nehmen alle Kundenklagen sehr ernst und versuchen immer, mit den Betroffenen Kontakt aufzunehmen und die Probleme zu lösen.“ Von Internetkompetenz ist wenig die Rede, dafür aber von den Standards der Nationalen Qualitätsbehörde, die die Geräte streng einhalten. Luo habe sich dem Angebot verweigert, dass ein Techniker vorbeikomme und das Produkt nachsehe. Kommunikationsversuche seien ins Leere gegangen.

Der Selbstdarsteller Luo fühlte sich jedoch an diesem Punkt von dem großen Interesse der Leserschaft weiter angespornt. Er wetterte gegen Siemens. „Unternehmen, die ihre Kunden für Idioten halten, werden dafür den Preis zahlen." Dann phantasierte er von Alpträumen, die ihn plagten – von zähnefletschenden, bösen Siemens-Kühlschränken. Die Leser waren begeistert und hinterließen tausende von aufmunternden Kommentaren. Die betroffene Firma schwieg weiter.

Am 15. Oktober um drei Uhr Nachts hatte Luo dann endlich eine Reaktion von Siemens-Bosch erhalten – eine steife und gewundene Erklärung. „Wir bedauern es, wenn eine kleine Zahl unserer Kunden Probleme mit Siemens-Produkten haben.“ Es gebe aber keine Probleme mit der Qualität. In der Nachricht fehlte das, worauf Luo so lange gedrängt hatte: Eine Entschuldigung von Siemens.

Keilt Siemens mit harten Bandagen zurück?

Stattdessen tauchten in Blogs und Foren plötzlich haufenweise stereotype Nachrichten auf, die Siemens in Schutz nahmen und Luo als Querulanten beschimpften. Aus Sicht erfahrener Blogger war der Fall klar: Die PR-Leute haben professionelle Poster angestellt, die im Netz Gegenstimmung erzeugen sollen. Luo jedenfalls war überzeugt davon, dass Siemens jetzt mit harten Bandagen spielt.

Der Promi-Blogger geriet jetzt richtig in Rage und ließ in den folgenden Stunden über 200 Tweets los, die sich gegen Siemens richteten.

In seiner Not hat die Kommunkationsabteilung von Siemens-Bosch China eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit eingeschaltet. Die machte sich an einen persönlichen Freund Luos herangemacht mit der Bitte, mäßigend auf den Blogger einzuwirken. Das diente allerdings nicht dazu, Luo zu besänftigen. Er lehnte auch den Vorschlag von Siemens-Bosch ab, in seinem Kühlschrank einen Piepser zu installieren, der sich bei lange offenstehender Tür meldet.

Zur Freude seiner Leser schlug Luo jetzt erst richtig auf das Großunternehmen ein. „Was Siemens  da macht, verträgt sich nicht mit dem, was von einem deutschen Unternehmen mit einer hundertjährigen Tradition zu erwarten wäre: Sie verhalten sich echt kleinlich.“

Zur Stunde geht der Web-Krieg zwischen Siemens und Luo noch weiter. Eines scheint sicher: Der Großkonzern wird am Ende der Verlierer sein. Die Chinesen lieben es, wenn der kleine Mann einmal den Aufstand gegen die vermeintlich Großen und Mächtigen gewinnt – und genau dieses Muster zelebriert Luo jetzt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%