Geil

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wortmeldung 

Wenn Vokabeln durch Gebrauch verschleißen würden, müssten vom lippenspreizenden Wörtchen „geil“ schon die Fetzen herunter hängen. Wir suhlen uns in Geilheit. Dass Geiz geil sein soll, schreit man uns täglich ins Ohr, obwohl er doch von alters her eher als die Leidenschaft der Impotenten belächelt wurde. 

Selbst im Kirchengestühl macht sich fromme Geilheit breit: Durch einen Pfarrer aus Küsnacht lässt die Reformierte Kirche der Schweiz verkünden, dass die Apostel dem Meister Jesus einzig gefolgt seien, weil sie seine Botschaft „voll geil“ fanden…und dass die Kirche heute gut beraten sei, sich himmlisch geil zu geben. 

Vielleicht ist das nicht so abwegig, wie es klingt. Man braucht das Wörtchen nur der anrüchigen Bedeutung zu entkleiden, die es in den letzten 200 Jahren angenommen hat. Ursprünglich bedeutete „geil“ vor allem übermütig, ausgelassen, lebenslustig, auch üppig. Daher spricht der Botaniker von geilen Pflanzentrieben und der Wiener von geilen Cremetorten. Arthur Schopenhauer erkannte die existenzielle Dimension des Geilen beizeiten: „Das fortwährende Dasein des Menschengeschlechts ist bloß ein Beweis für die Geilheit desselben.“ So bekommen wir von berufener Seite bestätigt, was wir immer schon hören wollen: Wir sind alle geile Typen. Affengeil. 

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