60 Jahre Bundesrepublik Wie Gründerlegende Werner Otto ein Imperium schuf

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Mitarbeiterinnen versenden Quelle: dpa

Die meisten Mitarbeiter sind denn auch mit dem klaren Führungsstil zufrieden. Jahre bevor der Slogan „Otto... find’ ich gut!“ zum Werbespruch der Firma wurde, ist er bereits ein Bekenntnis der Belegschaft. „Jeder packte mit an, ohne zu klagen, jeder wollte voran, ganz gleich, was er machte, jeder kleine Schritt wurde als Erfolg gefeiert“, beschreibt Michael Otto die Anfangszeit, in der auch er seinem Vater zur Seite stand.

Der Versandhandel gedeiht derweil prächtig. Die Menschen wollen wieder genießen. Der Katalog weckt die Sehnsucht nach der bunten Warenwelt. In den Fünfzigerjahren gehören dazu Perlonblusen und Nierentische. BHs werden im Otto-Katalog nur gezeichnet, um empfindsame Gemüter zu schonen. Das ändert sich in den Sechzigerjahren, als der Katalog die Millionenauflage überschritten hat und für die 68er-Generation Lederminis und E-Gitarren bereithält. Die Siebziger bringen Schlaghosen und in der folgenden Dekade der monströsen Schulterpolster zieren amerikanische TV-Stars wie das Denver-Biest Joan Collins die Katalogfront.

Die Ära des Gründers endet, als er auf die Warnungen seines Körpers hört. Anfang der Sechziger klappt Werner Otto zusammen. „Der Stress, die Zigarrenpafferei, die Nachtarbeit und die maßlose Völlerei – über Nacht habe ich mit allem Schluss gemacht“, so Otto. Er zieht sich aus der Unternehmensleitung des Versandhandels zurück und lässt einen familienfremden Vorstand ran. Später tritt Sohn Michael das Erbe an. Die Entscheidung fällt rechtzeitig genug, um Otto senior ein langes Leben zu ermöglichen: Am 13. August, vier Tage vor dem 60. Firmenjubiläum, feiert Werner Otto seinen 100. Geburtstag.

Auch nach dem Ausstieg aus dem Tagesgeschäft bleibt Otto aktiv. Er gründet den Shoppingcenterbetreiber ECE, den heute sein jüngerer Sohn Alexander führt. Und er ruft 1969 eine private Stiftung ins Leben, die sich seither für die Behandlung kranker und behinderter Kinder engagiert.

Umweltschutz wird Unternehmenspflicht

Seine Söhne folgen Werner Otto nicht nur auf den Chefposten der Unternehmensgruppe – sie übernehmen auch die Mischung aus Innovationskraft und nachhaltigem Wirtschaften, die das Versandhaus zum Erfolg geführt hat.

1971, mit 28 Jahren, steigt Michael Otto in den Otto-Vorstand ein und übernimmt zehn Jahre später den Chefposten. Er lässt Kleidung erstmals am Bügel hängend verschicken und führt den Schnellversand ein. Gegen Aufpreis bekommt man die gewünschten Waren binnen 48 Stunden. Vor allem aber verordnet Michael Otto dem Konzern den Aufbruch in neue Welten – Otto wird zum multinationalen Konzern und gewichtigen Online-Händler. Zugleich wird unter ihm Umweltschutz zur Unternehmenspflicht. Pelze fliegen aus dem Sortiment, auch Tropenholzmöbel und quecksilberhaltige Batterien verbannt er. Die Topmodels Claudia Schiffer, Heidi Klum und Gisele Bündchen können umso unbeschwerter von den Katalogen lächeln.

Im Oktober 2007 wechselt Michael Otto in den Aufsichtsrat des Konzern. Seither führt wieder ein familienfremder Manager das Unternehmen. Hans-Otto Schrader muss den Konzern nun durch die Rezession lotsen. Die ersten Warnungen kamen schon früh: „Die Kräfte, die unseren Wohlstand geschaffen haben, erlahmen. Die große Krise ist wahrscheinlich lebensnotwendig... Reichtum macht faul.“ Das prophezeite Werner Otto 1983.

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