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Air-France-Chef Gourgeon "Air France wird nie ein Billigflieger sein"

Air-France-KLM-Chef Pierre-Henri Gourgeon über Kontrollen für Treibstoffhändler, Streiks und den Kampf gegen Billigflieger.

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Pierre-Henri Gourgeon Quelle: Picture-Alliance/DPA

WirtschaftsWoche: Herr Gourgeon, in den vergangenen Wochen hat bei Air France-KLM, Lufthansa und anderen die Belegschaft gestreikt. Gefährdet das die Erholung der Branche?

Gourgeon: Das hat uns die Arbeit sicher nicht erleichtert. Aber die Streiks haben zumindest keiner der anderen Fluglinien einen Vorteil gebracht.

Warum eskalieren die Arbeitskämpfe jetzt bei so vielen Fluglinien?

Ich will die Lage bei unseren Konkurrenten nicht kommentieren. Aber die Fluglinien müssen sich in der Krise grundlegend verändern. Gegen Wettbewerber wie Billigflieger oder die Fluglinien vom Golf können wir nur bestehen, wenn wir produktiver werden, also mit weniger Mitarbeitern mehr Arbeit bewältigen.

In früheren Jahren hat Air France mehr Gewinn gemacht als Lufthansa. Im Geschäftsjahr 2009/10 könnten Sie gut eine Milliarde Euro verlieren, deutlich mehr als Lufthansa. Woran liegt das?

So schlimm, wie es scheint, sind unsere Zahlen nicht. Rein operativ steht unser Kerngeschäft Passagierverkehr gar nicht schlecht da. Hier haben wir wegen der Krise Verluste gemacht. Aber das Minus ist zu einem Großteil auf das Frachtgeschäft und die Absicherung der Treibstoffkosten zurückzuführen. Der Einbruch im Frachtgeschäft ist bei uns als größter europäischer Cargolinie größer als bei unseren Konkurrenten. Entscheidend sind auch die Kosten der Absicherung gegen steigende Treibstoffpreise. Diese Absicherung erweist sich heute als belastend, weil der Ölpreis stark gefallen ist, obwohl viele Experten einen weiteren Anstieg prophezeit hatten. Die Buchverluste aus diesen Geschäften müssen wir nun abschreiben. Das wird uns im laufenden Geschäftsjahr mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten. Im kommenden Geschäftsjahr ist es etwas weniger.

Lufthansa hat ähnliche Probleme, aber keine so hohen Wertberichtigungen.

Ich kommentiere die Lufthansa nicht. Sie hätte normalerweise wahrscheinlich ähnliche Probleme, doch ihre Sicherungsgeschäfte beim Öl liefen zum Teil über die US-Investmentbank Lehman Brothers. Aufgrund der Pleite von Lehman Brothers im September 2008 konnte Lufthansa diese Verträge rückgängig machen, ehe die Ölpreise fielen. Sie kann jetzt den Sprit zu Marktpreisen kaufen. Problematisch sind nicht nur die Treibstoffpreise, sondern vor allem deren Schwankungen. Im Moment zahlen wir für Flugbenzin im Jahr rund fünf Milliarden Euro – ein Viertel unseres Umsatzes, das heißt fast genauso viel wie für Gehälter. Wenn der Ölpreis innerhalb einer Woche um mehr als zehn Prozent schwankt, bedeutet das quasi über Nacht Mehrkosten von mehr als 500 Millionen Euro. Wie sollen Unternehmen da ein Budget erstellen und Investitionen oder Preise kalkulieren?

Preisschwankungen gehören zur Marktwirtschaft.

Diese nicht. Das ist reine Spekulation, die nicht durch realwirtschaftliche Faktoren gedeckt ist. Inzwischen wird auf den Märkten jeden Tag 40-mal mehr Öl gehandelt, als tatsächlich verbraucht wird. Das ist längst ein politisches Problem. Es bedroht alle Unternehmen, die auf Ölprodukte angewiesen sind, von Transportunternehmen bis zu Kunststoffherstellern.

Welche Lösung schwebt Ihnen denn vor?

In der EU-Kommission gibt es Ideen, dass jeder, der mit solchen Kontrakten handelt, auch einen gewissen Anteil eigenen Geldes einbringen oder zumindest ein Guthaben nachweisen muss und nicht ohne einen Cent Milliarden bewegen kann. Wir wollen Spekulation nicht unterbinden. Aber wenn uns die Finanzkrise etwas gelehrt hat, dann, dass sich der Papiermarkt nicht zu weit vom realen Markt entfernen darf. Sonst bedroht es Branchen wie die unsere und die ganze Volkswirtschaft, die sensibel auf Rohstoffpreise und besonders auf den Ölpreis reagiert.

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