Airlines Türken gefährden Lufthansa

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Entwicklung der Passagierzahlen Quelle: Unternehmen

Das überzeugte viele, nicht zuletzt Flugbegleiterinnen wie Sevim Inanir, die 1994 aus Deutschland nach Istanbul kam und Stewardess wurde. "Wir waren es leid, von Kollegen anderer Airlines gelegentlich mitleidig angesehen zu werden", erinnert sie sich mit einem hörbaren fränkischen Akzent an ihre damaligen Kollegen von Lufthansa oder Singapur Airlines. "Wir wussten, wir können genauso gut sein."

Wer trotzdem nicht mitzog, fiel am Ende kaum auf unter den Motivierten und Neulingen, die Turkish wegen des kräftigen Wachstums einstellte. "Wir haben nicht einfach Wände erneuert, sondern unser Haus um neue Trakte und Stockwerke erweitert", sagt Kotil gewohnt blumig.

Schlanke Strukturen für weniger Kosten

Mit Ehrgeiz, politischer Rückendeckung und den natürlichen Vorteilen der Türkei schuf Kotil ein eigenes Geschäftsmodell. Grundlage sind die niedrigen Kosten. Einen Passagier einen Kilometer weit zu fliegen kostet Turkish mit 5,6 Euro-Cent 60 Prozent weniger als die Lufthansa. Dafür sorgen niedrigere Löhne sowie schlanke Strukturen, dank denen auf einen Mitarbeiter im Durchschnitt rund ein Drittel mehr Passagiere kommen als bei Lufthansa. "Wir fliegen günstiger als Billigflieger wie Easyjet", zitiert Kotil interne Statistiken, die er als PowerPoint-Präsentation immer bei sich trägt.

Dass Turkish am Ende "eine Marge wie in Europa nur Ryanair" schafft, so die Investmentbank Morgan Stanley, liegt am Service. Laut Skytrax, dem wichtigsten Marktforscher der Flugbranche, ist er der beste in Europa und sogar besser als der von Emirates – aber relativ preiswert.

Heimatgefühl an Bord

Zwar ist der Sitzkomfort kaum anders als bei der Konkurrenz. Doch beim Essen punktet Turkish mit vier Gängen und der Wahl zwischen drei warmen Hauptgerichten in der Businessclass auf den gut zwei Stunden Flug zwischen Deutschland und Istanbul. "Der Unterschied zwischen einem Glas Wasser und einer echten Mahlzeit liegt bei weniger als drei Euro pro Passagier", sagt Caterer Dogudan, der die Betreuung an Bord organisiert. "Niemand wählt nur wegen des Essens eine Fluglinie, aber guter Service ist das billigste Differenzierungsmerkmal. Fluglinien, die auf höhere Kundenzufriedenheit Wert legen, gewinnen Marktanteile und sind langfristig auch kommerziell erfolgreicher."

Dazu hat Turkish einen natürlichen Vorteil dabei, Ausländern an Bord Heimatgefühl zu vermitteln. Wo etwa Emirates Personal aus aller Welt mühsam auf eine gemeinsame Kultur schulen muss, beschäftigt Turkish einfach Leute aus den türkischen Gemeinden in aller Welt und schult sie mit bis zu drei Wochen im Jahr doppelt so oft wie üblich in der Branche. Das überzeugt auch die Stammkundschaft europäischer Fluglinien wie Lufthansa. "Turkish Airlines ist aus unserem Geschäft nicht mehr wegzudenken", lobt etwa Daimler-Vorstand Andreas Renschler.

Dabei ist die Offensive erst am Anfang. Bislang wechselt nur jeder sechste der gut 30 Millionen Turkish-Kunden in Istanbul auf einen Auslandsflug. Doch in zehn Jahren soll die Hälfte der dann wahrscheinlich weit über 100 Millionen Kunden umsteigen. "Die Mehrheit sind zumindest potenzielle Kunden der großen Fluglinien in Europa und im Mittleren Osten", urteilt Fachmann Brützel.

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