
WirtschaftsWoche: Herr Harrison, vor gut zwei Jahren sind Sie als Neuling in die Flugbranche und an die Spitze von Easyjet gekommen. Was überraschte Sie am meisten?
Harrison: Ehrlich gesagt: Das Nebeneinander aus offenem Sozialismus wie bei der durch staatliche Hilfen gepäppelten Alitalia einerseits und unbändigem Kapitalismus wie bei uns und Ryanair auf der anderen Seite.
Und – was herrscht an Deutschlands Himmel? Freiheit oder Sozialismus?
Es gibt ein bisschen Wettbewerb und ein großes staatlich gefördertes Monopol. Lufthansa hat viel Macht und viel Geld und nutzt beides, um unliebsame Konkurrenten wie uns draußen zu halten.
Aber in fast keinem anderen Land gibt es mehr Billigflieger als in Deutschland.
Das täuscht. De facto gibt es doch nur zwei Blöcke. Lufthansa mit Germanwings und wohl bald TUIfly, sowie Air Berlin, bald verstärkt durch Condor. Und von den beiden hat allein Lufthansa dank des Langstreckengeschäfts eine Zukunft.
Moment – Germanwings und Air Berlin machen doch Gewinn.
Aber beide verdienen ihre Kapitalkosten nicht. Zudem ist Air Berlin zwar groß, doch nach all den ungeordneten Zukäufen kein Unternehmen, sondern eine Art Frankenstein, wo die einzelnen Teile nicht zu-einander passen. Die kämen wirklich in Lebensgefahr, wenn sie sich mit Lufthansa anlegen. So kann Lufthansa ihre Macht ausspielen. Und das sollte den Deutschen und ihrer Regierung zu denken geben. Deutschland braucht eine dritte Kraft.
Wir dachten, das wären längst Sie und Ryanair?
Eher nur wir. Ryanair ist für Lufthansa und Air Berlin nur ein sehr entfernter Wettbewerber. Die landen auf irgendwelchen abgelegenen Flughäfen. Wir hingegen gehen in die großen Airports und bieten besseren Service – und darum lässt man uns nicht nach Deutschland.
Aber Sie fliegen doch ab Berlin, München, Hamburg, Dortmund und Köln...
...schon, aber wir bekommen nicht genug Start- und Landezeiten, vor allem nicht zu den Hauptreisezeiten morgens und abends, wo unsere wichtigste Zielgruppe, die Geschäftsreisenden, fliegen will.
Und wer verhindert das?
Lufthansa stranguliert den Wettbewerb, indem sie uns ebenso wie Emirates aus Dubai und der Low-Cost-Langstreckenlinie Oasis aus Hongkong durch geschickte Lobbyarbeit, juristische Mittel und Sonderangebote den Zugang verwehrt.
Das klingt doch weniger nach einer Monopolverschwörung als nach Wettbewerb.
Das täuscht, Lufthansa blockiert die Kapazitäten der Flughäfen direkt oder über ihre Tochter Germanwings. Die ist letztlich eine Waffe gegen uns. Sie wird überall da aktiv, wo wir sind. Dann überschwemmen Lufthansa und Germanwings den Markt mit Tickets, die sie sich wegen ihrer hohen Kosten eigentlich nicht leisten können.
Aber Sie verkaufen Ihre Tickets sogar für 25 Euro. Damit verdienen Sie auch kein Geld.
Zunächst nicht. Aber am Ende macht bei uns fast jeder Flug Gewinn, wogegen Lufthansa ihren Europaverkehr aus der Langstrecke quersubventioniert.
Kaufen Sie doch Air Berlin. Die kosten rund 500 Millionen Euro und wäre für Sie der schnellste Weg zu genug Startzeiten in Deutschland.
Und der schnellste Weg ins Grab (lacht). Air Berlin muss nach all den Übernahmen gründlich restrukturiert werden. Das soll Joachim Hunold mal schön selbst machen. Eine Übernahme lenkt uns nur ab.
Erreichen Sie Ihre Ziele auch ohne den deutschen Markt?
Ja. Wenn man uns nicht reinlässt, wachsen wir erst mal in Frankreich, Spanien, Italien. Aber dann ist in ein paar Jahren Lufthansa mit ihren Töchtern so groß, dass sie den Markt abschotten kann. Hier müssen die Kartellbehörden gegensteuern, sonst habt ihr am Ende nur die Wahl zwischen dem Sumo-Ringer Lufthansa und dem schwächelnden Frankenstein Air Berlin.
Kerosin wurde seit Sommer ein Drittel teurer. Ryanair und British Airways haben Gewinnwarnungen abgegeben. Können Sie das kompensieren?
Das wird nicht leicht. Doch wir senken die Kosten neben dem Kerosin und haben den Ölpreis gut abgesichert. Trotzdem werden wir für Kerosin dieses Jahr etwa 125 Millionen Pfund mehr ausgeben als 2007, wenn der Preis auf dem derzeitigen Stand bleibt.
Erwarten Sie also keine Krise?
Schwächere Linien kommen sicher unter Druck. Beim aktuellen Ölpreis werden einige wohl den nächsten Winter nicht überstehen. Aber wir haben eine starke Bilanz, neue Flugzeuge und niedrigere Spritkosten
Aber Ryanair ist trotzdem rentabler als Easyjet.
Noch. Doch wir verkleinern die Lücke. In den vergangenen zwei Jahren sind unsere Gewinne jeweils um die Hälfte gewachsen.
Was halten Sie von Kooperationen wie die irische Aer Lingus und Jetblue aus den USA? Dann könnten Sie die Passagiere etwa von Oasis aus Hongkong in Europa weiterbefördern.
Was soll uns das bringen?
Sie würden mehr Tickets verkaufen.
Aber wir müssten uns nach jemand anderem richten. Das bedeutet Komplexität und mehr Kosten. Das wollen wir nicht.