Angebliche Lizenzverstöße Microsoft und Oracle nehmen Unternehmen in die Mangel

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Die Softwareanbieter bauen gefährliche Klauseln in ihre oft romandicken Verträge ein. So heißt es in den Wälzern des US-Anbieters Attachmate: Wenn der Kunde gegen eine Vertragsbedingung verstoße, könne der Lizenzgeber verlangen, dass er „alle Kopien der Software zerstört“. Um IT-Chefs zum Schwitzen zu bringen, reicht mitunter eine unbegründete Forderung: Allein die Möglichkeit, dass der Anbieter eine einstweilige Verfügung erwirkt, die die Nutzung verbietet, bedroht den Betrieb. Der Richter muss dafür die Gegenseite nicht anhören. „Zwei Drittel unserer Software sind für den Betriebsablauf notwendig. Wenn wir etwas davon nicht nutzen dürfen, kann das unsere Bänder stoppen“, berichtet Berger. Ein Luftfrachtunternehmen hatte vor einiger Zeit panisch alle Lizenzen für eine Software auf dem grauen Markt gekauft, die es bekam. Es wollte sich bei einer anstehenden Lizenzprüfung nicht mit zu wenig Rechten erwischen lassen.

Komplexe Verträge erschweren Überblick

Ein Grund, warum Unternehmen in die Fallen der Softwareanbieter tappen, sind die komplexen Verträge. „Ein normaler IT-Mitarbeiter versteht die nicht“, sagt IT-Berater Sauer. Dazu müsse man Jurist sein. Doch auch ein Jurist verstehe sie nur, wenn er IT-Spezialist sei. „Ich habe gerade einen Lizenzvertrag über drei Jahre unterschrieben, der ist 60 Seiten dick“, berichtet Lizenzmanager Berger. Die Papiere sind mitunter so vage formuliert, dass bei korrekter Interpretation selbst angeschlossene Drucker als Nutzer gelten – eine Praxis, die gut informierten Kreisen zufolge der US-Anbieter Citrix einsetzt. Ein Opfer: eine norddeutsche Bank. Citrix zufolge haben 98 Prozent der Citrix-Kunden Verträge, bei denen das nicht passieren kann. Wo es passiert sei, liege die Schuld beim Zwischenhändler, der die Lizenzen verkauft und nicht korrekt beraten habe.

Auch ändern einige Anbieter ihre Lizenzbestimmungen bis zu dreimal im Jahr. „Wir haben eigens jemanden, der im Internet recherchiert, wo sich die Bedingungen gerade geändert haben“, berichtet ein Konzern. Auf eine Mitteilung an Kunden verzichten viele Anbieter. Würde es nicht um Unternehmen, sondern Verbraucher gehen, wären die Verträge meist sittenwidrig, sagt Sauer.

Abschlagszahlungen an der Tagesordnung

„Die Hälfte unserer Fälle endet mit einer Abschlagszahlung, weil nicht nachweisbar ist, ob wir zu wenige Lizenzen haben oder nicht“, sagt Lizenzmanager Berger. Zu vage sei der Vertrag formuliert. Die andere Hälfte sei entweder klar unberechtigt oder berechtigt. Wagner, der Lizenzchef des süddeutschen Konzerns, sagt: „Am Ende einigen wir uns auf einen Mix, kaufen neue Produkte, verlängern Wartungsverträge.“ Wer Lizenzen nachkauft, zahlt oft einen Strafaufschlag. Berappen Firmen meist 40 bis 60 Prozent vom Listenpreis, sind es dann 160 bis 180 Prozent. Dennoch ist die Summe kleiner als die aus der Drohkulisse.

Hier und da schlagen Unternehmen aber auch mal zurück. Der Softwarechef eines deutschen Finanzriesen berichtet, er habe vor einiger Zeit einen wichtigen Lieferanten ausgetauscht, weil der seine Machtposition zu sehr überschätzt hatte: „Der hat gedacht, er sei so tief bei uns im System, dass wir ohne ihn nicht können.“ Er hatte sich geirrt, auch wenn das den Kunden einige Millionen Euro gekostet hat. Solche harten Schritte aber sind selten: Eine Datenbank zur Planung der Unternehmensressourcen, wie sie Oracle und SAP anbieten, könne man nicht so einfach wechseln, sagt IT-Experte Sauer. „Die ist so komplex, das verschlingt astronomische Summen.“ Lizenzmanager Wagner: „In der jetzigen gesamtwirtschaftlichen Lage kommt uns das alles sehr ungelegen.“

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