Anwälte Kämpfer für Kleinanleger

Telekom-Prozess, Schrottimmobilien, Filmfonds: In Sachen Anlegerschutz liegt in Deutschland vieles im Argen. Zehn führende Anwälte im Kurzporträt.

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Telekom-Prozess: Rechtsanwalt Quelle: dpa

Der Großteil der rund 17.000 Kläger im Telekom-Verfahren hätte wohl längst resigniert, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) nicht die Rechtsschutzversicherungen zur Zahlung der Kosten verdonnert hätte. Ein Tiefschlag war die Verlautbarung des Frankfurter Richters zum Prozessauftakt, dass er an der umstrittenen Immobilienbewertung der Telekom wenig auszusetzen habe. Doch noch ist längst nicht alles verloren: Wenn die Richter einen wesentlichen Fehler im Börsenprospekt bei einer anderen Frage, zum Beispiel dem Voicestream-Kauf durch die Telekom feststellen, könnten Anleger dennoch entschädigt werden – selbst wenn sie nur wegen der Immobilien geklagt haben. Ist der Prospekt falsch, ist nicht mehr relevant, welchen der 187 Streitpunkte ein Kläger geltend gemacht hat.

Wer als Kapitalanleger in Deutschland auf fehlerhafte Prospekte, falsche Ad-hoc-Mitteilungen oder kriminelle Fondsinitiatoren hereinfällt, braucht einen extrem langen Atem, bis ihm der Schaden ersetzt wird. Vor allem aber braucht er einen guten Anwalt, der die Materie nicht nur juristisch beherrscht, sondern auch wirtschaftlichen Sachverstand besitzt. Die an dieser Stelle vorgestellten Anwälte haben diesen schon häufig bewiesen. Ebenfalls wichtig: Ein Anwalt muss Mut haben, gegen die vorzugehen, die Anlegern mit unhaltbaren Versprechungen über steigende Aktien, sichere Renditen und werthaltige Immobilien Geld aus der Tasche ziehen. Und er zeichnet sich dadurch aus, dass er Mandanten reinen Wein über Erfolgsaussichten einschenkt.

Der Marktführer: Andreas Tilp

Der Schwabe ist mit über 50 erstrittenen BGH-Entscheidungen die Nummer eins unter den Kapitalanlagerechtlern. Ob Bank- und Börsenrecht oder Ärger mit der Versicherung, Tilp ist vorn. Auch in eigener Sache: Er setzte durch, dass Anwälte auf ihren Web-Seiten mit „Gegnerlisten“ werben können. Beim BGH sorgte er dafür, dass Fondsgesellschaften Rückzahlungsgeschäfte zu ihren Gunsten, sogenannte Kickbacks, offenlegen und Banken für verheimlichte Kick-backs haften müssen.

Mal bekam der frühere EM.TV-Chef eins aufs Haupt (OLG München), mal der Ex-Comroad-Boss. Tilp steht auch beim Telekom-Prozess an der Spitze. Als Nächstes will er in der Zertifikate-Branche für Transparenz sorgen. Aber Tilp vertritt auch die Großen. In den USA ficht seine Tilp Pllc in Einzel- und Sammelklagen für europäische Versicherungen und Fonds. Gesamter Streitwert: mehr als 15 Milliarden Dollar.

Der Schlagkräftige: Klaus Rotter

Im Jahre 1999 meldete die am Neuen Markt notierte Infomatec einen Großauftrag über 55 Millionen Euro. Kurz danach wurde der Auftrag storniert; bitter für das Unternehmen, noch bitterer für Aktionäre, die deshalb gekauft hatten. Im Juli 2004 entschied der BGH, dass Vorstände für Fehlinformationen dieser Art haften. „Damit hatten wir endlich durchgesetzt, dass die Anleger sich bei falschen Ad-hoc-Informationen den Schaden ersetzen lassen können“, berichtet Rotter.

Der Spezialist für Prospekthaftung und fehlerhafte Kapitalmarktinformationen erzielte Erfolge gegen die einstigen Neuen-Markt-Werte Team Communication und Intershop und vertritt im aktuellen Verfahren 200 Telekom-Aktionäre. Im Prozess gegen Daimler wurde ein Mandant Rotters als Musterkläger ausgewählt; es geht um die Frage, ob der Konzern den Rücktritt von Ex-Chef Jürgen Schrempp 2005 rechtzeitig gemeldet hat. Das OLG Stuttgart hatte die Klage abgewiesen, doch der BGH hob das Urteil vor einigen Wochen auf.

Der Ritterliche: Eberhard Ahr

Der Bremer Anwalt und Notar wurde zum Verbraucherschützer und Experten für Schrottimmobilien, „weil immer mehr Klienten Probleme bekamen“. Er berät Geschädigte für die Verbraucherzentrale Bremen und sorgte mit Verfahren bis hin zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) – gegen die Crailsheimer Volksbank – dafür, „dass die Rechtsprechung für den Verbraucher verbessert wurde“.

Besonders freute es ihn, als im Verfahren um die Dreiländerfonds das Kammergericht Berlin das Vorgehen der Berliner Bank und des Finanzdienstleisters AWD monierte. Dies habe seinem Mandanten „einen guten Vergleich“ gebracht, berichtet Ahr. Der Jurist sieht am Kapitalmarkt „ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen geschulten Anbietern, Banken und Vertrieben auf der einen und unerfahrenen Verbrauchern auf der anderen Seite“. Es gäbe zwar zahlreiche Gesetze, doch immer wieder sei „der Betroffene in der Beweispflicht, obgleich er von der Materie meist nur wenig versteht“.

Der Mann für große Fälle: Thomas Heidel

Im vergangenen Jahr ging beim Landgericht München eine ganz besondere Klage ein: Nach der Übernahme durch die Bank UniCredit forderten die letzten verbliebenen freien Aktionäre der HVB die neue Konzernmutter zur Rückabwicklung auf. Bereite diese Probleme, könne sich UniCredit mit einer Schadensersatzzahlung von mindestens 13 Milliarden Euro behelfen. Eingereicht hat die Klage der Bonner Anwalt Thomas Heidel. Von der Hauptversammlung der HVB zum „besonderen Vertreter“ gekürt, sollte er für die freien Aktionäre den durch die Abgabe der Bank Austria entstandenen Substanzverlust minimieren. Heidel vertritt Kläger und Beklagte gleichermaßen: „Aus Prinzip, weil man beide Seiten kennen muss.“ So schützte er einmal den Bund – als Hauptaktionär der Telekom – vor der Haftungsklage eines Telekom-Aktionärs. Ein anderes Mal stand er dem US-Investor Guy Wyser-Pratte bei, der den Babcock-Dschungel lichten wollte.

Der Rechner: Peter Dreier

Am Landgericht Köln ficht Peter Dreier für ehemalige T-Online-Aktionäre. Die wurden bei der Verschmelzung auf die Telekom-Mutter mit 8,99 Euro je Aktie abgefunden (Squeeze-Out). Vor Kurzem schlug der Richter dem Bonner Konzern vor, mit einem Nachschlag von 5,25 Euro je Aktie das Verfahren zu beenden. Sein Kompromiss fand keine Gegenliebe. Kein Wunder, er hätte die Telekom mehr als 600 Millionen Euro gekostet. „Ich vertrete zwar nur einen Teil der Aktionäre, aber am Schluss erhalten alle mehr“, erklärt Dreier. Der zähe Düsseldorfer streitet auch für ehemalige Minderheitsaktionäre von Schering, Vattenfall Europe und Degussa um Korrekturen nach dem Squeeze-Out.

Der Findige, Hartmut Göddecke

Leichtfertige Vermögensverwalter bringt Göddecke zur Räson. Die MWB Mittelstandsberatung, die in der Schweiz residierte, zerrte er vor das OLG Dresden. „Die Richter wendeten deutsches Recht an, das Kölner OLG schloss sich später der Auffassung an“, berichtet der Siegburger. Stolz ist er auch auf sein letztinstanzliches „Poststempel- Urteil“, das den Widerruf leichtfertig abgeschlossener Geldanlagen erleichtert. Für ihn klaffen im deutschen Recht noch viele Lücken. Solche „selbstgestrickten und unseriösen Angebote“ wie im Bereich der Geldanlagen seien bei anderen Produkten undenkbar.

Der Profi: Klaus Nieding

Nieding baute in den vergangenen zwölf Jahren eine der Top-Kanzleien für alle Belange der Kapitalanleger auf. Der Landesgeschäftsführer der Aktionärs-Schutzvereinigung DSW ist Primus, wenn es um börsennotierte Gesellschaften und das Geschehen auf den Hauptversammlungen geht. Vor dem BGH erzielte er über 30 Siege und sorgte so für eine Verschärfung der Prospekthaftung. Seine größten Erfolgen verbuchte er im Streit mit der Bank Julius Bär um Schadensersatz aus den berüchtigten Ochner-Fonds und im Spruchverfahren in Sachen Massa AG. Nieding führt auch eines der mit einem Streitwert von zwölf Milliarden Dollar zurzeit größten Verfahren: Er vertritt das texanische Gas- und Ölförderunternehmen Moncrief gegen BASF, E.On und Gazprom. Ihn stört, wie die Banken-Lobby immer wieder anlegerfreundliche Reformen verhindert: Bereits unter Schröder habe es einen Gesetzesentwurf gegeben, „mit dem wir Vorstände und Aufsichtsräte endlich in die Haftung bekommen hätten“. Nach der Wahl wanderte der Entwurf in den Papierkorb.

Der Kämpfer: Dietmar Kälberer

Der Münchner gilt als verbissener Streiter für Zeichner von Medienfonds. Er vertritt den Musterkläger im Verfahren zum Fonds VIP 3, wo es nach einem vorläufigen Sieg gegen die Dresdner Bank in diesen Tagen vor das Oberlandesgericht geht. Beim VIP 3 fordern knapp 5000 Anleger 235 Millionen Euro zurück, beim VIP 4 verloren rund 7500 Anleger 398 Millionen. Ob bei der Göttinger Gruppe oder dem von Promis heftig beworbenen MSF-Fonds, Kälberer beherrscht die Gesetzeslage und gräbt sich tief in Fondsprodukte ein. Sein Resümee: „Deutschland ist ein Paradies für unseriöse Initiatoren. Der Gesetzgeber schläft seit 20 Jahren.“

Der alte Kämpe: Hans Norbert Götz

Da, wo heiße Schlachten zu schlagen sind, fühlt sich der versierte Aktienrechtler am wohlsten. So kämpft er für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger gegen Ferdinand Piëch als MAN-Aufsichtsrat, weil Piëch – im Widerspruch zu den Richtlinien des deutschen Corporate Governance Kodex – bei den Konkurrenten VW und MAN gleichzeitig die Aufsicht führt. Beim LG München blitzte er ab, jetzt zieht er vor das OLG. Im Jahr 1999 setzte er beim Verfassungsgericht durch, dass bei der Bewertung von Unternehmen deren Aktienkurse grundsätzlich die Untergrenze bilden – ein wichtiges Urteil für Abfindungen von Kleinaktionären.

Der Jäger: Peter Mattil

Recht haben und recht bekommen ist schön, aber wer ersetzt den Schaden? Anwalt Peter Mattil ließ bei den Betreibern des Anlagemodells EACC Liechtensteiner Konten beschlagnahmen, bei anderen Anbietern fand er Vermögen in der Schweiz und in London. „Obgleich nach englischem Recht die Initiatoren nicht zu packen gewesen wären“, freut sich Mattil. Der Jurist verwies auf die europäische Rechtslage – und sicherte seinem Mandanten 60 Prozent der Schadenssumme. Ein weiterer Erfolg, auf den er gerne zurückblickt: Nach dem Auffliegen der Betrugsgesellschaft Aufina Holding AG zwang Mattil zwei Ex-Aufsichtsräte in die Haftung – erstmals, denn bis dahin kamen lasche Aufseher stets ungeschoren davon.

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