Apple Das iPad ist der "heilige Gral der Pornoindustrie"

Es ist eine der erfolgreichsten Produkteinführungen der Wirtschaftsgeschichte: Nur drei Monate nach dem Start des iPads hat sich Apples Mini-Computer bereits zur Geldmaschine für den Kultkonzern entwickelt. Doch auch andere wollen sich den Hype um das Gerät zunutze machen. Schon heute ist einer der größten Profiteure des Booms eine Branche, die Firmengründer Steve Jobs eigentlich auf den Index gesetzt hat.

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Ein Mann vor einem Apple-Logo Quelle: REUTERS

Für Apple ist es ein Triumph: Die Einführung des iPads ist eine der erfolgreichsten Produkteinführungen der Moderne. Rund 3,27 Millionen Stück verkaufte Apple von dem Mini-PC in nur einem Quartal. Laut Vorstand Tim Cook kann der Konzern nicht annähernd so viel produzieren, wie nachgefragt wird: "Jedes Stück, das wir bekommen, wird sofort verkauft", sagte er am Stammsitz in Cupertino.

Ähnlich erfolgreich war zuletzt nur Nintendo mit seiner Spielekonsole Wii, die Ende 2006 den Einzelhändlern in ihren ersten fünf Monaten gut 5,8 Millionen Mal aus den Händen gerissen wurde. Sonys erste Playstation brauchte noch 14 Monate, um die Drei-Millionen-Marke zu knacken; Computer-Urvater Commodore 64 benötigte dafür fast zwei Jahre.

Die Wii und das iPad haben viele Gemeinsamkeiten: Sie revolutionierten - jedes Produkt auf seine Art - eine bestehende Geräteklasse. Bei Spielekonsolen geht heute nichts mehr ohne Bewegungssteuerung, im mobilen Computing kaum noch etwas ohne den Touchscreen, also den Bildschirm, der sich durch Berührung steuern lässt. "Die Form der Nutzung, die das iPad bietet, wird eine ganz neue Generation von Geräten erschaffen", prophezeit Nikolaus Mohr von der Beratungsfirma Accenture.

Vom iPad zum Porn-Pad

Doch der Erfolg hatte eine Schattenseite, denn ein großer Wunsch des Firmengründers Steve Jobs ging nicht in Erfüllung. "Niemals soll ein Pornostreifen auf meinen Geräten laufen", hatte er sich und seiner Gemeinde geschworen. Daraus wird nichts. Keine andere Branche profitiert so massiv von der schnellen Verbreitung des iPads.

"Das iPad ist definitiv der heilige Gral der Pornoindustrie", schwärmt der Gründer des Erotikunternehmens Digital Playground, mit 100 Mio. Dollar Umsatz einer der ganz Großen im Land. "Ich habe meinen Augen nicht getraut, als wir nach dem Startwochenende des iPads unsere Serverstatistiken ausgelesen haben", sagt der Absolvent der kalifornischen Filmhochschule in Los Angeles, Künstlername "Joone". Aus dem Stand zwanzig Prozent mehr Besucher der Webseite und ein Plus von 30 Prozent bei den Anmeldungen zur kostenpflichtigen Video-Download-Plattform waren das Ergebnis. Die Branche spricht denn auch vom Porn-Pad.

Der Überraschungserfolg des iPads half mit, Apple ein Rekordquartal zu bescheren. Allein das iPad - mit dem sich Videos sehen, Spiele spielen und Nachrichten abrufen lassen - sorgte für 2,1 Mrd. Dollar Umsatz. Damit kamen im abgelaufenen Quartal rund 13 Prozent des Gesamtumsatzes aus einem Produkt, das im März nur als Prototyp existierte. Eine so hohe Geschwindigkeit zwischen Idee und Verkaufserfolg ist nie zuvor gemessen worden. Analysten erwarten, dass bis Jahresende mindestens sieben Millionen iPads weltweit in Wohnzimmern und Büros im Einsatz sind.

Verleger geben sich die Klinke in die Hand

Die Konkurrenz ist traumatisiert. PC-Gigant Hewlett-Packard (HP) stoppte die Entwicklung eines fast fertigen Konkurrenzprodukts auf Basis von Microsoft Windows und übernahm den Smartphone-Pionier Palm für mehr als eine Mrd. Dollar. Das Objekt der Begierde: das Palm-Betriebssystem. Damit will HP schleunigst einen iPad-Klon auf den Markt bringen.

Microsoft beerdigte ebenfalls ein Tablet-Projekt und tauschte Anfang Juni die Führungsriege der Spiele- und Smartphone-Sparte aus. PC-Hersteller wie Acer oder Asus wollen Weihnachten mit Tablets auf Basis von Googles Erfolgssystem "Android" kontern.

Die Porno-Industrie ist nicht die einzige, die den Boom für sich nutzen wollen. Auch große Teile der Medienindustrie setzen auf den Flachrechner aus Kalifornien. "Verleger geben sich hier die Klinke in die Hand", sagt ein Apple-Insider. "Alle wollen wissen, was sie denn nun machen sollen." US-Konzerne wie News Corp ("Wall Street Journal") haben längst - zusammen mit ihren Werbekunden - iPad-Anwendungen entwickelt, die mehr sind als ein Digitalabklatsch der Printausgaben. Modemagazine wie die "Vogue" sind ebenso dabei wie die Technologiebibel des Silicon Valleys, "Wired".

iPad: Attraktiv für Quelle: APN

Das iPad ist das jüngste Symbol für Apples dauerhafte Erfolgsstrategie. Mit einem kreativen Kraftakt entwickelte Jobs das Unternehmen seit 1997 vom Pleitekandidaten zum nach Exxon zweitwertvollsten Börsenwert der USA. Apples aktuelle Marktkapitalisierung liegt bei 235 Mrd. Dollar - das sind zwölf Milliarden Dollar mehr, als Konkurrent Microsoft ausweist.

Jobs räumte radikal mit der Vergangenheit auf. Von den 15,7 Mrd. Dollar Umsatz im abgelaufenen Quartal wurden alleine rund 7,4 Mrd. Dollar mit iPad und iPhone umgesetzt, mit Hardware also, die es vor 2007 noch gar nicht bei Apple gegeben hat. Nimmt man den Musikspieler iPod dazu, erzielt Apple schon mehr als 50 Prozent des Umsatzes mit Produktsparten, die jünger sind als zehn Jahre. Das ist selbst in der schnelllebigen Informationstechnologie ein ungewöhnlich hoher Wert.

Nikolaus Mohr, Medienexperte bei der internationalen Beratungsfirma Accenture, sagte dem Handelsblatt: "Die neue Nutzungsart des iPads wird Trends setzen und die Industrie verändern. Wir leben noch im Maus-Zeitalter, aber sind schon fast im Touch-Zeitalter angekommen." Bei Berichten von der Fußball-WM beispielsweise zogen Fernseh-Moderatoren wie Gerhard Delling mit einem Fingerwisch Spielszenen auf einen Bildschirm.

Weiter Weg zum Massenmarkt

Auf der anderen Seite, so Mohr, müsse man aber auch sehen, dass es noch ein weiter Weg sei, bis das iPad wirklich im Massenmarkt angekommen sein wird. Viel hänge nun davon ab, ob Unternehmen und Softwareentwickler die Chancen des Geräts erkennen und nutzen könnten.

Immerhin: Zahlreiche Firmen ahnen zumindest, dass sich hier ein neues Potenzial eröffnet. "Völlig überrascht", so Apple-Vorstand Tim Cook in einem Analysten-Gespräch, "haben wir festgestellt, dass innerhalb von 90 Tagen bereits 50 Prozent der 100 größten Unternehmen in den USA mit dem iPad arbeiten oder Applikationen für das iPad entwickeln."

Doch wird sich der Einsatz der Unternehmen am Ende auch wirklich auszahlen? Das hängt vor allem davon ab, in welchen Märkten und Zielgruppen sich das iPad etablieren wird und wofür es verwendet wird.

Der Web-Gigant Yahoo, mit 500 Mio. Nutzern pro Monat neben Google, Microsoft und Facebook eine der größten Webseiten der Welt, ist diesen Fragen bereits nachgegangen. Für Yahoo, zugleich auch eine der größten Online-Werbefirmen der Welt, ist es entscheidend zu wissen, wer die Yahoo-Apps nutzt oder über den Web-Browser aufruft.

Zugriffszahlen versiebenfacht

Waren direkt nach dem Verkaufsstart - am ersten Tag wurden 300 000 iPads verkauft - die Besucher der Yahoo-Webseiten noch zu 34 Prozent weiblich, stieg ihr Anteil Anfang Juli bereits auf 39 Prozent. Gleichzeitig hatten sich die Zugriffszahlen versiebenfacht. Über 13 Prozent der iPad-Besucher waren älter als 55 Jahre - äußerst ungewöhnlich für ein exponiertes High-Tech-Produkt bereits in der Anfangszeit der Vermarktung. Die größte Verbreitung hatte das iPad bei den kaufkräftigen 35- bis 44-Jährigen.

Überwog in den ersten Tagen noch die Nutzung mehr technologiebezogener Seiten, lagen im Juli bereits Angebote wie Shopping, Yahoo-Finance, Reiseseiten und vor allem das Fotoportal Flickr ganz vorn. Das iPad ist eine Medienkonsum-Maschine - ideal für das schnelle Surfen auf der Wohnzimmercouch.

Bleibt die Frage, ob Apple Angst hat, am eigenen Erfolg zu ersticken. Denn womöglich wird das iPad mit einem Durchschnittspreis von 640 Dollar andere Apple-Produkte wie teure Laptops oder iMacs ersetzen. "Diese Frage kann man jetzt noch nicht beantworten", meint Apple-Manager Cook. Aber selbst wenn dem so sei: "Sollte das iPad den PC-Markt kannibalisieren, ist es gut, dass wir hier nur einen kleinen Marktanteil haben."

Das neue iPhone 4G

Wie Konzerne die neue Technologie nutzen:

Verlage: Die Verlage sehen in dem iPad die Chance, endlich auch für digitale Inhalte Geld zu verlangen. Bislang sind die meisten Artikel im Internet kostenlos. Fast alle großen Verlagshäuser planen oder haben bereits eigene, kostenpflichtige iPad-Angebote - von Dumont über Burda bis zur Verlagsgruppe Handelsblatt.

Zu den Pionieren gehört der Springer-Verlag. Er hat bereits drei iPad-Angebote auf dem Markt - darunter eine Version der Tageszeitung "Die Welt", die nach einem kostenlosen Testangebot zwölf Euro im Monat kostet. Die iPhone-Apps von "Bild" und "Welt" wurden bislang mehr als 200 000 Mal verkauft und heruntergeladen. Auch der Spiegel hat bereits eine iPad-Ausgabe im Angebot. Sie kostet, wie das gedruckte Magazin, 3,80 Euro.

Über die Applikation iKiosk können iPad-Nutzer auf die digitalen Ausgaben diverser Zeitschriften zugreifen. Nach einer kostenlosen Einführungsphase können sie zwischen verschiedenen Abo-Modellen wählen.

Gruner + Jahr hat bislang nur für seine Zeitschrift "Geo" ein iPad-Angebot auf dem Markt. Das umfasst drei ausgewählte Reportagen der englischsprachigen Ausgabe und kostet 2,39 Euro. Das Hamburger Verlagshaus plant aber weitere Ausgaben anderer Titel - allesamt kostenpflichtig.

Buchverlage können über den iBook-Store ihre Bücher vertreiben.

Automobil- und die Bankbranche im Visier

Telekom: Die Telekom vertreibt zwar das iPhone, nicht aber das iPad. Dennoch bastelt die Großkundensparte T-Systems an Anwendungen, mit denen sie ihren Unternehmenskunden mit Hilfe des iPads die Arbeit erleichtert. Im Visier hat T-Systems die Automobil- und die Bankbranche. Denkbar wäre zum Beispiel, dass der Außendienstmitarbeiter einer Bank demnächst ohne Aktenkoffer zum Kunden fährt, weil er die nötigen Unterlagen auf dem iPad präsentieren kann.

Gesamte Verkaufskette digitalisieren

Autobauer: Mercedes prüft, Verkäufer in Autohäusern mit iPads auszustatten. So sollen sich Kreditkonditionen und andere wichtige Informationen beim Autokauf direkt einsehen lassen, ohne dass Kunde und Verkäufer erst in ein Büro müssen. In den USA wird erwogen, 350 Verkaufsstellen mit iPads auszustatten, für Deutschland gibt es noch keine weiteren Informationen.

Auch Volkswagen nutzt iPhone-Apps, um neue Fahrzeuge zu präsentieren. Jüngstes Beispizel ist die Neuauflage des Geländewagens Touareg. Vertriebsvorstand Christian Klingler will die gesamte Verkaufskette digitalisieren und dazu verstärkt Apps und Social-Media-Plattformen wie Facebook einsetzen. Zudem testet Volkswagen Apps auf dem iPhone, um etwa die Temperatur im Auto aus der Ferne steuern zu können.

BMW hat eine komplette Aktionsseite für das iPad angekündigt. Zudem ließ der Münchener Automobilhersteller bereits sein Kundenmagazin für das iPad adaptieren.

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