Aquafarming Fatale Lust auf Shrimps

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Eine gute Alternative zum Reisanbau

Eine Shrimps-Farm in Quelle: AP

Auf Hainan, der südlichsten Insel Chinas, bedecken die rechteckigen Teiche der Garnelenfarmen riesige Gebiete an der Nord- und Westküste. Bauer Cai Huaguang macht gute Umsätze: Mit jedem seiner Viertel-Hektar-Teiche verdient er bis zu 7000 Euro im Jahr; vorausgesetzt seine Shrimps bleiben gesund. Cai kauft die Jung-Garnelen von einem der zahlreichen Anbieter auf der Insel oder importiert sie direkt aus Thailand. In seinen Brackwasserteichen brauchen die millimetergroßen Kleinkrebse rund 90 Tage, bevor sie eine marktfähige Größe von 7 bis 12 Zentimetern erreichen.

Die Zucht sei eine gute Alternative zum früheren Reisanbau, sagt er und schüttet Arzneimittel aus einem weißen Plastikbehälter in die Brühe: "Das Wichtigste ist", erklärt er, "dass die Tiere nicht krank werden."

Von negativen Folgen der chemischen Futterzusätze für die Konsumenten habe er noch nichts gehört, behauptet Cai. Doch er wird bei dem Thema einsilbig. "Wir essen seit Jahren unsere Shrimps und sind nie krank geworden", sagt er und wechselt das Thema. Exportiert er auch nach Deutschland? "Das weiß ich nicht", sagt er, "ich verkaufe an einen Händler." Wenn er für den Export produzierte, wüsste er das aber, denn die Auflagen seien streng.

Deutschland importiert aus China derzeit etwa nur 400 Tonnen im Jahr. Gemessen an den rund 56.000 Tonnen, die jährlich eingeführt werden, ist das wenig.

Mit anderen Ländern sind die Chinesen besser im Geschäft. Als nach der Ölpest im Golf von Mexiko die Nachfrage sprunghaft stieg, weil der Ölteppich die amerikanische Shrimpsfischerei lahmgelegt hatte, reagierten die chinesischen Bauern prompt. Rasch legten sie neue Teiche an, von denen viele aus Flüssen gespeist werden. Aber sind die nicht sehr verschmutzt? »Das ist nicht so schlimm. Die Futterzusätze halten die Shrimps gesund«, sagt Bauer Cai.

Die Aquakultur ist alt. Der Industriezweig entstand bereits in den 1930er Jahren, nachdem es gelungen war, Shrimpslarven unter Laborbedingungen zu einer wirtschaftlich interessanten Größe zu züchten. Inzwischen stammen 3,4 Millionen Tonnen Garnelen aus der Aquakultur. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Aufkommen damit verdreifacht.

Insgesamt werden Garnelen in fast 50 Staaten gefarmt, wie Manfred Klinkhardt in seinem Jahrbuch Aquakultur festhält. Der Biologe verfolgt die Entwicklung seit vielen Jahren und weiß, wie unterschiedlich die Bedingungen sind: "Während die Produktion in einigen Ländern kaum über den Amateurstatus hinausgekommen ist, wird sie andernorts überaus professionell betrieben."

Klinkhardt schätzt, dass es weltweit drei- bis vierhunderttausend Shrimpsfarmen gibt. Diese Vielfalt sorge zwar für eine relative Stabilität der Produktion, sei aber nur sehr schwer zu kontrollieren. "Während Management und Personal der großen Farmen meist gut ausgebildet sind und Regelungen gut umsetzen können, sind viele der kleinen Farmer oft unzureichend geschult."

Das ist recht vorsichtig formuliert. Die Umweltorganisation Greenpeace redet von "verheerenden Auswirkungen der industriellen Shrimps-Aquakultur". Mangrovenwälder wurden abgeholzt, Kilometer um Kilometer. Zum Teil heute noch. Denn die Teiche sind wegen der Verschmutzung oft nur wenige Jahre in Betrieb. Es werden also immer neue angelegt. Mangrovenwälder sind aber die Kinderstube für viele Fische und anderes Meeresgetier.

Immer, wenn ein Stück dieses Ökosystems geopfert wird, leiden auch die Menschen. Das ausgeprägte Wurzelsystem der Mangroven schützt das Hinterland vor Überschwemmung und Versalzung. Ausgerechnet in Zeiten der Klimakatastrophe fehlt in den abgeholzten Küstenstreifen also der Schutz vor der nächsten Flut. Auch wenn detaillierte Erhebungen fehlen, bezweifelt niemand, dass die Aquakultur den Mangrovenwäldern heftig zugesetzt hat. Insgesamt, so die Welternährungsorganisation FAO, gingen seit 1980 etwa 20 Prozent aller Mangrovenwälder verloren.

In manchen Regionen kam es regelrecht zum Kahlschlag. Allein in einer Provinz Vietnams, das Land gehört weltweit zu den fünf größten Produzenten von gezüchteten Shrimps, soll der Mangrovenwald in der Zeit zwischen 1975 und 2000 auf 30 Prozent geschrumpft sein. Und damit, folgert Greenpeace, seien eben nicht nur Küstenfeuchtgebiete zerstört worden, "sondern auch die Existenzgrundlage vieler Menschen, die dort leben". Kleinbauern und Fischer mussten weichen. Auf den Farmen aber wurden nur wenige Arbeitskräfte gebraucht. Landflucht und Arbeitslosigkeit folgten.

Der globale Hunger auf Shrimps treibt die Produzenten zu Höchstleistungen an. Doch ähnlich wie die Massentierhalter von Schweinen und Geflügel machten auch die Shrimpszüchter ihre Erfahrungen: Sie waren bitter. Krankheiten und Seuchen führten in manchen Fällen zu Totalverlusten; Shrimpsfarmen in Lateinamerika und Asien erlitten Milliardenschäden. "Gefürchtet sind vor allem die beiden Erreger White Spot und Taura, auf deren Konto weltweit die größten Verluste gehen", sagt der Aquakultur-Experte Klinkhardt.

Aus Angst um ihre Bestände setzen viele Farmer bis heute auf Chemie. Sie greifen zu Herbiziden, Pestiziden und Arzneimitteln. Und wenn die Fäkalien der Garnelen und die verrottenden Futterreste das Wasser wegen mangelnder Pflege der Becken verunreinigen, kommen auch Desinfektionsmittel zum Einsatz.

Ins Visier der Kontrolleure gerieten Shrimps allerdings vor allem durch einen Stoff: Chloramphenicol. Mit dem Breitbandantibiotikum waren manche Farmer so großzügig umgegangen, dass es 2002 zum Skandal kam. Inspekteure der EU hatten das Medikament in Shrimps aus China entdeckt.

Bei Menschen wird es in nur in sehr schweren Fällen eingesetzt. Die Anwendung bei Tieren für die Lebensmittelproduktion war auch damals schon in der EU strikt verboten. So kam es zum Importstopp aus China; und die Ware aus anderen Regionen wurde noch schärfer als zuvor überwacht. "Leider gilt der Missbrauch von Antibiotika in etlichen Ländern noch immer als Kavaliersdelikt", sagt Klinkhardt. Und manchmal kommen noch andere Probleme hinzu.

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