Arbeitsmarkt Krise ist für die Zeitarbeit nur Zwischentief

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Spicer-Chef Schäfer: Ein Viertel der Belegschaft hatte 2008 flexible Arbeitsverhältnisse - nach der Krise soll der Anteil auf 40 Prozent steigen Quelle: Ingo Rappers für WirtschaftsWoche

Die Kosten teilen sich die beiden Unternehmen. „Wenn die Leute fertig sind in zwei Jahren“, sagt Schäfer, „werden wir froh sein, dass wir sie haben.“ Birkner garantiert ihnen nach der Lehre Zeitarbeitsjobs für ein Jahr. Zwei der heutigen Azubis, erzählt Birkner, waren „Jungs ohne echte Chance am Arbeitsmarkt“. Die hat er befristet eingestellt und sie zunächst als Ungelernte für Hilfstätigkeiten bei Spicer arbeiten lassen. „Das haben die gut gemacht“, sagt Birkner, „die haben sich bewährt. Deshalb haben wir ihnen Ausbildungsplätze angeboten.“

Dass sie nicht nur heuert und feuert, darauf legt die Branche großen Wert, hat aber Schwierigkeiten, ihr mieses Image loszuwerden. Der Ruf der Zeit-Arbeitgeber ist traditionell schlecht. „Leiharbeit ist keine sichere Arbeit“, ist nur einer von zehn Grundvorbehalten, die der DGB gegenüber der gewerbsmäßigen Arbeitskräfteüberlassung postuliert.

Skandale und Enthüllungen tun ihr Übriges. 2008 veröffentlichte Markus Breitscheidel, früher Marketingchef eines Werkzeugherstellers, sein Buch „Arm durch Arbeit“. Darin beschreibt er, wie er sich unter anderem als Leiharbeiter bei der Pharmafirma Schering, einer Tochter des Bayer-Konzerns, verdingte und für das Verpacken von Antibabypillen nur ein Drittel des Lohns der fest angestellten Kollegen bekam.

Gemäßigtere Arbeitnehmervertreter orientieren sich an Verbesserungen

Zwar gibt es noch immer Gewerkschafter, die auf die Zeitarbeitsbranche eindreschen. Im September 2008 brachte etwa die IG Metall ein „Schwarz-Weiß-Buch“ zur Lage der Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche heraus. Deren zweiter Vorsitzender Detlef Wetzel sieht Deutschland dank der Arbeitnehmerüberlassung auf dem Weg „zurück in die Tagelöhnergesellschaft“.

zeitarbeit

Doch gemäßigtere Arbeitnehmervertreter orientieren sich eher an den Verbesserungen, die sie für die Zeitarbeitskräfte herausholen konnten. Wetzels bayrischer Kollege Werner Neugebauer freut sich etwa: „Wir haben bei BMW durchgesetzt, dass die Untergrenze in den untersten Lohngruppen von 7,50 Euro brutto auf 11,62 Euro angehoben wurde“, also fast auf den regulären Tarif der Metall- und Elektroindustrie.

Die statistischen Daten zur Wirkung der Zeitarbeit interpretiert jeder je nach Standort und Interesse. Darüber etwa, wie groß Drehtür- und Klebeeffekt wirklich sind, streiten sich die Wissenschaftler. Nach Zählung des zur Bundesagentur für Arbeit gehörenden Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kommen immerhin knapp 43 Prozent der Zeitarbeitskräfte aus der Arbeitslosigkeit, und knapp 34 Prozent sind anschließend arbeitslos. Für Gewerkschafter ergibt sich daraus, dass die Zeitarbeit „kein echtes Sprungbrett“ ist.

Die Nürnberger Zeitarbeitsunternehmerin Ingrid Hofmann hält dagegen: „Selbst wer nur ein halbes Jahr nicht arbeitslos, sondern Zeitarbeiter war, hat bewiesen, dass er den Ansprüchen eines Arbeitgebers an Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft gerecht wird. Er hat sich durch die Praxis womöglich zusätzliche Qualifikationen erworben oder alte Kenntnisse aufgefrischt.“ Fazit für die Chefin des zehntgrößten Personalverleihers in Deutschland, I.K.Hofmann: „Zeitarbeit verbessert die Chancen am Arbeitsmarkt.“

Den Anteil derer, die vom Entleihunternehmen übernommen werden, beziffert das IAB auf 15 Prozent. Die Unternehmensberatung Lünendonk kommt in ihrer jährlich erhobenen und viel zitierten Studie zur Zeitarbeit auf über 20 Prozent. Eine Fest-anstellung bleibt der Traumjob der meisten Zeitarbeiter – und die Leihtätigkeit insofern zweite Wahl.

Umstritten ist die Höhe der Löhne. Die DGB-Gewerkschaften haben Tarifverträge mit dem BZA und mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) geschlossen und dabei ein Einstiegsgehalt für Ungelernte von 7,31 Euro in West- und von 6,36 Euro in Ostdeutschland festgesetzt. Das ist immerhin mehr als das, worauf etwa Beschäftigte des nordrhein-westfälischen Hotel- und Gaststättengewerbes Anspruch haben (6,30 Euro), und mehr als das Doppelte etwa des Mindestlohns für Friseure in Sachsen (3,06 Euro).

Die Lohnuntergrenzen eines dritten Zeitarbeitsverbandes, des Arbeitgeberverbandes Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), liegen unterm Strich rund 80 Cent niedriger als die von BZA und IGZ. Ohne Tarifverträge müssten die Unternehmen laut Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ihre Mitarbeiter bei deren Einsätzen so viel zahlen, wie das fest beschäftigte Personal der Entleihbetriebe bekommt.

Nur wenige Unternehmen lassen sich aber auf die von den Gewerkschaften geforderte Equal-Pay-Regel, also auf Gleichbezahlung, ein. Im Mercedes-Lkw-Werk im rheinland-pfälzischen Wörth etwa bekommen Festangestellte wie Zeitarbeiter denselben Lohn: 15,98 Euro brutto die Stunde. In Wuppertal hingegen prangerte Verdi ein Zeitarbeitsunternehmen an, das einen Jobsuchenden für 2,71 Euro brutto pro Stunde anheuern wollte.

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