
Leuchtend gelb brennt die Fackel hoch über dem Werksgelände der BASF in Ludwigshafen. Die Flamme frisst das Gas – so lange, bis die Konzentration des Rohgases stimmt, das zum Anfahren der Anlage benötigt wird. Das Hochfahren des Steamcrackers I ist ein hochkomplizierter Prozess, der sich über Wochen hinzieht. Der Steamcracker („Dampfspalter“), ein verschlungenes Monstrum aus Edelstahlrohren, Kühlleitungen, Metallbehältern und Heizkesseln, ist das Herzstück der chemischen Produktion. Hier entstehen aus Rohbenzin chemische Grundstoffe.
Das Rohbenzin wird dazu aufgespalten, mit Wasserdampf vermischt, verdampft, erhitzt, weiter aufgespalten, abgekühlt und schließlich destilliert. Mitte April, nachdem die Nachfrage nach Chemieprodukten massiv eingebrochen war, hatte BASF-Chef Jürgen Hambrecht die Großanlage mit einer Jahreskapazität von 220 000 Tonnen stillgelegt. Jetzt läuft sie wieder. Crackerprodukte wie Butadien – das unter anderem zur Herstellung von Kunststoffen und Kautschuk gebraucht wird – sind in der Industrie wieder gefragt.
Jetzt geht’s los! Das Hochfahren des Kolosses ist ein Symbol für die Aufschwungstimmung in den deutschen Unternehmen. Deren Kapitäne überbieten sich mit Sätzen von „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels“ über „Das Tal der Tränen ist durchschritten“ und „Das Schlimmste liegt hinter uns“ bis hin zu „Der Regen wird wärmer.“ Ganz nach dem Motto: Wenn alle nur ein bisschen daran glauben, wird es vielleicht wirklich bald besser.
Falsche neue Sicherheit
Klar ist: Die noch immer krisengebeutelte deutsche Wirtschaft wird nicht gleich auf breiter Front nach vorn marschieren. Das verschweigt auch das aktuelle Gemeinschaftsgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute nicht. Es ist immer noch Vorsicht geboten. So mancher Angestellte, Anleger oder Konsument könnte sich – trotz Quelle-Schock und fortwährender Sorgen etwa um die Existenz von Opel – nach den jüngsten Zahlen in falscher neuer Sicherheit wiegen und deshalb zu hohe Risiken an der Börse eingehen oder zu großzügig auf Einkaufstour gehen.
Denn mitten im Herbst überkommen die deutsche Wirtschaft Frühlingsgefühle. Die Wirtschaftsforscher trauen dem Land 2010 deutlich mehr Wachstum zu als noch in ihrer Prognose vom Frühjahr. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) schließt sich dem Optimismus der Top-Ökonomen an: Sein Haus schraubt die Wachstumsprognose für das reale Bruttoinlandsprodukt ebenfalls von 0,5 auf 1,2 Prozent hoch.
Frühindikatoren zeigen nach oben
Die Signale einer wirtschaftlichen Erholung verstärken sich seit Monaten – wichtige Frühindikatoren wie das Geschäftsklima, der Einkaufsmanagerindex oder das Konsumbarometer zeigen beständig nach oben. Nicht zuletzt, weil es in den USA, dem Epizentrum des Finanzmarktbebens, wieder aufwärtsgeht. Selbst am Immobilienmarkt hat sich die Lage mit Blick auf die zunehmenden Baubewilligungen und die gestiegenen Preise für Einfamilienhäuser etwas erholt.
Doch wer sind nun konkret die Hoffnungsträger des Aufschwungs? Die Konjunkturgurus mögen sich da noch nicht festlegen: „Die Entwicklung ist zurzeit noch so diffus, dass man nicht genau sagen kann, welche Branchen oder gar welche Unternehmen als Erste von der Erholung profitieren“, sagt etwa Roland Döhrn, Konjunkturchef beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen.
Die WirtschaftsWoche hat sich dennoch auf die Suche begeben: Neben vielen noch von der Krise hart gebeutelten Branchen und Unternehmen gibt es auch welche, die jetzt den Aufschwung befeuern, die ihre Produktion wieder hochfahren, Kurzarbeiter zurückholen und wieder mit guten Zahlen glänzen.
Die Hoffnungsträger
Wie in der chemischen Industrie, einer Branche, die besonders früh und heftig von der Krise erwischt wurde. Von September 2008 bis Januar 2009 brach die Produktion in Deutschland um ein Viertel ein, im Gesamtjahr 2009 wird sie um 14 Prozent schrumpfen. Für 2010 jedoch zeigt der Trend mit erwarteten neun Prozent nach oben. „Wir sind wirklich hart von der Krise getroffen worden. Bis ins erste Quartal 2009 ging der Umsatz zurück. Erst ab dem zweiten, dritten Jahresviertel ist ein Aufwärtstrend festzustellen“, sagt Rudolf Staudigl, Vorstandsvorsitzender von Wacker Chemie in München.
Bei den Branchengrößen BASF, Wacker, Evonik und Lanxess arbeiten bereits deutlich weniger Menschen kurz. Mehr als 4000 Mitarbeiter schickte BASF noch im April zeitweise nach Hause, jetzt arbeiten nur noch 1200 Beschäftigte kurz. Wacker fuhr die Zahl der Kurzarbeiter seit April von 3100 auf 240 herunter.
Die Branche gilt als Frühindikator für den Aufschwung: Da die Chemiehersteller fast alle anderen Industriezweige von Auto bis Solar mit Ausgangsstoffen beliefern, merken sie als Erste, wenn es wieder aufwärtsgeht.