Auftragsfertiger Foxconn Das dunkle Imperium hinter iPhone, iPad und Co.

Ob Apple oder Sony, Nokia oder Nintendo: Kein Elektronikriese kommt mehr an dem weltgrößten Auftragsfertiger aus Taiwan vorbei. Doch die immer größere Abhängigkeit der glanzvollen Marken von Foxconn birgt Risiken. Durch neue Vorwürfe der Ausbeutung von chinesischen Fabrikarbeitern drohen ihnen gefährliche Image-Kratzer.

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Foxconn-Chef Terry Gou ist ein Quelle: REUTERS

Die Huaihai-Straße in der Shanghaier Innenstadt gehört zu den bekanntesten Shoppingmeilen Chinas. Vom 4. November an ist sie um eine Attraktion reicher. Dann eröffnet Media-Saturn auf der Einkaufsmeile den ersten Media Markt in China. Rote Fahnen künden bereits von dem bevorstehenden Ereignis. Bis Ende 2012 will die Tochter des Düsseldorfer Metro-Konzerns bis zu neun weitere Märkte im Großraum Shanghai bauen. 200 Millionen Dollar investieren Media-Saturn und seine Partner für die erste Expansionsphase.

Mit im Boot sitzt der Elektronikhersteller Foxconn. 20 Fabrikkomplexe in China mit 937.000 Mitarbeitern, in den kommenden Jahren sollen noch 400.000 neue Leute dazukommen – Foxconn ist ein rasant wachsender Riese, der im Westen erst so richtig wahrgenommen wird, seit sich dieses Jahr 13 seiner Arbeiter von Fabrik- und Wohnheimdächern in den Tod stürzten. Foxconn unter seinem Chef Terry Gou hält 25 Prozent an dem Joint Venture, das die Media Märkte in China betreiben wird.

Düsseldorfer Metro ist der neueste Partner

Die Düsseldorfer sind zwar der neueste, aber beileibe nicht der einzige namhafte Partner von Foxconn. Fast alle bekannten Marken der Unterhaltungselektronik lassen ihre Handys, Laptops oder Spielkonsolen in dessen chinesischen Werken herstellen. An dem inzwischen mit Abstand größten Auftragsfertiger der Branche kommt keiner der großen Anbieter mehr vorbei.

Wohl jeder Erwachsene in den westlichen Industrieländern hatte – ohne es zu wissen – schon einmal ein Produkt "Made by Foxconn" in der Hand. Für die Kultmarke Apple produziert das Unternehmen iPhones, iPods und iPads. "Steve Jobs’ Erfolge wären ohne Terry nicht möglich", sagt Chang Tien-wen, der ein Buch über den Foxconn-Chef geschrieben hat.

2011 beschäftigt Foxconn eine Million Mitarbeiter

Dell lässt in den chinesischen Werken der Taiwaner Laptops und PCs bauen. Für Nokia laufen Handys von den Bändern. Sony lässt seine Playstation und Laptops dort fertigen, Nintendo die Wii. Auch Motorola, Samsung, Toshiba und Hitachi sind Kunden bei Foxconn.

Bereits 2011, so einschlägige Umfragen, wird Foxconn mit seinen fast eine Million Arbeitskräften nach Umsatz gerechnet die Hälfte der weltweiten Fertigung von Unterhaltungselektronik kontrollieren.

Die Auslagerung ihrer Produktion ins billigere China ermöglicht Apple & Co. zwar hohe Gewinnmargen. Doch die immer engere Kooperation mit Foxconn birgt auch zahlreiche Risiken:

Die wirtschaftliche Abhängigkeit steigt gefährlich. So bekommen Apple und Foxconn die Defekte am neuen iPhone 4 immer noch nicht in den Griff.Den Heimatländern der Anbieter geht wichtiges Fertigungs-Know-how verloren. n Dass mittlerweile die gesamte US-Computerindustrie komplett in Asien produzieren lässt, stößt im Heimatland der Unternehmen, den USA, zunehmend auf Kritik – vor allem angesichts der krisenbedingt ungewohnt hohen Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent. Forderungen nach Sondersteuern werden laut.Den Großteil seiner Fabriken betreibt Foxconn in der Volksrepublik China, wo soziale und ethische Standards in der Industrie längst keinen so hohen Stellenwert haben wie im Westen. Durch Skandale wie die Selbstmordserie, die weltweit zu einer Diskussion über die Arbeitsbedingungen in den Werken führte, riskieren Apple und die anderen Branchengrößen Schäden fürs mit millionenteuren Werbekampagnen geschaffene Image.

Realisiert die Kundschaft, dass etwa hinter dem charismatischen Apple-Chef Steve Jobs und seinen teuren, schicken Spielzeugen ein dunkles Imperium mit zweifelhaften Arbeitsbedingungen steht, drohen statt Kult und Wohlgefühl schnell Ansehensverluste bis hin zu Boykottaufrufen.

So wie schon der US-Sportschuhhersteller Nike wegen unmenschlicher Arbeitsbedingungen in seinen chinesischen Fabriken am Pranger stand, müssen sich nun die großen Anbieter von Handys, Laptops und Spielkonsolen der Kritik stellen – und auch der neue Foxconn-Partner Metro könnte den Druck bald spüren.

Mann hält ein Apple iPad in Quelle: dpa

Erst vergangene Woche geriet Foxconn erneut in die Schlagzeilen. Von erzwungenen Überstunden, mangelnden Sicherheitsstandards, Beleidigungen, Missbrauch von Praktikanten, sogar von einer "Knastatmosphäre" berichtet eine aktuelle Studie mehrerer chinesischer Universitäten. Die Wissenschaftler hatten gut 1700 Arbeiter befragt.

"Foxconn ist sicherlich nicht perfekt, aber wir nehmen unsere Verantwortung gegenüber unseren Arbeitern sehr ernst", kommentiert das traditionell extrem schweigsame Unternehmen immerhin die Vorwürfe.

Umschichten zur Konkurrenz

Inzwischen sorgt die Kritik offenbar auch bei der Kultmarke Apple und deren Chef Jobs für Unruhe. Offiziell spricht Apple nicht über seine Zulieferer. Auch die Unternehmen dürfen noch nicht einmal die Tatsache erwähnen, dass sie für Apple fertigen, wollen sie nicht den Abbruch der Geschäftsbeziehung riskieren. Doch schon kurz nach den Selbstmorden nahmen die Kalifornier die Zustände bei Foxconn näher unter die Lupe.

Inzwischen fürchten sich die Apple-Manager offenbar aus mehreren Gründen vor einer zu starken Abhängigkeit von Foxconn. Erst vergangene Woche meldete der Garantieanbieter Square Trade, dass für das Kulthandy iPhone 4 68 Prozent mehr Defekte gemeldet werden als beim Vorgängermodell. Vier Prozent der Geräte weisen sogar Sprünge oder Risse im Display auf.

Offenbar helfen hier auch die Methoden von Foxconn nicht, mit Produktionsfehlern umzugehen: Unbarmherzig reagiere das Management, berichtet ein Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation China Labor Watch.

Foxconn bleibt umstritten

Wem am Band ein Missgeschick unterläuft, das zu Mängeln bei einem Produkt führt, müsse nach bester Kulturrevolutions-Manier eine Selbstkritik schreiben – nicht weniger als 500 Schriftzeichen verlangten die Chefs. Das Papier werde mit dem Foto des Delinquenten in der Werks-halle ausgehängt. Für den betroffenen Mitarbeiter ist das eine Tragödie, weil er vor den Kollegen sein Gesicht verliert. Foxconn will zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen.

Apple sucht nun dem Vernehmen nach für Teile der Produktion andere Anbieter. Eine Charge der iPhones und iPads fertigt angeblich der ebenfalls in Taiwan beheimatete Foxconn-Konkurrent Quanta. Das neue Macbook Air will Apple wohl ebenfalls bei Quanta bauen lassen wie bisher schon das Macbook Pro.

In der Öffentlichkeit stärkt Apple Foxconn allerdings den Rücken. "Terry ist eine starke Führungspersönlichkeit mit einer Leidenschaft für Spitzenleistungen", sagt Apple-Vorstand Tim Cook über den Foxconn-Chef. "Er ist ein Partner, der Vertrauen genießt, und wir sind glücklich, mit ihm zu arbeiten."

Auch bei Metro gibt man sich gelassen. "Wir haben die Selbstmordserie bei Foxconn sehr genau beobachtet", sagt Vorstandschef Eckhard Cordes, "auf unser Geschäft hat das aber keinen Einfluss." In den Verträgen zwischen Media-Saturn und den Taiwanern stehe auch, dass Foxconn ethische Standards erfüllen müsse, fügt Cordes hinzu.

Umstritten ist Foxconn jedoch nach wie vor. Beobachter wie CLW veröffentlichen im Monatstakt Berichte, in denen etwa von nicht bezahlten Überstunden die Rede ist. Selbst Chinas sonst nicht zimperliche kommunistische Regierung sorgt sich inzwischen um die Arbeitsbedingungen. Die Konzernspitze in Taiwan hat – wohl auch auf Druck der Behörden – die PR-Agentur Burson Marsteller eingesetzt, die das Image des öffentlichkeitsscheuen Herstellers aufpolieren soll.

Fertigung bei Foxconn: Nokia, Quelle: REUTERS

In China, wo Foxconn 20 seiner weltweit 25 Fabriken betreibt, ist der Konzern eine nicht mehr wegzudenkende Größe. Mit 937.000 Lohnkräften ist er größter privater Arbeitgeber des Landes. Fast vier Prozent aller Ausfuhren des Riesenreichs entstehen in seinen Fabriken.

Den größten Teil fertigen die Arbeiter in den Werken im südchinesischen Shenzhen, gleich hinter der Grenze zu Hongkong. Links und rechts der staubigen Straße, die auf den Südeingang des Campus im Stadtteil Longhua zuführt, haben sich Handyläden, Garküchen und Friseure eingerichtet. Kleine Geschäfte bieten einfache Kleidung, gefälschte DVDs und Sportartikel feil. Am Straßenrand stehen abgenutzte Billardtische.

Kleine Gruppen junger Frauen in roter Foxconn-Arbeitskleidung bummeln durch die Gassen. Sie entspannen sich bei Nudeln, gedämpften Teigtaschen und Eistee. Glamour und Luxus der Wirtschaftsmetropole Shenzhen sind hier, am Foxconn-Tor, weit weg.

Täglich 137.000 iPhones

Durch die Sicherheitsschleuse am Eingang geht der Blick auf das Fabrikgelände, auf dem unter anderem täglich 137.000 iPhones entstehen. Die Firmenleitung erlaubt Journalisten normalerweise nicht, das Werk zu betreten. Einzige Ausnahme war kürzlich das US-Magazin "Business Week" im Rahmen von Foxconns PR-Offensive nach der Selbstmordwelle. Ansonsten sind die Medien angewiesen auf Schilderungen von Arbeitern oder eingeschleusten Menschenrechtlern.

Vier- und fünfstöckige weiß-blau getünchte Fabrikhallen reihen sich scheinbar endlos aneinander. Dazwischen stehen die ebenfalls in weiß-blau gehaltenen Kantinen und Wohnheime der Arbeiter.

An sämtlichen Gebäuden sind an den Außenwänden seit der Suizidserie in etwa fünf Meter Höhe drei bis vier Meter breite Netze gespannt. Sie sollen mögliche Selbstmörder auffangen. Eine Bibliothek gibt es auf dem Gelände, außerdem Karaoke-Kneipen, Basketballfelder und ein Schwimmbad – der Foxconn-Campus ist eine Stadt in der Stadt. Wer das Gelände umrunden will, braucht selbst mit dem Auto eine knappe Stunde.

Das Riesenreich begann mit einem Kleinkredit. Umgerechnet 7500 US-Dollar lieh Gründer und Chef Terry Gou sich 1974 bei seiner Mutter. Damit legte der Chinese den Grundstein für sein Imperium: Hon Hai, Foxconns Mutterunternehmen.

In einem schäbigen Vorort von Taipeh mietete sich der damals 23-Jährige einen Schuppen und kaufte sich ein paar Spritzgussmaschinen. Damit fertigte er Knöpfe, mit denen man damals bei Schwarz-Weiß-Fernsehgeräten die Kanäle wechselte. Zu seinen ersten Kunden zählte der niederländische Hersteller Philips.

Einen Durchbruch erzielte Gou sechs Jahre später. Er zog einen Auftrag von Atari an Land. Die Japaner stiegen damals zum weltweit führenden Anbieter von Videospielen auf. Gou produzierte Komponenten, die das Kabel des Joysticks mit der Spielkonsole verbanden.

Doch das reichte ihm nicht. Er wollte in die Entwicklung von Hochtechnologie einsteigen. Bald meldete Gous Firma die ersten Patente an und begann mit der Fertigung von Spezialkabeln. Anfang der Achtziger bekam das Unternehmen in den USA einen Fuß in die Tür: Für IBM produzierte Hon Hai Steckverbindungen.

Als damals die Löhne in Taiwan zu stark stiegen und die Unternehmen ihre Fertigung in billigere Länder wie Malaysia, Thailand oder auf die Philippinen ver-legten, blickte Gou in eine andere Richtung: auf das chinesische Festland, wo Reformpatriarch Deng Xiaoping gerade mit der Öffnung der Wirtschaft begonnen hatte. Kaum ein ausländisches Unternehmen hatte sich bis dahin in die kommunistische Volksrepublik gewagt, mit ihren großen Defiziten bei Infrastruktur, Ausbildungsniveau und Lebensqualität.

Gou schreckte das nicht: Er baute eine Fabrik in Shenzhen. Deng hatte die Stadt zur Sonderwirtschaftszone erklärt, in der Unternehmen aus dem Ausland Steuervorteile und andere Vergünstigungen genossen. 1991 brachte Gou Hon Hai in Hongkong an die Börse und finanzierte damit die Expansion auf dem chinesischen Festland, wo er mit der Fertigung von Computerteilen begann. Zu den ersten Abnehmern zählten Hewlett-Packard und Apple.

Für dieses Jahr erwarten Analysten, dass der Umsatz der Foxconn-Mutter Hon Hai bei 85 Milliarden Dollar liegen wird, rund 40 Prozent mehr als 2009. Im ersten Halbjahr schaffte Hon Hai bereits 37 Milliarden Dollar Umsatz. Nettogewinn: 1,1 Milliarden Dollar. 36 Milliarden Dollar ist Hon Hai an der Börse wert, zwölf Prozent der Anteile hält Gou.

Foxconn-Mitarbeiter Quelle: AP

Hauptgrund für den Erfolg: Foxconn macht so ziemlich alles selbst. Das Unternehmen kauft nur wenige Komponenten zu. So werden 70 Prozent der Teile eines Handys vom Typ Nokia 1209 in konzerneigenen Fabriken hergestellt.

Mehr als 50.000 Werkzeugmacher beschäftigt Foxconn, dazu 2000 Designer für Spritzgussteile. Das ermöglicht dem Hersteller eine flexiblere Produktion, als die Konkurrenz sie bieten kann. Das ist vor allem im Handygeschäft wichtig, wo die Anbieter permanent neue Modelle auf den Markt werfen. Zudem versorgt Foxconn auch einige seiner Konkurrenten mit Computerkomponenten – ein extrem margenträchtiges Geschäft.

Angesichts der immer höheren Kompetenz der Auftragsfertiger wächst die Sorge, wer künftig technologisch das Heft in der Hand hält. Schon jetzt beobachtet der frühere Intel-Chef Andy Grove, dass in den USA beim Bau von Computern und Unterhaltungselektronik nicht mehr das Know-how vorhanden ist, das Unternehmen normalerweise bei der Fertigung ihrer Produkte erwerben. Grove sorgt sich, dass künftig auch die Entwicklung nach Asien wandern könnte, zumal die Produktion der Geräte wegen des Trends zur Miniaturisierung immer komplexer wird.

In den USA regt sich Kritik

Auch wächst die Kritik am zunehmenden Jobschwund in den Vereinigten Staaten. So beschäftigt Apple als derzeit wertvollste High-Tech-Firma in den USA nur 38.000 Mitarbeiter, davon sind mehr als die Hälfte mäßig bezahlte Verkäufer in den Apple-Läden. Daher fordert zum Beispiel der durch seine TV-Show populäre Immobilientycoon Donald Trump, die Verlagerung von Produktionsjobs ins Ausland mit einer Sondersteuer zu belegen.  Nach Ansicht von Branchenexperten ist der Trend aus Kostengründen aber nicht mehr rückgängig zu machen. Und um den Riesen Foxconn kommen die IT-Anbieter nicht mehr herum. Konzernen wie Apple oder HP bleibt noch die Chance, Foxconn gegen Konkurrenten wie Quanta oder Compal auszuspielen. Kleinere Unternehmen müssen heutzutage dankbar sein, wenn sie überhaupt Kapazitäten bei den Auftragsfertigern nutzen können.

Dennoch werden Gou und seine Mannschaft etwas tun müssen, um langfristig vorn zu bleiben. Die Diskussion um die Selbstmordserie kratzt am Image des Apple-Lieferanten. Gou selbst räumt ein, die ersten drei Todessprünge habe er nicht als wirkliches Problem gesehen. "Nach dem fünften Selbstmord beschloss ich, etwas zu verändern."

Probleme noch lange nicht gelöst

Der Chef flog aus der Zentrale in Taiwan nach Shenzhen ein, stellte sich ein Bett ins Büro und blieb für drei Monate. Zunächst ließ er an allen Gebäuden die Sicherheitsnetze anbringen. Dann richtete Gou eine 24-Stunden-Hotline mit 100 Psychologen ein. Zwar vergaloppierte sich Foxconn in der Hektik der ersten Tage auch. So sollten die Arbeiter eine Erklärung unterschreiben, in der sie versichern, keinen Selbstmord zu verüben. Nach heftiger Kritik zog der Arbeitgeber das Schreiben zurück.

Im Juni dann erhöhte das Unternehmen die Fabriklöhne in Shenzhen auf umgerechnet 176 Dollar im Monat, 30 Prozent mehr. Im Oktober gab es einen Nachschlag: Die meisten Arbeiter dort verdienen jetzt umgerechnet 230 Dollar.

Gelöst sind die Probleme damit aber längst nicht. In einem einfachen Büro am Stadtrand von Shenzhen sitzt Zhu Wei* (*Name von der Redaktion geändert), der zusammen mit drei weiteren Chinesen für China Labor Watch (CLW) regelmäßig die Bedingungen in chinesischen Fabriken überprüft.

So hat Zhu im August für zwei Wochen inkognito bei Foxconn gearbeitet und am Fließband HP-Drucker zusammengebaut. Zhu klappt sein Laptop auf, er hat heimlich mit dem Handy in der Fabrik fotografiert. Man sieht eine saubere Halle, Klimaanlagen an den Decken und Arbeiter mit weißen Kitteln und Hauben. "Die Fabrik ist sicher besser als andere in China", sagt Zhu. Missstände gebe es trotzdem.

So verkürzten die Schichtleiter seit der Lohnerhöhung im Juni die beiden zehnminütigen Pausen pro Schicht. "Die Klingel läutet", erzählt Zhu, "aber die Vorarbeiter zwingen die Leute, noch zwei, drei Minuten weiterzuarbeiten." Werde das Tagesziel von 300 Druckern pro Fließband nicht erreicht, müssten die Arbeiter außerdem ohne Extra-Bezahlung nachsitzen, berichtet der CLW-Aktivist.

Landkarte: Verlagerung der Foxconn-Aktivitäten von der Küste ins Hinterland

Dabei gilt Foxconn, anders als viele kleine Fertigungsunternehmen in China, sogar bei den Sittenwächtern der Nichtregierungsorganisationen noch als vergleichsweise verlässlicher Arbeitgeber: Das Unternehmen zahle zumindest die Löhne pünktlich, heißt es, und halte sich im Wesentlichen an die Gesetze.

Für viele Chinesen ist Foxconn denn auch eine Chance. Liu Guangyin kommt aus einem kleinen Dorf im Norden. Ihre Eltern bauen Mais an, das Geld reicht oft vorne und hinten nicht. Jetzt sitzt die 23-Jährige in einer Garküche gegenüber dem Eingang zum Foxconn-Gelände im nordchinesischen Langfang, etwa eine Autostunde südöstlich von Peking. "Hier verdiene ich knapp 1000 Yuan im Monat", sagt die junge Frau. Das sind 150 Dollar. Die Überstunden macht sie gerne: Rechnet man die Zuschläge dazu, kommt Liu auf 260 Dollar im Monat.

Foxcomm will sich neu erfinden

Für die Bauernfamilie ist das viel Geld. Etwa die Hälfte des Lohns spart Liu für den Traum der Familie, eine Hochschulausbildung des jüngeren Bruders: "Wenigstens einer aus unserer Familie soll zur Uni", sagt Liu. Sie selbst ist nur sechs Jahre zur Schule gegangen.

Von den Selbstmorden bei Foxconn habe sie gehört, sagt Liu und blickt auf die Netze an den Werkshallen. "Die Selbstmörder hatten mentale Probleme", sagt die Arbeiterin. Sie spüre keinen Druck.

Foxconn will seine Aktivitäten hier in Langfang kräftig ausbauen. Neue Fabriken sollen entstehen, zigtausend neue Arbeiter will das Unternehmen einstellen. Die Offensive ist Teil eines großen Plans, mit dem sich Foxconn neu erfinden will.

Im bislang größten Werk in Shenzhen soll die Zahl der Mitarbeiter um etwa 100.000 auf 370.000 sinken, berichten Foxconn-Manager. Das Lohnniveau in der südchinesischen Metropole ist den Taiwanern zu stark gestiegen. Hinzu kommt der Ärger mit den lokalen Behörden. Die wären die Fabriken nach den weltweiten Negativ-Schlagzeilen lieber heute als morgen los, es sei denn, Foxconn würde in Shenzhen in forschungsintensivere Fertigungen investieren. Nach dem Willen der Zentralregierung soll der reiche Osten Industrien mit höherer Wertschöpfung ansiedeln. Die Billigfertigung soll in den rückständigen Westen Chinas vorrücken.

Auf dem Weg nach Westen

In Zukunft will Foxconn vor allem in west- und zentralchinesischen Städten wie Wuhan, Chengdu, Chongqing und Zhengzhou, aber auch im Norden in Langfang produzieren. Dort verdienen die Arbeiter teilweise 30 Prozent weniger als in den chinesischen Küstenstädten. Insgesamt 400 000 Kräfte will Foxconn in China im Zuge seiner Go-West-Initiative zusätzlich rekrutieren.

In den rückständigeren Regionen rollen die Lokalbehörden Gou den roten Teppich aus. In Zhengzhou, wo für Foxconn künftig 300.000 Arbeiter Handys und Laptops bauen sollen, habe die Regierung den Taiwanern die Grundstücke gratis überlassen, berichten chinesische Medien.

Verabschieden möchte Foxconn sich an den neuen Standorten von seinem Konzept, bei dem die Werker auf dem Firmengelände wohnen. Das Modell sei nicht mehr zeitgemäß, heißt es im Unternehmen. Einige Fachleute sehen in der Enge der Schlafsäle und der fehlenden Trennung von Job und Privatleben eine Ursache für die Selbstmordserie im Mai.

Verbesserungsbedarf gibt es im Zuge des teils überstürzten Umzugs ins Landesinnere noch bei den Umwelt- und Sicherheitsstandards. In Zhengzhou haben im August einige Tausend Arbeiter mit der Fertigung begonnen. In einer halbdunklen, muffigen Fabrikhalle am Stadtrand rattern lange Reihen kastenförmiger Maschinen. Durch die Gänge laufen Arbeiter mit dünnen Stoffmasken. Es liegt ein beißender Geruch in der Luft. Durch eine Außenwand der Fabrikhalle ergießt sich eine zähe, schwarze Flüssigkeit in die Grünanlagen. Viele der Pflanzen sind mit einem trockenen, schwarzen Film überzogen. „Hier werden iPhones produziert“, sagt der Sicherheitsmann am Eingang.

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