Porsche, Bugatti und Rimac „Was helfen ein paar hundert Nischenautos einem Konzern?“

Erregt Aufsehen: Ein Bugatti bei einer italienischen Motor-Show – hier noch unter dem Dach des VW-Konzerns. Quelle: Imago

Die französischen Super-Sportwagen von Bugatti wechseln den Besitzer. Die frisch geschmiedete Allianz aus Porsche, Bugatti und dem neuen Besitzer Rimac will das Geschäft mit Hypercars neu aufrollen.

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Der Autobauer Volkswagen gibt die Mehrheit an seiner prestigeträchtigen französischen Luxusmarke ab. Monatelang war über die Zukunft von Bugatti spekuliert worden, die mächtige Mutter in Wolfsburg und die kleine Tochter im Elsass wanden sich bei Anfragen. Jetzt steht fest: VW trennt sich mehrheitlich von dem Hersteller handgefertigter Edelschlitten aus Molsheim.

Zwar will man über die Sportwagentochter Porsche AG einen Restanteil an Bugatti behalten. Kontrolle und Haupteigentümerschaft gehen aber auf das kroatische Unternehmen Rimac über, wie Porsche – innerhalb der VW-Gruppe für den Sportsektor zuständig – und Rimac am Montag in Dubrovnik bekanntgaben. Die operative Führung liege damit künftig bei Rimac, sagte Porsche-Vorstandschef und VW-Konzernvorstand Oliver Blume. Zu den finanziellen Konditionen des Deals wurden keine Details genannt.

Rimac hatte schon länger Interesse an den superteuren und -schnellen Bugatti-Boliden gezeigt und soll künftig 55 Prozent der Anteile an einem neuen Gemeinschaftsunternehmen namens Bugatti-Rimac halten. Porsche will an dem Joint Venture, das im vierten Quartal gegründet werden und in Zagreb sitzen soll, mit einem Minderheitsanteil von 45 Prozent beteiligt bleiben. Zuvor müssen noch Kartellbehörden in mehreren Ländern zustimmen, wie es hieß. Beide Unternehmen sind seit einigen Jahren miteinander verzahnt: Porsche ist seit 2018 an Rimac beteiligt, inzwischen hält der Sportwagenbauer 24 Prozent am kroatischen Unternehmen.

Betriebswirtschaftlich dürfte der Schritt für Volkswagen keine allzu großen Veränderungen bringen. Bugattis Stückzahlen sind sehr gering, 2020 wurden ganze 77 Exemplare ausgeliefert. Über Gewinnspannen und konkrete Finanzdaten schweigt sich die Firma aus, im vergangenen Jahr war in Molsheim allgemein von „positiven Ergebnisbeiträgen“ die Rede. Image und Strahlkraft der Marke indes sind beträchtlich – jedenfalls unter Motorsport-Fans sowie Anhängern extrem starker Antriebe.

Für die VW-Fahrzeugmarken, wie sie bisher definiert sind, bedeutet der Verkauf von Bugatti eine Reduktion von zwölf auf elf. So hat der Abschied nun auch eine symbolische Bedeutung. Der frühere VW-Vorstands- und -Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch hatte seinerzeit eine immer größere Markensammlung aufgebaut. Doch inzwischen haben sich die Zeiten und die Schwerpunkte geändert.

„Zwölf ist eine gute Zahl“ – so kommentierte der vor knapp zwei Jahren überraschend verstorbene Patriarch einmal seinen Kaufdrang, als Porsche nach einer Übernahmeschlacht mit den Wolfsburgern 2009 als VW-Marke hinzugekommen war. 2012 gelang der Tochter Audi mit dem Einbau des italienischen Motorradbauers Ducati dann ein weiterer Coup, der das Dutzend tatsächlich vollmachte. Für den Chefaufseher war es die Erfüllung eines Traums.

Rimac Nevera – das schnellste Serienauto der Welt
Ein Morgen auf der kroatischen Insel Pag: Die Luft lau, der Wind sanft und die Sonne hat schon reichlich Kraft. Doch die Stille ist trügerisch. Denn es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nur dass der diesmal nicht über den Bergen losbricht, wie er es seit Jahrtausenden tut, wenn die Einwohner ehrfürchtig und mit bangem Blick zum Himmel vom Wetterphänomen Nevera raunen, sondern auf der Runway des Flughafens Zadar: Dort, wo sonst die Kampfjets der kroatischen Luftwaffe trainieren, steht jetzt flach und breit und blau wie das ruhige Meer ein Sportwagen, der den gleichen Namen trägt und mindestens genauso stürmisch ist: der Rimac Nevera – das stärkste und schnellste Serienauto der Welt.  Quelle: Rimac
Vor drei Jahren noch unter dem Arbeitstitel C2 als Studie auf dem Genfer Salon präsentiert, markiert die Serienfassung dieses Tieffliegers auf Rädern den vorläufigen Hohepunkt in der Karriere des gerade einmal 33-jährigen Firmenchefs Mate Rimac. In nur zehn Jahren hat er sich vom Nobody zum Hoffnungsträger der PS-Branche aufgeschwungen, hat Firmen wie Porsche, VW oder Hyundai ins Boot geholt und wird mittlerweile sogar als künftiger Eigentümer von Bugatti gehandelt. Denn offenbar versteht er sich sehr gut auf die Elektrifizierung, auf starke E-Motoren, schnelle Elektronik und potente Akkus. Insgesamt 150 Autos will er in den nächsten drei Jahren zu einem Stückpreis von netto zwei Millionen Euro verkaufen. Quelle: Rimac
Entsprechend komplex ist der Nevera konstruiert und entsprechend viel Technik steckt in der Karbonkarosse, die aus einem Stück gebacken – und natürlich die bislang größte ist, die es auf die Straße geschafft hat. Pro Achse treiben ihn zwei Motoren, die individuell angesteuert oder entkoppelt werden können und der Bordcomputer ist zusammen mit einem halben Dutzend Kameras und einem Heer von Sensoren so schlau, dass der Nevera auf der Rennstrecke bald auch autonom fahren kann. Selbst das Infotainment mit drei großen und sechs kleinen Bildschirmen und sogar den Zündschlüssel hat Rimac alleine entwickelt. Dabei braucht der Nevera gar keinen Schlüssel mehr, weil er das erste Auto ist, das sich auch mit Gesichtserkennung öffnen und starten lässt. Quelle: Rimac
Aber hier auf dem Airfield kommt die Freigabe aus dem Tower. „All clear and ready to go!“ Jetzt den linken Fuß fest auf die Bremse, den rechten aufs Fahrpedal, dann die Bremse lösen und die Hölle ist los – ohne jedes Geräusch: Aus dem Nichts rammen sich den Insassen die vereinten 2300 Nm der vier radnah montierten Motoren wie ein Katapult in den Rücken. Dann schleudert die explosive Kraft der Elektromotoren mit 1912 PS den 2,2-Tonner voran: weniger als zwei Sekunden für den Sprint auf Tempo 100. Nach weniger als sechs Sekunden flimmert die 200er-Marke über den Bildschirm. Die Zahl klettert weiter – wenn die Startbahn nicht irgendwann zu Ende wäre, würde der Nevera 412 km/h schaffen. Quelle: Rimac
Neben dem schieren Schub lässt sich der Nevera auch mit viel Präzision fahren. Jeder Motor kann einzeln angesteuert die Kraft an alle vier Räder verteilen. Quelle: Rimac
Und die Regelung geht so schnell, dass sich selbst Profis daran erst gewöhnen müssen. Nicht nur die Beschleunigung ist unerreicht, auch die Zeit, die für die Umsetzung der einzelnen Befehle vergeht. Schnellfahrer können mit dem Drive Coach rasen, ausgestattet mit virtuellem und autonomem Training. Quelle: Rimac
Fahrer können aus mehr als einem halben Dutzend Fahrprogrammen wählen, mit denen sich der Charakter des Nevera merklich verändert: Es gibt den Race- oder Trackmode, einen Drift-Mode – schließlich hat Firmenchef Mate Rimac seine Karriere mit qualmenden Reifen begonnen – und einen Tour-Modus. Quelle: Rimac

Die Marke Bugatti hatte sich Volkswagen 1998 einverleibt. Lange sonnte sich der Konzern im finanziellen Erfolg und in der Vielfalt seines Imperiums gleichermaßen. Aber das ist wohl vorbei. Statt Glamour-Modellen wie dem Bugatti Chiron mit 1500 PS, einem 16-Zylinder-Verbrenner und CO2-Ausstoß von über einem halben Kilogramm pro Kilometer sind Öko-Bewusstsein und E-Autos en vogue. Und was zu wenig Geld einbringt, läuft angesichts der verschärften VW-Renditeziele ohnehin Gefahr, auf die Streichliste zu geraten.

Was lohnt sich noch, was nicht mehr? Was beißt sich mit dem eigenen Anspruch, bis spätestens 2050 bilanziell klimaneutral werden zu wollen? Der Bugatti-Verkauf passt vor dem Hintergrund solcher Fragen durchaus ins Bild. „Das ist folgerichtig“, sagt ein Branchenkenner. In der alten Welt sei der Technik-Enthusiasmus des passionierten Ingenieurs Piëch ein Sonderfaktor gewesen. „Heute brauchen Hersteller vor allem Marken, die in der Mitte des Geschäfts sind. Was helfen ein paar hundert Nischenautos einem Konzern, der zehn Millionen Fahrzeuge pro Jahr verkaufen will?“ Selbst falls Bugatti höhere Erträge abwerfen würde, wäre das für VW letztlich Spielgeld: „Ökonomisch hat das wenig Sinn, und außerdem bindet es viel Management-Zeit.“

Konzernchef Herbert Diess machte bereits klar: Eine große Markenzahl per se ist kein wichtiges Kriterium mehr. Es störe ihn auch nicht, dass Toyota beim Absatz wieder an der VW-Gruppe vorbeizog, sagte er der Deutschen Presse-Agentur im Frühjahr. „Wir brauchen ausreichend Größe für Skalenvorteile, aber Größe an sich ist für uns kein Maßstab.“ Es gehe eher um Marktführerschaft beim E-Auto: „Hier wollen wir schneller wachsen und profitabler sein als die Wettbewerber.“

Kostendruck und teure Spezialgeschäfte vertragen sich nicht gut. Es gab wiederholt Spekulationen, VW könnte das Piëch'sche Markenerbe stutzen. Ein anderer Kandidat soll Lamborghini sein – auch wenn die zuständige Tochter Audi handfeste Überlegungen zurückweist. Die Schweizer Quantum-Gruppe erklärte jüngst, den Sportwagenbauer aus Italien haben zu wollen. Audi betonte: „Lamborghini steht nicht zum Verkauf.“ VW-Aufsichtsräte hatten das 2020 zunächst so festgehalten.

Insgesamt strebt Diess eine Verschlankung mit „denkbaren“ Ausgliederungen an, wie er schon 2018 formulierte. Die Diskussion dreht sich auch um Ducati. Für den Motorradhersteller ist ebenfalls Audi verantwortlich, zusätzlich liegt in Ingolstadt seit März die Koordination für die Marke Bentley. „Es ergäbe Sinn, die Konzentration mit Lamborghini weiter zu denken“, sagt ein Beobachter. „Es sei denn, es finden sich größere Überschneidungen bei Gleichteilen zum Beispiel mit Porsche.“

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Andere Analysten halten das Abstoßen weiterer Randaktivitäten für realistisch. Aber das fiele nicht leicht. Ex-Bugatti-Chef Wolfgang Dürheimer beschrieb die Rolle seiner Exoten einmal so: Bugatti arbeitet im Grenzbereich des technisch Machbaren. Die Ergebnisse unserer Arbeit stellen wir später allen Konzernmarken zur Verfügung.“

Mehr zum Thema: Der Deutschen Aktienindex ist gerade erst 33 Jahre alt geworden und hat doch schon viele Geschichten geschrieben. VW war das wertvollste Unternehmen der Welt.

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