Wenn Schauspieler Brad Pitt um 15 Uhr die Startflagge schwenkt, gehen in Le Mans nicht nur 60 Rennwagen auf die Jagd nach Gesamt- und Klassensiegen. Das legendäre 24-Stunden-Rennen in Westfrankreich ist in diesem Jahr auch ein Stellvertreterkrieg um die Weltspitze der Autobauer: Zwei Toyota treten gegen insgesamt vier Autos aus dem Volkswagen-Konzern an, je zwei von Audi und Porsche.
Im Falle der Ingolstädter sogar mit jener Technologie, welche den Konzern zu großen Erfolgen, im letzten dreiviertel Jahr aber auch in Verruf gebracht hat: der Diesel.
Als Porsche im vergangenen Juni den ersten Gesamtsieg seit 19 Jahren feierte und Audi als entthronter Seriensieger die Grundlagen für den fast vollkommen neu entwickelten Diesel-Rennwagen für die Saison 2016 legte, war in der Öffentlichkeit von dem sich anbahnenden Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte noch nichts bekannt.
Für eine Neuentwicklung war es zu spät
Inzwischen, also nach jenem schicksalshaften September 2015, wurden vereinzelt Stimmen im Konzern laut, dass Audi nicht mit einem Selbstzünder antreten sollte. Auch wenn der Rennmotor technisch nichts mit dem als Schummel-Diesel gebrandmarkten EA189 zu tun hat: Die öffentliche Reaktion, sollte der VW-Konzern das wichtigste Langstreckenrennen der Welt mit einem skandalumwitterten Diesel gewinnen, war wohl eine abschreckende Vorstellung. Für die Neuentwicklung eines Motors für ein 24-Stunden-Rennen war es da natürlich bereits zu spät.
So stehen in Le Mans zwei Audi R18 am Start, die von einem vier Liter großen V6-Diesel angetrieben werden. Das Regelwerk der Langstecken-Weltmeisterschaft (World Endurance Championship, kurz WEC) gibt den Autobauern seit 2014 Anreize, immer effizientere Rennwagen zu bauen. Inzwischen ist für die Werksteams ein Hybrid-Antrieb Pflicht, während die privaten Rennställe wie das Schweizer Rebellion-Team ohne den aufwändigen und teuren Hybrid fahren dürfen.
Ab der Saison 2016 geht der Verbrauchs-Wettkampf weiter: Dann sinkt die Obergrenze für den Kraftstoffverbrauch um mehr als zehn Megajoule pro Runde in Le Mans. „Das Ergebnis ist ein Rennwagen, der noch besser mit der Energie haushaltet. Dieses Ziel verfolgen wie auch bei unseren Straßenautos“, sagt Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich. „Diese Art von Motorsport bleibt ein Vorbild für den Automobilbau.“
In Zahlen ausgedrückt: Der aktuelle Sechszylinder-Motor kommt mit 46 Prozent weniger Kraftstoff aus als der erste V12-TDI mit 5,5 Litern Hubraum aus dem Jahr 2006. Gleichzeitig sind die Autos auf der 13,629 Kilometer langen Runde aber 10 bis 15 Sekunden schneller geworden.
Fakten zum Rennen
Gerade mal 870 Kilo dürfen Fahrzeuge der obersten Klasse LMP1 noch wiegen, bei bis ca. 1.000 PS Leistung.
1985 fuhr der deutsche Rennfahrer Hans Joachim Stuck die schnellste Qualifikationsrunde. Über den 13,6 Kilometer langen Parcours raste der Bayer mit durchschnittlich 251,815 km/h.
2008 säumten 263.300 Autorennfans die Strecke in Le Mans. Viele zelteten auf einem der insgesamt 14 Campingplätze an der Rennstrecke, wo allerdings an Schlaf kaum zu denken ist.
Die Fahrzeuge beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans sind in 4 Klassen unterteilt. Die Prototypen werden in die beiden Klassen LMP1 und LMP2 unterteilt, wobei in der LMP1-Klasse noch mal zwischen LM P1-H (die Hybrid-Prototypen der Werksteams) und LM P1-L (Privatteams ohne Hybird) unterschieden wird. In den Klassen der GT Fahrzeuge wird zwischen GTE Pro und GTE Am unterschieden.
Auf Eurosport ist das Rennen fast in kompletter Länge live zu sehen. Unterbrochen wird die Direktübertragung lediglich durch zwei Ausgaben des Magazins „24 Minuten von Le Mans“ am Samstagabend und Sonntagmorgen. Audi überträgt komplett mit einem eigenen Livestream. Die Website www.lemanslive.com informiert, wie einige spezielle Motorsportseiten ebenfalls, rund um das Rennereignis ausführlich mit News, Videos, Livestream und Hintergründen.
Während Porsche das 2015 in Le Mans und der WEC siegreiche Konzept aus einem gerade einmal zwei Liter großen Vierzylinder-Benziner und Elektromotor im Detail weiterentwickelt hat, haben Audi und Toyota größere Änderungen vorgenommen. Die Ingolstädter haben die Hybrid-Komponente des Antriebs vollkommen umgestaltet und sind von einem exotischen Schwungmassen-Speicher auf eine Lithium-Ion-Batterie gegangen, die zudem 50 Prozent mehr Energie speichert als das bisherige System. Das Konzept des Diesels bleibt aber unangetastet.
Toyota ist beim Antrieb den wohl größten Schritt der drei Wettbewerber gegangen. Von einem 3,8 Liter großen V8-Saugmotor mit einem Hybridsystem auf Basis von Superkondensatoren haben die Japaner für diese Saison auf einen V6-Turbomotor mit 2,4 Litern Hubraum gewechselt – die elektrische Energie wird wie bei den deutschen Rennwagen jetzt in einer Lithium-Ion-Batterie gespeichert.