24 Stunden von Le Mans Der Diesel, Freud oder Leid für den VW-Konzern?

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Die Zuverlässigkeit entscheidet

Jeder der drei Hersteller, die mit ihren Hybrid-Sportwagen um den Gesamtsieg kämpfen, hat in diesem Jahr bereits Führungskilometer in der Langstrecken-Weltmeisterschaft verbucht. In Le Mans gelten noch einmal andere Bedingungen als bei den WEC-Läufen in Silverstone (Großbritannien) und in Spa (Belgien). Niemand kann auf dem 13,629 Kilometer langen Kurs trainieren, da er überwiegend aus öffentlichen Straßen besteht und nur für den Testtag und die Rennwoche abgesperrt wird.

Nicht nur wegen der vollkommen neuen Rennwagen von Audi und Toyota gehen Experten davon aus, dass das 24-Stunden-Rennen in diesem Jahr wohl so hart wie noch nie wird. „Wenn die schnellsten vier Autos beim Testtag auf einer Strecke von über dreizehn Kilometern innerhalb von 1,2 Sekunden liegen, unterstreicht dies, was wir seit Beginn des Jahres sagen: Es geht in dieser Saison nochmals enger zu – und das gilt für Le Mans erst recht“, sagt Fritz Enzinger, Leiter des Le-Mans-Programms bei Porsche.

Bei besagtem Testtag Anfang des Monats hatte Audi die Nase knapp vorne. Das müssen die Ingolstädter aber auch sein, wenn sie im Rennen um den Sieg eine Rolle spielen wollen. Denn anders als bei Straßenautos, wo die sparsameren Dieselmotoren mit einer Tankfüllung weiter kommen als ein Benziner, hat der Diesel in Le Mans wegen spezieller Regeln bei Energiegehalt und Tankgröße einen Reichweiten-Nachteil gegenüber den Benzinern von Porsche und Toyota.

Audi hat einen Reichweiten-Nachteil

Wie erwähnt bevorzugt das Reglement energieeffiziente Autos. Da Porsche und Toyota pro Rennrunde mehr elektrische Energie als Audi nutzen, haben sie als Gegenleistung einen etwas größeren Tank bekommen. Sie können so zwischen zwei Tankstopps 14 Runden fahren, Audi muss nach dreizehn Runden erneut Kraftstoff nachfassen. Über die Renndauer heißt das, dass Audi öfters an die Box kommen muss, was jeweils Zeit kostet. Laut den eigenen Simulationen müssen sie im Umkehrschluss 0,4 Sekunden pro Runde schneller als die Benziner fahren, um den Zeitverlust durch das Tanken wieder auszugleichen.

Die somit erzwungenen unterschiedlichen Strategien der drei Werksteams haben in den ersten beiden Saisonläufen zu extrem engen und spannenden Rennen geführt. In Silverstone haben sich die beiden VW-Töchter bis zur letzten Runde im Abstand von wenigen Sekunden um den Kurs gejagt. In Belgien gab Toyota im Rennen den Ton an, nach technischen Problemen ging der Sieg aber dennoch an Audi.

Fun Facts zu den 24 Stunden von Le Mans

Neben der Strategie wird bei sechs nahezu gleich schnellen Autos noch ein zweiter Punkt über Sieg und Niederlage entscheiden: die Zuverlässigkeit. Bereits im vergangenen Jahr ging der Sieg an den eigentlich als Drittbesetzung geplanten Porsche mit der Startnummer 19 – am Steuer saßen Formel-1-Pilot Nico Hülkenberg und die Werksfahrer Nick Tandy und Earl Bamber. Entscheidend war nicht der Speed des Trios, sondern die Tatsache, dass sie im Gegensatz zu den anderen Werksautos ohne technische Probleme, Fahrfehler und Kollisionen über die 24-Stunden-Distanz gekommen sind.

In den ersten beiden Saisonrennen hat es keiner der drei Hersteller geschafft, ein Auto ohne Probleme ins Ziel zu bekommen. Bei Audi streikte etwa das neu konstruierte Verteilergetriebe des Hybridantriebs an der Vorderachse, auch bei Porsche fiel die Elektro-Power aus, Toyota verlor in Spa beide Autos mit Motorschäden bei dem Benziner.

Egal ob Spritverbrauch, Reifenverschleiß, Wartungsfreundlichkeit oder Service an der Box: Vieles lässt sich errechnen, einiges kann man erproben und manches trainieren. Niemals jedoch werden die Strategen alles in Wenn-dann-Szenarien erfassen, was in 24 Stunden passieren kann. Oder wie Porsche-Werksfahrer Mark Webber es formuliert: „Le Mans ist brutal. Ehe man sich Gedanken um die Gegner macht, muss man erst einmal das Rennen selbst bezwingen.“

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