Ist die Vorstellung der E-Autos in Frankfurt mehr Schein als Sein?
Die Messe drückt für viele das Sinnbild der alten Autowelt aus – eine betagte Leistungsschau, bei der die Unternehmen mit Luxus- und Sportwagen oder spektakulären Showcars protzen. Das ist auch immer noch so, nur haben viele der Neuheiten inzwischen einen Elektroantrieb. Gerade die deutschen Hersteller wollen die heimische Automesse nutzen, um sich als Innovationsführer zu zeigen.
Sprich: Fast jedes Unternehmen hat sich die Elektromobilität auf die Fahnen geschrieben. Es wird in Frankfurt vieles rund um den Stromantrieb zu sehen geben. Das steht außer Frage. Dennoch gibt es mit dem Frankfurter Elektro-Boom zwei Probleme.
Zum einen werden die ausgestellten Elektroautos nicht so bald zu den Händlern rollen. Audi dürfte den e-tron quattro frühestens im Sommer 2018 bringen, ungefähr gleichzeitig zu dem Jaguar i-Pace. Bis zu den Elektroautos von Mercedes und Porsche wird es bis zum Ende des Jahrzehnts dauern, BMW bringt 2020 einen elektrischen X3 und 2021 den iNext. VW gab im August grünes Licht für die Serienproduktion des Elektro-Bulli. Bis der auf den Markt kommt, werden noch mindestens zwei Jahre vergehen.
Zwei Jahre, in denen die Konkurrenz nicht schläft noch größer wird: Problem Nummer zwei. Tesla will bis dahin weit über eine halbe Million Elektroautos verkaufen. Nissan hat die zweite Generation des Leaf bis dahin auf den Markt gebracht. Der seit 2011 gebaute Leaf war das meistverkaufte Elektroauto der Welt. Volvo will sich in den kommenden Jahren zunehmend vom Verbrenner lösen. Und dann sind da noch die chinesischen Hersteller, die oft direkt auf den Elektroantrieb setzen und gar nicht versuchen, den Vorteil der deutschen Hersteller bei den Verbrennungsmotoren aufzuholen.
Wie wichtig ist die IAA überhaupt noch?
Sie ist nicht mehr so relevant wie noch vor einigen Jahren. Damals war die IAA ein echter Pflichttermin für jeden, der in der Branche etwas auf sich hielt. Heute wird der Messeauftritt in Frankfurt in vielen Unternehmen kritischer beäugt, zurechtgestutzt oder gar ganz gestrichen – dazu später mehr.
Das Besucherinteresse wird wieder hoch sein. An den Publikumstagen dürfte es um die Stände kaum ein Durchkommen geben. Ob am Ende ein neuer Rekord dabei herausspringt, ist nebensächlich. Hauptsache es ist voll und der Veranstalter VDA kann in Zeiten von Fahrverbot-Diskussionen und neuen Mobilitätsdiensten demonstrieren, dass das Automobil als Objekt der Begierde nicht ausgedient hat.
Anders sieht es möglicherweise bei den Fachbesuchern aus. Am Rande einer solchen Branchenschau werden unzählige Geschäfte gemacht und Kontakte gepflegt. Doch in einer nicht repräsentativen Umfrage unter Nutzern des Fachmagazins „Automobil Produktion“ gab immerhin rund ein Drittel der Befragten an, die IAA für ein Auslaufmodell zu halten. Zusätzliche sechs Prozent der Nutzer wollten sogar lieber das Münchner Oktoberfest besuchen. Die Zustimmung des Fachpublikums zu dem Messekonzept liegt aktuell bei über 50 Prozent, Tendenz schnell sinkend.
Gibt es bei der IAA neue Aussteller?
Ja, aus den unterschiedlichsten Bereichen. Besonders interessant dürften die Messeauftritte von zwei chinesischen Autokonzernen sein. 2011 hatte sich bereits Changan in Frankfurt versucht. Doch sowohl die Präsentation als auch die Exponate wirkten stümperhaft. 2017 kommt mit Chery der größte Fahrzeugexporteur Chinas auf das Messegelände. Ebenfalls in Halle 8 wird Wey seine Premiere feiern. Die Premiummarke von Great Wall soll auch in Europa etabliert werden. Great Wall ist einer der größten SUV-Hersteller des Landes.
Die wichtigsten Automessen der Welt
Dies ist die Leitmesse für Nordamerika. Vor allem für Pick-ups und SUV-Geländewagen können sich die Besucher hier begeistern. Bei der North American International Auto Show (NAIAS) stehen die schweren Karossen an nahezu jedem Messestand. Detroit eröffnet traditionell das Autojahr. 2017 ist die Messe bereits vorbei, für 2018 ist inklusive Presse- und Fachbesuchertagen der 14. bis 28. Januar als Termin angepeilt.
Hier zeigt vor allem die europäische Autoindustrie neue Modelle. In diesem Jahr werden am Genfer See vom 7. bis zum 19. März knapp 150 Welt- und Europapremieren vorgestellt – mehr als im vergangenen Jahr.
China ist der größte Automarkt der Welt und speziell für deutsche Hersteller von Bedeutung. Die größte Automesse Asiens findet in diesem Jahr vom 19. bis 28. April in Shanghai statt. Von Jahr zu Jahr wechselt die Messe zwischen der chinesischen Hauptstadt und dem „Paris des Ostens“.
Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt findet im Wechsel mit der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover alle zwei Jahre statt. Hier werden meist besonders viele neue Modelle vorgestellt. In diesem Jahr gibt es vom 12. bis zum 24. September wieder eine IAA in Frankfurt.
Die Schau „Mondial de l'Automobile“ in Paris findet alle zwei Jahre statt. 2018 feiert sie vom 2. bis zum 14. Oktober 120-jähriges Jubiläum. Die Franzosen werben mit dem weltweit größten Besucherandrang bei Automessen – vergangenes Jahr sorgten die Pariser Terroranschläge von November 2015 aber für deutlich weniger Gäste.
Sie ist alle zwei Jahre die große Bühne der japanischen Hersteller wie Toyota, Mitsubishi und Mazda. Die Messe findet im Herbst statt, dieses Jahr vom 25. Oktober bis 5. November.
Zudem kommen auch einige Konzerne zur IAA, die man auf den ersten Blick dort nicht erwarten würde. Neben Facebook zählt Thyssenkrupp dazu. Der deutsche Industriekonzern kehrt nach zehn Jahren auf die Messe zurück. Thyssenkrupp macht ein Viertel seiner Umsätze mit der Autoindustrie – nicht nur mit Stahl für die Karossen, hier geht rund die Hälfte der Jahresproduktion direkt oder indirekt in die Autobranche. Mit der Komponentensparte, die quasi ein Autozulieferer ist, liefert der Essener Traditionskonzern auch Fahrwerks- und Lenkungsteile an die Autobauer.
Auch der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck stellt in Frankfurt aus – vor allem neue Kunststoffe, die auch im Autobau zum Einsatz kommen können.
Was ändert sich bei den bestehenden Ausstellern?
Der Daimler-Konzern mietet wieder die gesamte Festhalle am östlichen Ende des Messegeländes, BMW Halle 11 ganz im Westen und der VW-Konzern belegt Halle 3. Das sind die Konstanten. Zumindest fast: Hatte sich Audi bei den vergangenen Ausgaben der IAA noch eine eigene, temporäre Halle auf dem „Agora“ genannten Platz zwischen den Hallen 3, 4 und 5 geleistet, spart man sich in Zeiten der Diesel-Krise diesen extravaganten Auftritt – und zieht mit in die VW-Halle 3 ein.
Auch einige andere Stände ziehen um. Halle 6 bleibt in diesem Jahr leer – zuvor hatten sich dort sämtliche Marken des FiatChrysler-Konzerns präsentiert und am westlichen Ende der Halle stellte Hyundai seine Autos aus. Von FCA kommen dieses Jahr nur Ferrari und Maserati nach Frankfurt. Da die beiden Sportwagen-Marken nicht den ganzen Platz von Fiat, Alfa Romeo, der inzwischen beerdigten Marke Lancia, Jeep und Dodge ausfüllen, wurde umgeplant. Die beiden italienischen Autobauer ziehen in Halle 5, Hyundai stellt 2017 in Halle 8 aus.
Im Zuge dieser Umverteilung zieht auch Borgward um. Hatte die junge deutsch-chinesische Marke 2015 noch in Halle 5 seine ersten Prototypen präsentiert, ist der Stand in diesem Jahr in Halle 9 zu finden.