Sie müssen die Ladestationen auch verkaufen – bei teuren Schnellladesäulen an Unternehmer und Gemeinden, bei der Wallbox für die heimische Garage zum ersten Mal auch an den Endkunden. Welcher Vertriebsweg ist komplexer?
Beide Wege sind für uns sehr wichtig. Mit Energieversorgern haben wir unsere etablierten Vertriebswege, mit Stadtwerken und Gemeinden haben wir bereits heute viele Kontakte. Im Endkunden-Vertrieb fangen wir nicht bei null an: Wir sind schon heute in Deutschland Marktführer bei der Gebäudeautomation und arbeiten mit mehr als 10.000 Installateuren zusammen, die wir regelmäßig schulen. Wer also zu seiner Gebäudeautomation noch eine Ladesäule haben will, wird hier gut beraten.
Bislang baut ABB nur Ladesäulen für Elektroautos. Bei Elektrobussen bieten Sie auch ganze Antriebsstränge an. Planen Sie das auch für Autos?
Bei Bussen, Lkw und sogenannten Off-Highway-Fahrzeugen werden wir das Angebot auch weiter ausbauen. Wir gehen aber nicht in Personenwagen. Der Markt tickt anders, wir haben dort keine Vertriebskette. Wir konzentrieren uns auf die Geschäfte mit der Autobranche, die heute gut laufen und in denen wir weiter Wachstumschancen sehen: Ladeinfrastruktur und Fabrikautomation.
In der vergangenen Woche wurde eine von ABB unterstützte Studie der TU München veröffentlicht, die im Jahr 2030 von einem Bedarf von 600.000 Ladesäulen ausgeht. Welchen Marktanteil peilen Sie an?
Bei den Stromnetzen und der Elektrifizierung sind wir Weltmarktführer – mit einem zweistelligen Marktanteil. In den jungen Markt der Elektromobilität sind wir mit Nachdruck eingestiegen und haben schon heute einen hohen Marktanteil und einen Auftragseingang im dreistelligen Millionenbereich. Unser Anspruch ist, langfristig Weltmarktführer zu bleiben. Ich will mich da nicht auf eine Prozentzahl festlegen. Langfristig heißt aber, dass wir hochwertige und sichere Produkte liefern. Wir dürfen uns nicht übernehmen und Dinge versprechen, die wir nicht halten können.
Ein weiteres Ergebnis dieser Studie war, dass sich Schnellladesäulen derzeit kaum profitabel betreiben lassen. Muss die Politik hier eingreifen und fördern?
Wir haben ein klassisches Henne-Ei-Problem. In der Vergangenheit hieß es, wir hätten zu wenige Fahrzeuge – heute freue ich mich, wenn ich sehe, wie viele Modelle bald auf den Markt kommen. Dann hieß es, es gebe keine Schnelllade-Technik, die es erlaubt in weniger als zehn Minuten zu laden. Das haben wir jetzt auch gelöst. Jetzt müssen wir sicherstellen, dass diese Technologie verfügbar ist, wenn die Fahrzeuge auf den Markt kommen.
Tesla und seine Verfolger
Erhältlich in Europa etwa 2019
Reichweite ca. 350 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung)
Preis ab ca. 40.000 Euro (noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Erhältlich ab Januar 2018
Reichweite ca. 300 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung)
Preis ab 34.950 Euro (ohne Umweltprämie)
Erhältlich ab März 2018
Reichweite ca. 420 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung)
Preis ab ca. 75.000 Euro (noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Erhältlich ab Herbst 2018
Reichweite ca. 420 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung, noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Preis ab ca. 70.000 Euro (noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Erhältlich ab Winter 2019/20
Reichweite ca. 400 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung)
Preis ab ca. 50.000 Euro (noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Erhältlich ab Ende 2019
Reichweite ca. 380 Kilometer (realistisch bei alltagsüblicher Nutzung, noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Preis ab ca. 32.000 Euro (noch nicht offiziell, WirtschaftsWoche-Schätzung)
Also, brauchen Sie Förderung oder glauben Sie, dass die freie Marktwirtschaft das selbst regelt?
Ich glaube nicht, dass wir eine Subvention brauchen. Energieversorger steigen zunehmend in das Geschäft ein. Mit EnBW haben wir 117 Ladestationen entlang der Autobahnen gebaut, bald kommen noch mehr. In den USA haben wir von dem Start-up Electrify America den Auftrag bekommen, einen erheblichen Teil ihres Ladenetzes aufzubauen. Ich gehe davon aus, dass in den kommenden Jahren aus diesen Start-ups Geschäftsmodelle entstehen, mit denen Geld verdient wird. Das Geschäftsmodell Ladestation muss man aber auch gesamtheitlich sehen – daraus ergibt sich ein weiteres Modell.
Welches?
In vielen Fällen geht es nicht darum, ob die Einkünfte aus dem Ladestrom ausreichen, um die Anschaffungskosten auszugleichen. Die großen Tankstellenbetreiber verdienen heute schon mehr mit ihrem Shop als mit dem Kraftstoff. Um die Umsätze im Shop zu halten, brauchen sie künftig eine Ladesäule vor der Tür. Ähnliches gilt für Supermärkte: Wenn die Kunden freiwillig ein paar Minuten länger im Laden bleiben, damit das Auto noch laden kann, kaufen sie mehr sein. Ladesäulen auf dem Parkplatz können zu einem wichtigen Argument werden, dass ein Kunde einen bestimmten Supermarkt aufsucht. Oder aber für Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern auf dem Firmenparkplatz etwas bieten wollen.