
Nach wochenlangen Nachprüfungen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Rückrufe für weitere manipulierte Diesel-Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern genehmigt. Konkret umfasse die Freigabe der Behörde Varianten der vier Audi-Modelle A4, A5, A6 und Q5 sowie des Seat Exeo, bestätigte am Donnerstag auf Anfrage ein KBA-Sprecher in Flensburg Informationen der Deutschen Presse-Agentur. All diese Fahrzeuge sind mit der von VW entwickelten 2,0-Liter-Variante des Skandal-Motors EA 189 ausgestattet.
Die ebenfalls in dieser Rückrufwelle enthaltenen Autos der Marken VW (Passat) und Skoda (Superb) müssen dagegen weiter auf eine Erlaubnis warten. Deutschlandweit umfasst diese Welle rund 250.000 Fahrzeuge - darunter 160.000 Passat und 90.000 Modelle von Audi, Skoda und Seat. Aus Unternehmenskreisen heißt es, die Tests würden noch mindestens bis in die kommende Woche andauern.
Nach Informationen der WirtschafsWoche dürfte der Rückruf des Passat erst im Juni starten. Bei Verbrauchsmessungen des KBA hatte das Dieselauto nach dem Update der Software für die Motorsteuerung zwar 40 Prozent weniger Stickoxide ausgestoßen. Dafür war der Kraftstoffverbrauch um 0,025 Prozent angestiegen. Die Experten des Kraftfahrtbundesamtes, die seit der Aufdeckung des Dieselskandals schwer in der Kritik stehen, hatten den Reparaturvorschlag von Volkswagen deshalb unter Hinweis auf die neue Null-Toleranz-Politik von Amtsleiter Ekhard Zinke abgelehnt.
Bei den Audi-Modellen sinken die NOx-Emissionen durch das Software-Update nicht ganz so dramatisch. Dafür bleibt der Verbrauch unverändert.
Für die Entwicklung der neuen Software und die Erprobung im Alltagsverkehr rechnet Volkswagen mit einem Zeitaufwand von etwa vier Wochen. Anschließend wird das KBA eigene Tests fahren – und dann entscheiden, ob die Software freigegeben werden kann. Der erneute Rückschlag erhöht nicht nur die Kosten für den Rückruf von insgesamt elf Millionen Dieselautos in Europa, sondern bringt vor allem die VW-Werkstätten in Bedrängnis, die für die Rückrufaktion teilweise zusätzliches Personal eingestellt hat, um die Reparatur schnellstmöglich durchführen zu können.
Wie die Adblue-Technik funktioniert
Verbrennt Diesel in Motoren, entstehen Rußpartikel und Stickoxide. Die Partikel dringen in die Lunge ein und können Krebs verursachen, Stickoxide reizen die Schleimhäute der Atemwege und Augen und erhöhen das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Sie fördern zudem die Ozonbildung. Damit möglichst wenig der Schadstoffe in die Umwelt gelangt, werden in modernen Fahrzeugen die Abgase in zwei oder drei Stufen gereinigt – zumindest in der Theorie.
Ist die Verbrennungstemperatur im Motor hoch, entstehen wenig Partikel, aber viel Stickoxide. Bei niedrigen Temperaturen ist es umgekehrt.
Der erste Katalysator filtert rund 95 Prozent der Rußpartikel heraus.
Sensoren messen die Stickoxidkonzentration im Abgas. Die Kontrolleinheit spritzt entsprechend Adblue (Harnstofflösung) in den zweiten Katalysator.
Das Adblue reagiert im zweiten Katalysator – das Verfahren heißt selektive katalytische Reduktion (SCR) – zu harmlosem Wasser und Stickstoff. Mehr als 95 Prozent der Stickoxide werden so entfernt.
Nicht alle modernen Dieselfahrzeuge verfügen über die effektive, aber teure Adblue-Technik. Eine Alternative ist der NOx-Speicherkatalysator. Darin werden auf Edelmetallen wie Platin und Barium die Stickoxide gespeichert. In regelmäßigen Abständen wird der Speicherkatalysator freigebrannt, dabei werden die Stickoxide zu unvollständig verbrannten Kohlenwasserstoffen – und/oder Kohlenstoffmonoxid – weiter reduziert. Zum Teil werden auch SCR- und NOx-Speicherkatalysatoren kombiniert – wie etwa im BMW X5.
Weltweit sind mehr als elf Millionen Fahrzeuge von den Manipulationen betroffen. Laut VW sollen zumindest in Europa die Rückrufe in diesem Jahr abgeschlossen werden. In den USA konnte bislang noch keine Einigung mit den Behörden zum nötigen Prozedere erzielt werden. Hier ist der Ablauf völlig offen.
Ursprünglich hatte Volkswagen die zweite Rückrufwelle bereits in der neunten Kalenderwoche starten wollen. Doch das KBA verweigerte das grüne Licht. Offizielle Gründe dafür sind nach wie vor nicht zu erfahren, weder Volkswagen noch das KBA wollen sich näher äußern.
Bei Audi und Seat wurde die Freigabe wohlwollend aufgenommen: „Das ist die erste Welle des Rückrufs bei Audi. Damit gehen wir jetzt an den Start, was unsere Autos betrifft“, sagte ein Sprecher der VW-Tochter in Ingolstadt. Europaweit würden nun die Besitzer von 107.000 Autos angeschrieben und um einen Termin gebeten. Theoretisch könne es noch ein paar Tage dauern, bis die Kunden Post erhielten. Bei Audi sind europaweit 2,3 Millionen Diesel-Motoren betroffen.
Bevor bei Seat der Rückruf eingeläutet werden kann, muss zudem noch eine weitere Genehmigung vorliegen. „Im Moment warten wir noch auf die Bestätigung vom spanischen Industrieministerium, welches unsere Typgenehmigungsbehörde ist“, erklärte eine Sprecherin. Bei Seat sind neben dem Exeo auch Modelle des Alhambra, des Altea, des Ibiza, des Leon und des Toledo mit der Betrugssoftware ausgestattet. Ihre Rückrufe sollen in weiteren Etappen folgen.
Bei VW selbst durften bislang nur einige tausend Modelle des Pickup Amarok in die Werkstätten gerufen werden. Obwohl sich der Konzern offiziell gelassen zu den bereits verlorenen Wochen gibt, sorgt der Zeitverlust hinter den Kulissen für Unruhe. Intern wird der Verzug nach dpa-Informationen auf über eine Viertelmillion Wagen beziffert.
Um den organisatorischen Aufwand zu bündeln, hatte VW die Rückrufe nicht nach Fahrzeugmodellen, sondern nach Motoren geordnet. In einem Kundenbrief nannte der Konzern Mitte Februar für die Wagen mit 1,2 Litern Hubraum einen Beginn ab dem 30. Mai (Kalenderwoche 22). Die mittelgroßen Motoren mit 1,6 Litern Hubraum sind ab dem 5. September (Kalenderwoche 36) an der Reihe – bei ihnen muss nicht nur eine Software überspielt, sondern auch ein neues Bauteil eingebaut werden.