Sollten sich die Vorstände mehrerer Autobauer abgesprochen haben, geschlossen die Einspritzmenge der AdBlue-Lösung zu reduzieren – damit keiner der Hersteller einen Kosten- und Gewichtsnachteil durch einen zu großen, aber legalen Tank hätte – wäre dies illegal.
Audi, Volkswagen, BMW und Daimler wollten sich nicht zu angeblichen Absprachen über die Tankgrößen äußern. Opel betonte gegenüber den Blatt, dass jeder Hersteller „seine eigene Strategie gewählt“ habe. Auch die Kartellbehörde hülle sich bisher in Schweigen.
Die deutschen Autobauer haben aber bereits vor 2010 gemeinsam über die Harnstoff-Technologie gesprochen. Daimler (damals doch DaimlerChrysler) hatte gemeinsam mit dem Zulieferer Bosch Mitte der 2000er Jahre die AdBlue-Technik entwickelt, die bei den Mercedes-Dieseln unter dem Namen „Bluetec“ verkauft wurde. Da die großen Limousinen und SUV mit dem sparsamen, aber aus Stickoxid-Gesichtspunkten dreckigen Diesel auch vermehrt in den USA verkauft werden sollten, half AdBlue sehr.
Nur war Daimler alleine zu klein, um den neuen, sauberen Diesel in den USA zu promoten. Deshalb wollten die deutschen Hersteller gemeinsam die AdBlue-Technologie in den USA etablieren: Daimler und Bosch stellen auch VW, Audi und BMW ihre Harnstoff-Lösung zur Verfügung, im Gegenzug starten alle Hersteller in den USA eine Diesel-Offensive.
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Zu jener Zeit ist verschiedenen Berichten zufolge auch in der Wolfsburger Motorenentwicklung die Erkenntnis gereift, dass ein einfacher Speicherkatalysator nicht ausreicht, um die strengen Richtlinien in den USA einzuhalten. Doch der VW-Vorstand (Vorsitzender war damals der ehemalige BMW-Manager Bernd Pischetsrieder) soll sich für eine eigene Lösung ohne die Daimler-Technik entschieden haben. Aus Industriekreisen ist immer wieder zu hören, dass der damalige VW-Markenchef Wolfgang Bernhard (seines Zeichens von Daimler zu VW gewechselt) sich vehement für die saubere, aber teurere Daimler-Technik eingesetzt haben. Kurze Zeit später verließ Bernhard das Unternehmen im Streit.
Der Rest ist bekannt: VW hat bei vielen Modellen auf den weniger leistungsfähigen Speicherkat gesetzt, und bei den AdBlue-Modellen die Einspritzmenge reduziert. Letzteres steht inzwischen auch bei Daimler im Fokus. Nur ob sie sich dabei abgesprochen haben, werden jetzt die Ermittler aus Brüssel unter die Lupe nehmen.