
Der Skandal um manipulierte Abgaswerte hat den Volkswagen-Konzern in seinen Grundfesten erschüttert. Aus rund 500.000 betroffenen Autos in den USA wurden binnen Tagen mehrere Millionen Fahrzeuge weltweit. Konzernchef Martin Winterkorn musste zurücktreten, die Aufarbeitung läuft. Andere Autobauer hatten eine Manipulation à la Volkswagen seitdem wiederholt bestritten.
Jetzt droht Opel Ungemach: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat zusammen mit der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule einen Zafira mit 1,6-Liter-Diesel (136 PS) getestet und dabei teils eklatante Überschreitungen des Grenzwerts für Stickoxide (NOx) gemessen.
In bestimmten Fahrsituationen soll der Gebrauchtwagen (Erstzulassung im August 2015) mit 6.000 Kilometern Laufleistung den laut Euro-6-Norm zulässigen Wert von 80 Milligramm pro Kilometer um das 17-Fache überschritten haben. Im Schnitt lagen die NOx-Werte um das Zwei- bis Dreifache über dem Grenzwert – die Vorschriften für den CO- und CO2-Ausstoß wurden zu jeder Zeit eingehalten.
Der Test fand auf einem Rollenprüfstand statt. "Die Messresultate zeigen, dass das Fahrzeug sich anders verhält, wenn der Rollenprüfstand im 4- oder 2-Rad Modus betrieben wird", heißt es in dem Prüfbericht, den die DUH in Auszügen veröffentlicht hat. Soll heißen: Mit drehenden Hinterrädern stieß der getestete Zafira mehr NOx aus, mit drehenden Vorderrädern und stehenden Hinterrädern – womit jeder Software die Prüfstandssituation klar wird – hält der Wagen laut DUH den Grenzwert von 80 Milligramm ein.
Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa
Neue Modelle werden in Deutschland und der EU nach dem Modifizierten Neuen Fahrzyklus (MNEFZ) getestet. Die Tests laufen unter Laborbedingungen, das heißt auf einem Prüfstand mit Rollen. Dies soll die Ergebnisse vergleichbar machen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und simuliert verschiedene Fahrsituationen wie Kaltstart, Beschleunigung oder Autobahn-Geschwindigkeiten.
Getestet wird von Organisationen wie dem TÜV oder der DEKRA unter Beteiligung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dieses untersteht wiederum dem Verkehrsministerium.
Die Prüfungen der neuen Modelle werden von ADAC und Umweltverbänden seit längerem als unrealistisch kritisiert. So kann etwa die Batterie beim Test entladen werden und muss nicht - mit entsprechendem Sprit-Verbrauch - wieder auf alten Stand gebracht werden. Der Reifendruck kann erhöht und die Spureinstellungen der Räder verändert werden. Vermutet wird, dass etwa der Spritverbrauch im Alltag so häufig um rund ein Fünftel höher ist als im Test.
Neben den Tests für neue Modelle gibt es laut ADAC zwei weitere Prüfvorgänge, die allerdings weitgehend in der Hand der Unternehmen selbst sind. So werde nach einigen Jahren der Test bei den Modellen wiederholt, um zu sehen, ob die Fahrzeuge noch so montiert werden, dass sie den bisherigen Angaben entsprechen, sagte ADAC-Experte Axel Knöfel. Zudem machten die Unternehmen auch Prüfungen von Gebrauchtwagen, sogenannte In-Use-Compliance. Die Tests liefen wieder unter den genannten Laborbedingungen. Die Ergebnisse würdem dann dem KBA mitgeteilt. Zur Kontrolle hatte dies der ADAC bei Autos bis 2012 auch selbst noch im Auftrag des Umweltbundesamtes gemacht, bis das Projekt eingestellt wurde. In Europa würden lediglich in Schweden von staatlicher Seite noch Gebrauchtwagen geprüft, sagte Knöfel.
Die EU hat auf die Kritik am bisherigen Verfahren reagiert und will ab 2017 ein neues, realistischeres Prüfszenario etablieren. Damit sollen auch wirklicher Verbrauch und Schadstoffausstoß gemessen werden ("Real Driving Emissions" - RDE). Strittig ist, inwiefern dafür die bisherigen Abgas-Höchstwerte angehoben werden, die sich noch auf den Rollen-Prüfstand beziehen.
Eine Besonderheit konnten die Tester auch feststellen: Bei stehenden Hinterrädern stieg bei einer gleichmäßigen Beschleunigung auf 150 km/h die NOx-Emission schlagartig an und überschritten sogar die Messskala des Analysegeräts. "Das Verhalten könnte durch eine Abschaltung der AdBlue-Dosierung erklärbar sein", heißt es in dem Bericht. "Ein ähnliches Verhalten war während des 4-Radantriebmodusbetriebs nicht feststellbar." Anhand der Messungen zeige sich die Tendenz, dass die NOx-Emissionen vom Prüfstandmodus abhängig seien. Das Verhalten der SCR-Anlage – also dem Speicher-Katalysator – scheine vom Prüfstandmodus mit zwei oder vier Rädern abhängig zu sein, da die NOx-Verläufe in beiden Betriebsarten unterschiedlich sind, so die DUH.
Opel hält die Anschuldigungen für " eindeutig falsch und unbegründet"
Der Autobauer selbst bestreitet auf DUH-Nachfrage eine Prüfstandserkennung und -anpassung. "Die von GM entwickelte Software hat keine Features, die erkennen, ob sich ein Fahrzeug gerade in Emissionstest-Zyklen befindet", so Opel. Man habe die Tests mit einem eigenen Auto nachgefahren und "zwar sowohl auf einem Zwei- als auch einem Vier-Rollen-Prüfstand. Das jeweils ermittelte Emissionsverhalten weicht nicht voneinander ab." Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa wies der Autobauer die Anschuldigungen als unseriös und nicht nachvollziehbar zurück. "Da ist überhaupt nichts dran", sagte ein Sprecher.
In einer Stellungnahme des Autobauers heißt es: "Die Ergebnisse des Zafira-Tests der Deutschen Umwelthilfe sind für uns nicht nachvollziehbar. Es ist in höchstem Maße unfair, dass die Deutsche Umwelthilfe Behauptungen aufstellt, uns aber trotz mehrfacher Aufforderung die angeblich gemessenen Werte nicht zur Verfügung gestellt hat." Bei eigenen Tests hätten die Werte sowohl in den Zweirad- als auch den Vierradmessungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gelegen. "Dies ist zwangsläufig der Fall, da es keinerlei Einflüsse auf das Abgasnachbehandlungssystem gibt, wenn sich beim Zafira die Hinterräder drehen", so Opel. "Das heißt: Die Anschuldigungen sind eindeutig falsch und unbegründet."