Abgas-Vorwürfe gegen Renault Funkstille in Paris

Nach den Abgas-Vorwürfen gegen Renault schweigt der sonst redefreudige Konzernchef Carlos Ghosn beharrlich und verwirrt damit die Märkte. Nur soviel: Der Autobauer will in den kommenden Wochen einen Abgas-Plan vorlegen

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Renault-Chef Carlos Ghosn neben der neuen Limousine Talisman: Das Schweigen des großen Herrschers verwundert die Märkte. Quelle: REUTERS

Wann hat ein Autobauer betrogen? Wenn in Volkswagen-Manier eine Software eingesetzt wird, um die Messungen auf den Abgas-Prüfständen auszutricksen? Oder ist es bereits in Betrug am Kunden, wenn das Auto auf der Straße mehr Schadstoffe ausstößt als im Prospekt (und der behördlichen Zulassung) angegeben?

Auf diese Frage sucht man in der Pariser Konzernzentrale von Renault derzeit dringen nach einer Antwort. In der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass Diesel-Modelle von Renault und mehrerer nicht-französischer Marken in einer Stichprobe die Normen für CO2 und Stickoxid überschritten hatten. Die Zufalls-Tests hatte die französische Regierung nach dem VW-Abgas-Skandal angeordnet. Anders als bei Volkswagen wurde bei Renault aber keine Software zur Manipulation der Werte gefunden. Wurde also betrogen oder nicht?

VW bleibt trotz Dieselgate vor Toyota
Toyota – 1. Halbjahr 2016Der japanische Branchenprimus, zu dem auch der Kleinwagenbauer Daihatsu Motor und der Nutzwagenhersteller Hino Motors gehören, verkaufte zwischen Januar und Juni global 4,99 Millionen Autos. Das ist ein Rückgang zum Vorjahreszeitraum von 0,6 Prozent. Die ganze Halbjahres-Bilanz auch mit Umsatz- und Gewinnkennzahlen legt der japanische Konkurrent am 4. August vor. Quelle: AP
Volkswagen (Konzern) – 1. Halbjahr 2016Krise? Welche Krise? Die Abgas-Affäre scheint die Auslieferungen bei Volkswagen nicht zu bremsen. Pünktlich zum Halbjahr setzt sogar die schwächelnde Kernmarke zur Wende an. Mit 2,925 Millionen verkauften Volkswagen blieb die Marke zwar knapp unter dem Vorjahresergebnis, die Tendenz im Juni zeigte aber um fast fünf Prozent nach oben. Mit dem starken Juni stehen nach sechs Monaten die Zeichen bei den Verkäufen klarer als zuvor auf Zuwachs: 5,12 Millionen Fahrzeuge – vom VW-Up bis zum schweren Scania-Lkw – sind 1,5 Prozent Verbesserung im Vergleich zum ersten Halbjahr 2015. Trotz Diesel-Krise steuert der Konzern damit 2016 bisher auf ein Auslieferungsplus zu. Nach fünf Monaten Ende Mai hatte der Zuwachs lediglich bei 0,8 Prozent gelegen. Zumindest als Momentaufnahme scheint der Autobauer damit zehn Monate nach dem Ausbruch der Diesel-Krise eine Durststrecke zu verlassen. Quelle: dpa
BMW – 1. Halbjahr 2016Zwischen Januar und Juni diesen Jahres wurden weltweit 986.557 BMW verkauft. Damit konnten die Münchner im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent zulegen. Allein im Juni stieg der Absatz um 9,7 Prozent auf 189.097 – mit den Marken Mini und Rolls-Royce kommt der Konzern sogar auf 227.849 Autos (+9,1 Prozent). Für das Plus sorgte demnach vor allem die hohe Nachfrage in Europa und Asien. In den USA dagegen schrumpfte der Absatz. Mit den knapp 190.000 Fahrzeugen im Juli lag BMW vor den beiden Dauer-Konkurrenten Audi (169.000 Autos) und Mercedes (188.444 Fahrzeuge). Doch wie sieht es im gesamten ersten Halbjahr aus? Quelle: dpa
Audi – 1. Halbjahr 2016Zumindest Audi konnte BMW hinter sich lassen. Die Ingolstädter konnten zwar zulegen, mit 5,6 Prozent fiel das Wachstum aber geringer aus als bei der Konkurrenz aus München – genauso die absolute Zahl an Auslieferungen von 953.200 Fahrzeugen. Dennoch ist die Bilanz für Audi positiv. Man habe den Absatz in allen Weltregionen steigern können, sagte Vertriebsvorstadn Dietmar Voggenreiter. Spaß-Modelle wie das TT Cabrio im Bild tragen traditionell wenig zum Volumen bei. Zu den größten Treibern gehörten die Baureihen A4 mit einem Plus von 12,3 Prozent und das Oberklasse-SUV Q7, das es nach dem Modellwechsel im Vorjahr auf ein Plus von satten 73,6 Prozent bringt. Auch für das zweite Halbjahr ist Voggenreiter optimistisch: Dann stehen die Premieren des überarbeiteten A3 und der komplett neuen Baureihen A5 und Q2 an. Quelle: obs
Daimler – 1. Halbjahr 2016BMW und Audi waren gut, Mercedes war besser. So lässt sich das erste Halbjahr zusammenfassen – sowohl beim Wachstum als auch beim Absatz konnte die Marke mit dem Stern die Konkurrenten abhängen. In den ersten sechs Monaten gingen 1.006.619 Mercedes-Benz an die Kunden – das entspricht eine Zuwachs von 12,1 Prozent. Ganz nebenbei der 40. Rekordmonat in Folge für die Marke. Dabei profitiert Mercedes vor allem von den SUV-Modellen, die inzwischen ein Drittel des weltweiten Absatzes ausmachen. „Das zeigt, dass sich unsere Produktoffensive auszahlt und unser rundum erneuertes SUV-Portfolio hervorragend bei den Kunden ankommt“, sagt Vorstandsmitglied Ola Källenius. Zusammen mit den 73.510 verkauften Smart kommt die Pkw-Sparte des Daimler-Konzerns so auf 1,08 Millionen Fahrzeuge. Quelle: dpa
Porsche – 1. Halbjahr 2016Drei Prozent Wachstum auf 117.963 Fahrzeuge. Das sind die Eckdaten des ersten Halbjahres bei Porsche. Der Sportwagenbauer zeigt sich damit zufrieden und spricht von einer „Stabilisierung auf hohem Niveau“. Viele Modelle wie die Baureihen Cayman, Boxster, Macan und der 911er konnten zwar zweistellig wachsen, bei der Limousine Panamera hielten sich die Kunden wegen des anstehenden Modellwechsels aber spürbar zurück. „Die durchweg positive Resonanz auf die Weltpremiere des neuen Panamera Ende Juni stimmt uns sehr optimistisch. Wir erwarten uns davon einen deutlichen Schub“, sagt Marketing- und Vertriebsvorstand Detlev von Platen. Der neue Panamera kann seit dem 28. Juni bestellt werden und steht in Europa ab November beim Händler. In den USA und im chinesischen Markt ist das Auto ab Januar 2017 verfügbar. Quelle: dpa
Toyota – Gesamtjahr 2015Der japanische Autokonzern Toyota hat seine Stellung als weltgrößter Fahrzeughersteller im vierten Jahr nacheinander behauptet und den durch den Abgasskandal gebeutelten Konkurrenten VW auf Distanz gehalten. 2015 verkaufte das Unternehmen 10,15 Millionen Autos, wie Toyota am Mittwoch mitteilte. VW kam im vergangenen Jahr auf 9,93 Millionen verkaufte Autos, General Motors auf 9,8 Millionen. 2016 rechnet Toyota mit einem Absatz von 10,11 Autos. Im vergangenen Jahr lag die Prognose bei 10,1 Millionen Fahrzeugen für 2015 und wurde durch die Realität übertroffen. VW hatte Toyota bei den Verkaufszahlen im ersten Halbjahr 2015 überholt, war dann aber infolge des Abgasskandals wieder zurückgefallen. Die Autoverkäufe auf den großen Märkten in den USA und Japan haben sich verlangsamt. Darüber hinaus hat sich auch das in den vergangenen Jahren stetige Wachstum auf aufstrebenden Märkten abgeschwächt. Das schlägt sich auch in den Toyota-Zahlen nieder: 2014 hatten die Japaner noch 10,23 Millionen Autos verkauft. Quelle: dpa

Renault selbst übt sich zunächst in Zurückhaltung. „Unter den Testbedingungen des Genehmigungsverfahrens erfüllen unsere Fahrzeuge die Abgasnormen“, betonte Verkaufschef Thierry Koskas bei der Vorlage der Jahreszahlen am Montag. Bei den Emissionen im realen Straßenverkehr gebe es aber Unterschiede zu den im Testverfahren gemessenen Werten. „Wir sind uns dessen sehr bewusst“, sagte Koskas. „Wir sind natürlich nicht der einzige Hersteller, der dieses Thema hat.“ Dennoch will Renault „in den kommenden Wochen “ einen Plan vorlegen, wie man die Emissionen reduzieren will.

Kurssturz erschwert Staats-Ausstieg

Die Lösung könnte denkbar einfach sein: Mehr in die Nachbehandlung der Abgase investieren. Im Gegensatz zum französischen Konkurrenten PSA (mit den Marken Peugeot und Citroën) hat Renault bislang an der teuren Technik zur Säuberung der Abgase gespart. Allein den Rückstand aufzuholen wird teuer – von eventuellen Rückrufen, Schadenersatz- und Strafzahlungen ganz zu schweigen.

Schweigen scheint auch das Gebot der Stunde für Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn zu sein. Der umtriebige Manager, sonst immer für einen markanten Spruch zu haben, hält sich seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe öffentlich zurück. Statt dem Konzernchef sprangen Umweltministerin Ségolène Royal und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron Renault zur Seite. Auch die Jahreszahlen, zu denen eigentlich ein Auftritt von Ghosn erwartet worden war, trug Verkaufschef Koskas vor.

Ghosn Schweigen wirft Rätsel auf – selbst einen Kommentar, man müsse vor einer Äußerung erst den Sachverhalt genauer klären, gab es bislang nicht. Damit umschifft Ghosn zwar Kommunikationspannen wie bei Volkswagen und Audi, wo sich die Chefs ihre eigenen Aussagen teils mehrfach revidieren mussten. Er lässt Mitarbeiter, Kunden und Anleger aber im Unklaren – besonders bei letztgenannten kommt das gar nicht gut an.

Während viele Folgen der Vorwürfe noch nicht absehbar sind, gibt es an den Börsen bereits handfeste Auswirkungen. Der schwere Kurssturz sorgte nicht nur für einen Wertverlust von zwischenzeitlich fünf Milliarden Euro, sondern erschwert auch den geplanten Teil-Ausstieg des französischen Staats.

Talisman soll Renault Glück bringen
Mit dem Talisman zeigt Renault einen Nachfolger für Laguna und Latitude. Und will verlorenes Terrain in der Mittelklasse gut machen. Für Sicherheit sorgt eine Armada an radar-, ultraschall- und kamerabasierten Systeme wie Sicherheitsabstands-Warner, Notbremsassistent mit Geschwindigkeitswarner, Totwinkel- und Spurhalte-Warner, Fernlichtassistent und adaptiver Tempomat. Elektrisch verstellbare Vordersitze, die heizen oder kühlen können und auch eine Ambiente-Beleuchtung hat der Viertürer an Bord. Navigationsbefehle erhält die Limousine über das Multimediasystem R-Link 2. Quelle: PR
An Bord der 4,85 Meter langen Limousine hat der französische Autobauer eine Fülle an technischen Schmankerln gepackt. Neben LED-Scheinwerfern und einem Head-up-Display beispielsweise auch das hauseigene Multi-Sense-System, mit dem sich Lenkung, Gangwechsel, Dämpfung und Ansprechverhalten des Motors sowie auch die Innenraumbeleuchtung, Klimatisierung und Motorensound regeln lassen. Basisdiesel ist der 1,5-Liter große dCI 110, darüber rangiert der 1,6-Liter große Selbstzünder, der wahlweise mit Sechsgang-Schaltgetriebe oder dem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe verfügbar ist. Die Leistungsspitze markiert der Diesel dCI 160. Die beiden Benziner leisten 150 beziehungsweise 200 PS und sind mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe verbunden. Quelle: PR
Das Design stammt vom Niederländer Laurens van den Acker, der unter anderem auch Twizy und Captur gestaltet hat. Das Modell wird offiziell auf der IAA Mitte September in Frankfurt vorgestellt. Zu den deutschen Händlern kommt es im Januar 2016. Quelle: PR
Für Sicherheit sorgt eine moderne Armada radar-, ultraschall- und kamerabasierter Systeme wie Sicherheitsabstands-Warner, Notbremsassistent mit Geschwindigkeitswarner, Totwinkel- und Spurhalte-Warner, Fernlichtassistent und adaptiver Tempomat. Quelle: PR
Fast selbstständig in Parklücken kann das Fahrzeug mit dem Einparkassistenten manövrieren. Die dynamische Allradlenkung kümmert sich nicht nur um die Lenkpräzision, sondern verbessert auch die Fahrsicherheit. Bei niedrigen Geschwindigkeiten schlagen die Hinterräder minimal in entgegengesetzter Richtung zur Vorderachse ein. Das Angebot an Triebwerken für den Talisman umfasst zwei Turbobenziner und drei Turbodiesel, die ein Spektrum von 110 bis 200 PS abdecken. Außer manueller Sechs-Gang-Schaltung gibt es je nach Modell auch ein Sechs- und ein Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Quelle: PR

Im April hatte die Regierung in einem Machtkampf zwischen Wirtschaftsminister Macron und Renault-Chef Ghosn ihren Anteil von 15 auf 19,7 Prozent erhöht – und sich so nach einem neuen Gesetz doppelte Stimmrechte gesichert. Um den Machtkampf zu entschärfen, erklärte Macron im Juli, die 4,7 Prozent wieder zu verkaufen – was aber bis heute nicht geschehen ist. Im November sagte er, der Staat sei nicht bereit, den Anteil mit Verlust zu verkaufen. Im Zuge des schweren Kurseinbruchs vom vergangenen Donnerstag hat der Staat jedoch zumindest auf dem Papier bis zu 1,16 Milliarden Euro verloren. Ein schneller Verkauf der Anteile ist damit nicht wahrscheinlicher geworden.

Die Regierung befürchtet nach einer Reorganisation, ihren Einfluss auf Renault zu verlieren. Der Fahrzeughersteller wurde 1898 gegründet und 1945 mit der Begründung verstaatlicht, das Unternehmen habe Lkw für die deutschen Besatzungstruppen in Frankreich gebaut. Ab 1990 wurden Aktien nach und nach an Privatinvestoren verkauft. Bereits unter dem Vorgänger des derzeitigen Staatspräsidenten Francois Hollande, Nicolas Sarkozy, stand Renault unter Beschuss seitens der Politik, weil der Konzern angeblich zu stark im Ausland investiere, auch im Vergleich zum inländischen Konkurrenten Peugeot.

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